• "Mit niemandem mitgehen!" ist eine Botschaft, die Eltern häufig ihren Kindern mitgeben. Doch machen wir Ihnen damit nicht Angst?
  • Welche Tipps wichtig sind und in welchem Alter wir Kinder wie warnen sollten: Ein Experte gibt Antwort.

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Es ist eine Urangst von Eltern: Das eigene Kind kommt nach der Schule oder dem Spielen mit Freunden nicht nach Hause. Leider zeigt auch die Kriminalstatistik, dass dies vorkommt und in manchen Fällen Verbrechen dahinterstecken. Wichtig ist deshalb, dass Eltern wie Kinder die wichtigsten Präventionsmaßnahmen kennen.

"Dass es Straftaten an Kindern gibt, sollte mit diesen offen besprochen und keinesfalls als Tabuthema behandelt werden", rät Kriminaloberrat Harald Schmidt, Geschäftsführer der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes. Das helfe, um Kinder zur Vorsicht vor Fremden zu erziehen. "Sie müssen wissen, dass sie nie mit Fremden mitgehen dürfen, egal, wie diese sie zu überreden versuchen." Dabei sollten Kinder auch die Tricks potenzieller Täter kennen, sagt Schmidt.

"Die wichtigsten Beispiele: Sie sollten nichts von Fremden annehmen, Süßigkeiten etwa. Wenn sie ein Unbekannter um 'Hilfe' irgendwelcher Art bittet, etwa um sie in ein Auto oder einen Hauseingang zu locken, sollten sie darauf nicht hereinfallen." Generell sollten Jungen und Mädchen möglichst schnell das Weite suchen, sobald sie von Unbekannten angesprochen werden.

Was soll man den Kindern in welchem Alter beibringen?

"Auch noch jungen Kindern kann man mit einfachen Worten erklären, dass es vereinzelt Menschen gibt, die ihnen leider nichts Gutes wollen und sie deshalb Fremden nicht automatisch vertrauen dürfen", betont Präventionsexperte Schmidt. Das bedeute allerdings auch, dass Erwachsene keine Angst machende Aufklärung betreiben sollten, etwa durch Detailschilderungen von Taten.

"Erwachsene Bezugspersonen sollten Kindern und auch Jugendlichen das Gefühl vermitteln, dass diese jederzeit und mit allen Sorgen zu ihnen kommen können. Denn nur bei einem guten Vertrauensverhältnis fühlen sich diese sicher genug, um über möglicherweise erlebte Gewalt oder Missbrauch zu sprechen", sagt Schmidt. Wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche nicht aus Scham schweigen, wenn ihnen etwas widerfahren ist.

Wie können Eltern vorbeugen?

Eltern sollten ihre Kinder kennen und wissen, wo sie mit wem hingehen und was sie erleben, schreibt der Polizeipsychologe Adolf Gallwitz in der Kinderschutzfibel der Initiative Vermisste Kinder. Dazu gehört auch, die Vor- und Nachnamen aller Freunde der Kinder sowie ihre Telefonnummern zu kennen. Auch sollten Kinder ihre Gegend kennen und für gute wie schlechte Plätze sensibilisiert werden.

In der Familie sollte Wert auf Offenheit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit gelegt werden. Zudem können Eltern mit ihren Kindern "Hilfe holen" und "Telefonieren" üben. Für den Notfall sollten Töchter und Söhne wissen, dass sie auch über das Handy kostenlos die 110 wählen können. Auch ist es sinnvoll, die Notfall-App NORA auf dem Handy zu installieren. Gut ist es auch, sich mit anderen Familien im Vorfeld zu besprechen, wie sich im Notfall verständigt und bei einer möglichen Suche vorgegangen wird.

Wie kann man Kinder stärken und ihnen ein Gespür für Gefahren beibringen?

"Eltern sollten Kindern keine Angst vor der Polizei vermitteln, etwa indem sie mit 'Wenn du böse bist, dann kommt die Polizei!' drohen", rät Experte Schmidt. "Zudem sollten Eltern Kindern mitgeben, dass auch Erwachsene lügen können, böse Absichten haben und dass nicht jedes Geheimnis geheim bleiben muss. Täter haben es auf Kinder abgesehen, denen Wertschätzung und Zuwendung fehlen, die also verletzlicher sind", so der Kriminaloberrat. Solche Jungen und Mädchen seien leichter manipulierbar, indem Täter Interesse an ihnen heucheln.

