Da ist es auch schon vorbei. Das Fest der Liebe. Letztendlich eindeutig die Festivität, die den längsten Anlauf nimmt, dafür dann aber den kürzesten Höhepunkt präsentiert. Ein bisschen so, wie man sich Sex mit Lothar Matthäus vorstellt. Aber wer macht das schon, außer vielleicht seine inzwischen so ungefähr zwölf Ex-Frauen?

Eine Satire
Diese Kolumne stellt die Sicht der Autorin dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Kleines Fun Fact am Rande, das nichts mit Weihnachten zu tun hat, wohl aber mit einer Rute: Wenn man zusammenzählt, wie alt besagte Ex-Frauen zu dem Zeitpunkt waren, als sie Lothar Matthäus kennenlernten, erhält man das exakte aktuelle Alter von Lothar Matthäus.

Aber das nur am Rande. Es ging ja um Weihnachten und dass The Most Wonderful Time of the Year eine recht kurze Halbwertszeit hat. Während man inzwischen schon ab Mitte August in handelsüblichen deutschen Supermärkten verstärkt aufpassen muss, nicht über die ersten Bruttoregistertonnen Lebkuchen und Adventskalender zu stolpern, ist dann das tatsächliche Weihnachten nach knapp 48 Stunden wieder vorbei.

Zumindest kenne ich es so. Kaum hat man sich von den verstörenden Bildern von Philipp Amthor im Weihnachtskonfirmationsanzug und betrunkenen Kaufhausweihnachtsmännern erholt, die dir "Na Süße, willste mal meinen Sack sehen?" hinterherbrüllen, da ist auch schon wieder Montag und alles ist vorbei.

Kalorienmarathon

Ohnehin eine recht arbeitnehmerunfreundliche Weihnachtskonstellation dieses Jahr: Die Feiertage liegen ausgerechnet auf einem Wochenende. Und dann feiert man eben diesen Geschenkemarathon durch: Am Heiligabend eher im engsten Familienkreis. Die jüngsten Familienmitglieder bekommen dann stets abgefahrene technische Gadgets, bei denen aber keine Batterien im Lieferumfang sind. Nachdem dann bei sämtlichen Radioweckern und Fernbedienungen erfolglose Batterie-Castings durchgeführt wurden, weint mindestens einer der Kleinen so bitterlich, dass der am wenigsten Betrunkene der Runde zu einer Autotour durch die Tankstellenshops im Umkreis von 30 Kilometern aufbricht.

Am ersten Weihnachtstag sind es dann die Eltern des Partners oder die Oma, am zweiten Weihnachtstag dann Onkel und Tanten oder die andere Oma. Rechnet man die teilweise abenteuerlich langen Anfahrtszeiten hinzu, bleibt netto eigentlich pro Haltestelle maximal ein Zeitfenster von drei bis vier Stunden. Zu wenig, um alle offenen Wunden zu heilen. Zu viel, um nicht wenigstens halbbetrunken daran zu zweifeln, ob man jemals wieder Alkohol trinken wird.

Dazu noch der alljährig ausgebaute KPM-Rekord. Dabei handelt es sich nicht etwa um royales Porzellan, sondern die berühmte Maßeinheit "Kalorien pro Minute". Insbesondere Mütter sind ja zumeist spürbar in ihrer Ehre gekränkt, wenn man nicht das Nahrungsaufnahme-Volumen einer mittelgroßen Kreisstadt mit an den Weihnachtsesstisch bringt.

Der Querdenker im eigenen Esszimmer

Dieses Jahr, quasi als Weihnachtsbonus, kommen noch erschwerte Kommunikationsbedingungen hinzu. Irgendwo während dieser Drei-Tage-Fresskoma-Pauschalreise durch verschiedene Familien-Destinationen und essbarer Weihnachtstraditionen schleicht sich ja mittlerweile in jede gute Familie mindestens ein Absolvent der "Sahra Wagenknecht Fake News Akademie Potsdam" und erläutert der versammelten, Jingle-Bells-bereiten Mannschaft, dass wir mit Karl Lauterbach als Gesundheitsminister und seiner große Liebe zur totalen Panikmache unmissverständlich in eine Diktatur geführt werden und im Prinzip jeder Geimpfte Teil einer großen Verschwörung ist oder eben nicht schlau genug.

Oder eher: Nicht schnell genug, denn Fake News werden ja mitunter von den Portalbetreibern schneller gelöscht als Michael Wendler ausrechnen kann, wann denn jetzt endlich die schon für September angekündigte große Geimpften-Sterbewelle Fahrt aufnehmen wird.

