Zwei Länder fiebern in der Oscar-Nacht mit ihm mit: Der Deutsche Patrick Vollrath ist mit seinem österreichischen Kurzfilm "Alles wird gut" nominiert. Wir sprachen mit Filmemacher Patrick Vollrath über seinen grandiosen Film, über Schauspielführung, Filmästhetik und die Hoffnungen an die Oscarverleihung.

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Eben noch Filmstudent in Wien, jetzt bei der Nacht der Nächte: Bei den Oscars 28. Februar in Los Angeles geht ein deutscher Filmemacher mit einem österreichischen Film ins Rennen: Patrick Vollrath ist mit seinem Abschlussfilm "Alles wird gut" in der Kategorie "Bester Kurzfilm" nominiert. Vollrath wurde 1985 im deutschen Eisdorf am Harz geboren und begann 2008 ein Studium an der Filmakademie Wien.

"Alles wird gut" handelt von einem geschiedenen Vater, der aus Verzweiflung seine eigene Tochter entführen will. Die Hauptrolle spielt der Wiener Simon Schwarz, der schon in zahlreichen TV-Serien wie "Altes Geld", "Braunschlag" und "Die Siebtelbauern" zu sehen war und auch als Teufel im "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen auftrat. An seiner Seite spielt die zehnjährige Julia Pointner, die mit "Alles wird gut" ein eindrucksvolles Debüt abliefert.

Herr Vollrath, ich brauche gar nicht zu fragen, ob Sie aufgeregt sind wegen des Oscars, oder?

Patrick Vollrath: Ich bin eigentlich gar nicht so aufgeregt. Es ist mehr eine Vorfreude. Es ist spannend, das mal mitzubekommen.

Wie kann man sich das vorstellen, zu erfahren, dass man für einen Oscar nominiert ist? Was passiert da, was geht da in einem vor?

Das erfahren alle bei einer Pressekonferenz, die live aus L.A. gesendet wird. Wir wussten ja, dass wir auf der Shortlist sind, also bei den letzten zehn, und dass sie daraus fünf auswählen werden. Ich habe dann einfach diese Pressekonferenz geschaut, bis unsere Kategorie kam, und dann war unser Filmtitel dabei.


Und dann …?

(lacht) Das war schon emotional. Ich war alleine zuhause, bin rausgegangen in meinen kleinen Garten und hab' erstmal kurz durchgeatmet. Dann hat das Telefon aber schon angefangen, ununterbrochen zu klingeln.

Machen Sie sich richtige Hoffnungen auf den Oscar?

Nein, man rechnet sich da keine so großen Chancen aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass man überhaupt dabei ist, ist schon so gering. Ich glaub' nicht, dass es passieren wird - und das wär auch okay.

Was erwarten Sie sich von der Oscarnacht am 28. Februar?

Vom 28. Februar an sich gar nicht so viel. Ich will diese Atmosphäre mal sehen. Ich gucke das Ganze, seit ich 13 bin, und einmal live dabei zu sein, ist natürlich schon etwas Außergewöhnliches.

Was macht für Sie das ganz Besondere an dem Film aus?

Das kann ich gar nicht so genau sagen. Das Schönste für mich ist die fantastische Schauspielleistung bis zur kleinsten Nebenrolle. Den Rest muss dann wirklich der Zuschauer betrachten. Manche haben Ähnliches erlebt, da kriege ich jetzt öfters mal sehr emotionale Kommentare.

Die Geschichte steht und fällt ja mit dem Kind, dargestellt von Julia Pointner.

Mit beiden. Wenn nur einer von den beiden nicht gut wäre, dann wäre der Film nicht da, wo er ist. Aber ich glaube, das ist bei ganz vielen Filmen so. Ich meine, was ist "Der Pate" ohne Marlon Brando? Was wäre "The Revenant" ohne DiCaprio? Es wäre immer noch ein ganz schöner Film, aber er lebt halt auch vom Schauspieler.

Was sagen Sie zur schauspielerischen Leistung von Julia Pointner?

