Im Berliner "Tatort" ermitteln die Kommissare Karow und Rubin im Fall des toten Bauunternehmers Klaus Keller, der nach dem Krieg in der Bundesrepublik erfolgreich war, während sein Bruder Stasi-Major in der DDR wurde.

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Warum konzentriert sich dieser "Tatort" zum Tag der Deutschen Einheit nicht auf die Wende?

Sowohl Drehbuchautor Christoph Darnstädt als auch Regisseurin Lena Knauss war es wichtig, die Gegenwart in der deutschen Geschichte zu verwurzeln. "Angesichts ungebrochen zweistelliger Prozente für eine völkische Partei in unserem Lande" wollte Darnstädt, von dem auch die Drehbücher für die Tschiller-"Tatorte" mit Til Schweiger stammen, "daran erinnern, wie es zu dieser Teilung kam. Auf dass wir in unserer Einheitstrunkenheit vielleicht ein Stück weit nüchtern, nachdenklich, besorgt werden, wenn zusammenwächst, was zusammengehört." Das solle nicht heißen, so der 1960 geborene Darnstädt gegenüber der ARD, "was uns eint, ist die Deutsche Schande". Aber es gebe die Verpflichtung, "uns gerade auch an sie und jedes einzelne ihrer gesamtdeutschen Opfer bei diesem Anlass zu erinnern".

Auch die 1984 geborene Regisseurin Lena Knauss findet es bedenklich, dass "wir in einer Zeit" leben, "in der viele die deutsche Vergangenheit am liebsten hinter sich lassen wollen. Natürlich ist es wichtig, nach vorne zu schauen und die Zukunft zu gestalten. Aber das Vergangene ist eben nicht einfach vergangen, seine Spuren reichen bis ins Heute hinein. Wir sind alle beeinflusst durch unsere Eltern und Großeltern und dem, was ihnen widerfahren ist, auch wenn es oft weit weg scheint."

Gibt es die Gedenktafel wirklich?

Ja, die Berliner Gedenktafel, die im "Tatort" eine Rolle spielt, steht auf einem Mittelstreifen an der Ecke Uhland- und Berliner Straße. Sie wurde 2015 enthüllt und erinnert tatsächlich an einen 17 Jahre alten Deserteur, der sich in den letzten Tagen des Aprils 1945 in einem Keller in der Nähe versteckte. Als die SS ihn entdeckte, wurde er mit einer Wäscheleine an der Laterne vor der Uhlandstraße 103 erhängt. Um den Hals befestigten die Mörder ein Schild mit dem Text "Ich war zu feige, für Deutschland zu kämpfen". Zur Abschreckung ließ man ihn dort mehrere Tage hängen.

Die Tafel soll, so das Berliner Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, "an ihn und alle anderen, die sich der Teilnahme am Krieg verweigerten und deshalb ermordet wurden" erinnern.

Was sind Schmauchspuren?

Mehrere Verdächtige müssen sich im "Tatort" nach Schmauchspuren an den Fingern untersuchen lassen. Denn jeder Schuss, so das Bundeskriminalamt, "setzt eine Wolke mikroskopischer Partikel frei, die sich in der Umgebung niederschlägt, auch auf Schützen und Ziel". Der Nachweis dieser Partikel ist "für eine spätere Rekonstruktion des Tathergangs" wichtig. Dass Klaus Keller durch einen aufgesetzten Schuss, also aus nächster Nähe, erschossen wurde, ist klar, deshalb geht es hier um "die Untersuchung von Schmauchpartikeln an den Händen von Tatverdächtigen, um Rückschlüsse auf eine mögliche Schussabgabe zu ziehen".

Die Schmauchspuranalyse ist allerdings umstritten, besonders in den USA, wo der Besitz von Handfeuerwaffen sehr viel häufiger ist und auch jemand, der sich in der Nähe eines Schusswechsels befand, Spuren abbekommen haben könnte. Das kalifornische Justizministerium zum Beispiel rät zum vorsichtigen Gebrauch der Schmauchspuruntersuchung und weist darauf hin, dass eine Analyse nicht beweiskräftig unterscheiden kann, ob die untersuchte Person einen Schuss abgegeben oder nur Umgang mit einer Waffe gehabt hat.