Haben Sie so was auch schon erlebt? Wie reagiere ich, wenn der Querdenker nicht aus einem womöglich Tausende von Kilometern entfernten Keller mit dir diskutieren möchte oder aus einer russischen Bot-Farm? Wenn er dir zwischen Klößen und Rotkohl runterbetet, wie Angela Merkel und ihre Verbündeten aus der Neue-Weltordnung-Elite Deutschland zu einer Diktatur umbauen wollen und wie CumEx-Wartburg-Brechmittel-Scholz ihr Erbe nahtlos weiterführt?

Lässt man ihn – um den lieben Frieden zu bewahren, denn immerhin ist ja Weihnachten – gewähren? Oder lässt man sich ausgerechnet zu "Last Christmas" auf eine Diskussion ein, die den Rest des Abends bestimmen und die meisten Teilnehmer der Tafelrunde beschämen wird?

Eigentlich kann man manipulative, dumme oder hetzerische Meinungen ja nicht einfach so stehen lassen, nur weil der Diskussionsgegner keine Kolumnen bei "Welt" schreibt oder Telegram-Gruppen betreibt, in denen Anleitungen zum Basteln eines lustigen gelben "Umgeimpft"-Sterns geteilt werden und man überzeugt ist, ziemlich genau jetzt sofort müsste man eigentlich von seinem Bürgerrecht Gebrauch machen und "die da oben alle standesrechtlich erschießen".

Ablenkungsmanöver durch Draxler

Was schon mal nicht klappt, das habe ich für Euch getestet: Sarkasmus. Menschen, deren Ironieverständnis so ausgeprägt ist wie die Liebe von Mathias Döpfner zu Propaganda-Assistenten des neuen DDR-Obrigkeitsstaats, reagieren selten verständnisvoll darauf, wenn man ihre Meinung verächtlich macht. Egal, wie berechtigt und wie exzellent formuliert. Eigentlich bleibt da nur noch, sein Smartphone zu zücken und das Thema auf missglückte Influencer- und Promi-Weihnachtsbilder zu lenken. Da gab es nämlich auch dieses Jahr wieder einige Highlights.

Julian Draxler etwa – Deutschlands ballfertigster Paris-Export. Der posiert mit einer weitestgehend unbekleideten jungen Dame vor einem Weihnachtsbaum, der vermutlich in einem Badezimmer steht. Anhand der Großraum-Lüftungsschächte im Boden ist davon auszugehen, dass es sich um ein Kongresshotel handelt. Draxler trägt Schwarz, über dem Hemd eine silberne Kette mit prominentem Anhänger. Er schlingt einen Arm um die Hüfte seiner Weihnachtsbegleitung, ohne sie jedoch zu berühren. Ein einziges Bild, so voller wunderbarer Details – man könnte vermutlich eine ganze Sendung "Aktenzeichen XY ungelöst" darüber senden.

Ob Julian Draxler querdenkt, weiß ich nicht. Als Spieler von Paris Saint-Germain ist er zumindest vermutlich geimpft. Außerdem spielt er in der Nationalmannschaft manchmal mit Joshua Kimmich und hätte insofern schon mal deutlich mehr Berechtigung, regelmäßig bei "Markus Lanz" Rede und Antwort zum Thema Corona zu stehen, als zum Beispiel Alexander Kekulé. Das jedenfalls muss man vermuten, nachdem seine Universität ihn vor die Tür gesetzt hat. Für einen Wissenschaftler erstmal kein so überragender neuer Spiegelstrich in der Vita. Aber, das werden wir mit Sicherheit zeitnah nach der Weihnachtspause bei "Markus Lanz" brühwarm aufgearbeitet bekommen: Alles natürlich nur Schikane und ein weiteres Indiz dafür, dass Kritik in diesem Land nicht mehr erlaubt ist.

Dass man seine eigene Meinung nicht mehr sagen darf, wenn sie Kritik an anderen beinhaltet, sieht man ja beispielsweise auch an dieser Kolumne. Würde ich hier statt familientauglicher Weihnachtsanekdoten knallharte Corona-Kritik üben, wäre die Kolumne doch schon längst vom Bundeslügenpresseamt verboten worden. Denken Sie mal darüber nach!

Wir lesen uns im nächsten Jahr. Und Julian Draxler, falls Du mitliest: Nächstes Jahr Heiligabend bist Du bei uns eingeladen. Dieses gefühls- und emotionslose Tristesse-Ambiente aus der Toilette in Deinem Konferenzraum, das darf es einfach nicht nochmal geben. Bis dann!

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