Wir haben fast sechs Monate gecastet, über 80 Kinder. Wir haben versucht, so viel Zeit wie möglich zu investieren, um ein großes Talent wie sie zu finden. Ich glaube, ich hätte den Film auch nicht gemacht, hätten wir sie nicht gefunden. Und sie wurde beim Dreh immer noch besser. Sie war schon beim Casting auf einem sehr guten Level, aber sie hat dann noch viel mehr herausgeholt.

Die Beziehung zwischen ihr und Simon Schwarz fühlt sich absolut echt an. War er immer schon dabei, als Sie sie gesucht haben?

Nein. Der Simon kann wahnsinnig gut mit Leuten und auch mit Kindern, er ist selber Vater. Und die Julia ist einfach ein wahnsinnig offenes Kind, ist gleich gut Freund mit jedem - die Persönlichkeiten von beiden haben uns da natürlich zugespielt. Das hat vom ersten Moment an sofort funktioniert.

Wie haben Sie mit Julia erarbeitet, was in den Szenen passiert?

Sie ist ein hochintelligentes Kind, von daher hat sie sofort verstanden, worum der ganze Film geht. Ich rede mit ihr genauso, wie ich jetzt mit Ihnen rede - wir reden immer auf einer Augenhöhe. Wir konnten die ganze Zeit darüber sprechen, wer was warum macht und wie sie darauf reagiert. Das war wirklich eine ganz normale Beziehung zwischen Schauspieler und Regisseur, die diese Rolle gemeinsam bearbeiten. Ich habe ihr das nicht alles vorgegeben, sondern sehr auf sie gehört.

Wir wollten auch nicht alles festlegen, sondern wir haben ein bisschen ausprobiert, in welche Richtung die Szenen gehen. Es ist auch ein großer Verdienst von Julia und Simon, dass wir jetzt nach L.A. reisen dürfen.

Also ist einiges zwischen den beiden auch wirklich spontan entstanden?

Ja. Zunächst war es schon sehr präzise vorgegeben, was ungefähr passiert, und wir haben das, was wir uns ausgedacht haben, auch erstmal so gedreht. Und dann haben wir gesehen, was vielleicht anders besser funktioniert.

An einer Stelle unterbricht sie ihn, und er sagt ihr, "Warte, lass mich aussprechen". Da hatte ich zum Beispiel das Gefühl, dass das in dem Moment spontan entstanden war.

Ich gebe ja nie wirklich Dialoge vor. Im Drehbuch steht: Simon erklärt ihr, was jetzt wichtig ist, so ungefähr. Und er weiß, was passiert und was nicht passieren darf. Man vertraut auf die Kreativität der Schauspieler und lässt ein bisschen Freiheit im Drehbuch.


Bei "Alles wird gut" fällt auf, dass gar keine Musik drin ist. Bei Ihrem "Schnee im Sommer" in ähnlichem Stil ist auch fast keine, aber dann kommt zum Schluss ein Song.

Das sind so Sachen, die man im Studium mal ausprobieren muss. Für den Moment fand ich das sehr schön – aber ich glaube, heute würde ich das auch nicht mehr so machen. Ich habe bei "Alles wird gut" auch kurzzeitig mal herumprobiert, ob Musik funktionieren würde, aber habe dann einfach gemerkt, dass das einfach nicht richtig ist für diesen Film.

Wir wollten einen ehrlichen, direkten Film machen, der ein Ereignis einfängt, das eigentlich so passieren könnte - draußen in der Realität. Wir wollen mit der Kamera einfach dabei sein, ohne dass wir aufdringlich sind.


Die Geschichte bleibt ja ganz unaufgelöst. Auch das ist bei "Schnee im Sommer" genauso angelegt - es kommt zu einer Zuspitzung, aber was dann mit den Figuren weiterpassiert, bleibt uns überlassen.