Und schließlich ignoriert der "Tatort" eine wichtige Kleinigkeit: Zwar besteht in der Wissenschaft Uneinigkeit darüber, wie lange sich Schmauchspuren an den Händen halten, einig ist man sich allerdings darüber, dass einfaches Händewaschen die Partikel beseitigt. Zwischen der Tat und dem Test an einem Verdächtigen sollten nicht mehr als vier Stunden vergehen, so das kalifornische Justizministerium in seinen Richtlinien für Strafverfolger: Schmauchspuren "können sich auch bei geringer körperlicher Aktivität leicht von den Händen lösen".

Ist Rolf Becker mit Meret Becker verwandt?

Rolf Becker spielt im "Tatort" den erschossenen Patriarchen Klaus Keller, im wahren Leben ist er der Vater von Meret Becker, die Kommissarin Nina Rubin spielt.

Der Offizierssohn, der 1935 in Leipzig zur Welt kam, begann als Theaterschauspieler, war aber seit den 60er Jahren in vielen Literaturverfilmungen im Fernsehen zu sehen und hat regelmäßige Gastauftritte sowohl in Krimiserien als auch Katie-Fforde-Liebesfilmen. Aus der Ehe mit der Schauspielerin Monika Hansen stammen die Kinder Meret und Ben Becker, ebenfalls erfolgreiche Künstler.

Der Berliner "Tatort" aber ist nach der Kino-Krimikomödie "Heinrich der Säger" von 2001, in der sie Vater und Tochter spielten, erst der zweite gemeinsame Auftritt mit Meret Becker. Mit Sohn Ben spielte er nur 1999 in dem Kinofilm "Ein Lied von Liebe und Tod – Gloomy Sunday", beide stellen darin den jungen beziehungsweise alten SS-Offizier Hans Wieck dar.

"Seltsamerweise" würden er und seine Kinder nur sehr selten gemeinsam engagiert, erzählte Rolf Becker der Deutschen Presse-Agentur in einem Gespräch zu seinem 85. Geburtstag Ende März. Sie berieten sich aber regelmäßig hinter den Kulissen zu ihren Rollen: "Meine Kinder wollen von mir meist etwas zur Dramaturgie oder zum historischen Hintergrund eines Films wissen. Und sie geben mir beispielsweise Infos zu einem Regisseur und dessen Eigenarten."

Wie lautet das Lied, das Kommissarin Rubin hört?

Als Nina Rubin nachts auf ihrem Sofa zum Thema Hitlerjugend recherchiert, läuft im Hintergrund der melancholische Song "It ain't Water" von Alison Mosshart. Die amerikanische Sängerin und Songwriterin ist Teil des Duos The Kills und spielt zusammen mit unter anderem Jack White in der Rock-Supergroup The Dead Weather. "It ain't Water" ist die B-Seite ihrer ersten Solo-Single "Rise", die Ende Juli herauskam, das Selbstgespräch einer Frau bei viel Wein.

Zwar schrieb Mosshart den Song bereits 2016, doch das Video dazu produzierte sie selbst während des Corona-Lockdowns im Frühjahr, und es sei "schon witzig", wie der Song und das Video ihre Hauptbeschäftigung der letzten Monate spiegele: "Es geht darum, alleine zu sein und zu trinken und jemand zu werden, der dich nicht verurteilt, wenn du betrunken bist", erzählte Mosshart dem Magazin "American Songwriter". Man werde zu einer anderen Person, "man entwickelt eine neue Sensibilität. Um diese Verwandlung geht es".

Über die Musikszene hinaus erlangte Mosshart Berühmtheit durch ihren Auftritt in der Dokuserie "Parts Unknown", in der der mittlerweile verstorbene Starkoch Anthony Bourdain 2016 Nashvilles Restaurantszene vorstellen wollte und dabei auf Mosshart traf, die dort lebt. Es kam zu einer freundlichen Übernahme der Episode durch Mosshart und ihre Musikerkollegen, schrieb Bourdain später, an deren Ende er und seine Crew mit von Alison designten "Tattoos aufwachte" und verkatert "nach New York zurück humpelte".

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