Genau, wir erzählen quasi diese Episode. Es gibt keine Vorgeschichte oder Rückblicke oder etwas Erklärendes, sondern wir zeigen einen kurzen, 30-minütigen Abschnitt von dem, was in dem Leben dieser beiden Menschen gerade passiert. Was davor passiert ist, kann man durch Schnipsel an Informationen irgendwie denken. Man spürt, dass da etwas nicht in Ordnung ist – was genau das ist, interessiert ja letztendlich keinen.

Der Arbeitstitel des Films war "Rotkäppchen". Was hat es damit auf sich?

Für mich hieß "Rotkäppchen" immer, dass sich jemand hinter einer Maske versteckt. Das war für mich immer der Vater, der schon sein ganzes Leben eine Maske trägt und dahinter seine Verzweiflung verbirgt. Darum trägt Julia auch eine rote Jacke (lacht). Aber wir sind dann relativ früh davon abgekommen, weil "Rotkäppchen" ja eine ganz andere Geschichte erzählt.

Durch den neuen Titel ist es ja fast ein optimistischerer Film geworden.

Der Titel hat sich ein bisschen aus dem Material entwickelt. Beide Eltern sagen das in unterschiedlichen Situationen zu ihrem Kind. Wenn dein Vater oder deine Mutter das zu dir als Kind sagen, dann glaubt man das einfach. Aber wenn man auf sein Leben zurückblickt, weiß man, dass die Eltern definitiv nicht immer richtig liegen. Jetzt weiß man, dass sowas auch oft einfach eine Lüge ist. Diese beiden Welten, die in dem Titel zusammentreffen, sind auch die beiden Welten, die in der Geschichte zusammenkommen - die kindliche Naivität, der Glaube an die Eltern und daran, dass alles wieder gut wird, und dann die Wahrheit, die ab der Mitte über das Kind hereinbricht.

Was interessiert Sie generell an Geschichten, was zieht Sie an?

Das ist unterschiedlich, das hat sich auch über die Zeit entwickelt. Mittlerweile interessiert mich ein bisschen, eine Wahrheit zu finden. Die muss nicht groß sein, aber ich will eine kleine Wahrheit finden, die mit unserer Welt etwas zu tun hat, und etwas erzählen, was nicht an der Oberfläche bleibt, sondern emotional tiefer geht.

Ich finde auch immer wichtig, dass du den Zuschauer ernst nimmst, ihn nicht für dumm verkaufst und ihm auch etwas vorsetzt, was ihn hoffentlich nicht langweilt - was nicht nur von dir selber handelt, sondern auch etwas mit dem Zuschauer zu tun hat.

Haben Sie da bestimmte Vorbilder an Regisseuren?

Das wechselt so ein bisschen. Ich studiere ja bei Michael Haneke, das ist sicher ein wichtiges Vorbild in meinem filmischen Aufwachsen. Ich finde gerade den Iraner Asghar Farhadi wahnsinnig spannend, oder Paul Greengrass. Und was Alfred Hitchcock über den Film erzählt, ist für einen Filmstudenten natürlich auch eine wichtige Sache gewesen.

Haben Sie schon Pläne für ein neues Projekt?

Ich schreibe schon ein Drehbuch für einen Spielfilm, für das auch eine Drehbuchförderung bekommen habe. Er heißt "7500" und handelt von einer Flugzeugentführung. Es spielt ausschließlich im Cockpit des Flugzeugs und ist ein Psychoduell zwischen einem Piloten und einem Entführer.

Angenommen, Sie bekommen die Statue und haben plötzlich die Chance, einen großen Film mit einem großen Hollywood-Star zu machen, den Sie sich aussuchen können. Welchen würden Sie nehmen?

(lacht) Also, erstmal muss man immer den richtigen Schauspieler für die Geschichte wählen. Wenn er männlich sein soll, würde ich Daniel Day-Lewis nehmen, weil ich den gerade für den besten Schauspieler der Welt halte. Bei den Frauen bin ich großer Kate-Winslet-Fan – vielleicht also ein Film, in dem beide zusammen spielen?

"Schnee im Sommer" und andere von Patrick Vollraths früheren Kurzfilmen können Sie in seinem YouTube-Channel ansehen.

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