Hier ist auch die Frage wichtig: Was macht Kinder verletzbar? Risikofaktoren sind zum Beispiel Krisen in der Familie oder häusliche Gewalt. Wichtig ist deshalb, Kinder zu stärken und dazu zu ermutigen, sich zu wehren, wenn ihnen etwas nicht behagt. Sie müssen wissen, dass sie 'Nein' sagen dürfen und ihren Eltern alles erzählen können.

Die Kinderschutzfibel empfiehlt, Kindern die folgenden Handlungstipps mitzugeben:

  • Halte dich möglichst immer dort auf, wo auch andere Menschen sind.
  • Schäme dich nie dafür, Angst zu haben.
  • Du kannst "Hilfe" schreien, Hilfe holen und weglaufen.
  • Du kannst deinen Eltern alles erzählen.
  • Fremde sind alle Menschen, die deine Eltern nicht kennen.
  • Wer deinen Namen oder den deiner Eltern kennt, ist immer noch ein Fremder.
  • Du steigst nicht zu Fremden ins Auto.
  • Du unterhältst dich nicht mit Fremden und lässt dir keine Aufträge geben.
  • Du gibst Fremden weder denen Namen noch deine Adresse, auch nicht im Internet.
  • Du bestimmst, wer dich anfassen darf.
  • Wenn du dich mit Personen treffen willst, die du im Internet kennengelernt hast, sprichst du darüber vorher mit deinen Eltern.
  • Du lässt dich nur anfassen, wenn du es möchtest.

Wie können Kinder reagieren, wenn sie von Fremden angesprochen werden?

Behauptet zum Beispiel ein Fremder, die Mama liegt im Krankenhaus und deshalb soll das Kind nun mit ihm mitkommen, müssen Heranwachsende wissen, dass sie auf keinen Fall mitgehen sollten. Sinnvoll ist es, stattdessen zu versuchen, die Mutter oder das Krankenhaus telefonisch über das Handy oder das Telefon der Schule zu erreichen und sich selber von der vermeintlichen Notsituation zu versichern.

Im ersten Moment der Kontaktaufnahme durch den Fremden ist es zudem ratsam, räumliche Distanz zwischen sich und das Gegenüber zu bringen. "Falls Passanten greifbar sind, sollten sie angesprochen werden", sagt Schmidt. Kinder könnten dann zu Beispiel sagen: "Dieser Mann will, dass ich in sein Auto einsteige, aber ich kenne ihn nicht." Das kann einen möglichen Täter abschrecken. Grundsätzlich kann ein Kind zudem Aufmerksamkeit erwecken, wenn es laut ruft. Die Initiative vermisste Kinder empfiehlt für solche Fälle auch das Mittragen einer Trillerpfeife.

Wie können Außenstehende eingreifen und woran erkennt man, dass gerade etwas nicht stimmt?

"Durch Aufmerksamkeit und genaues Hinsehen", sagt Schmidt. Zum Beispiel könnte man sich die Fragen stellen: Wirkt ein Kind, das mit einem Erwachsenen spricht, überrascht, ängstlich oder distanziert, als würde es die Person nicht kennen? Dann ist vorsichtshalber Misstrauen und eventuell zivilcouragiertes Eingreifen angezeigt. "Wenn man als Erwachsener die Vermutung hat, dass dem Kind oder Jugendlichen etwas widerfahren ist, dann sollte man versuchen, mit ihm zu sprechen oder sich dann Hilfe von außen zu holen, etwa bei einer Beratungsstelle oder dem Jugendamt", so der Experte. Verdächtige Situationen können zudem bei der Organisation ECPAT Deutschland e.V. (Ending the Sexual Exploitation of Children) gemeldet werden. Regeln und Tipps rund um Zivilcourage finden sich hier.

Welche Präventionskurse gibt es für Kinder?

Um Informationen zu Präventionskursen für Kinder und Jugendliche vor Ort zu finden, können sich Eltern, Lehrer und Erzieher an das Landeskriminalamt, die Polizeidienststellen oder auch die Jugendämter vor Ort wenden. Jedes Bundesland hat eigene Programme, eine überregionale Liste zu diesen gibt es leider nicht.

Wie verhalte ich mich richtig, wenn mein Kind nicht wie verabredet nach Hause kommt?

In einem solchen Fall sind die ersten Stunden entscheidend, heißt es in der Kinderschutzfibel. Wichtig ist deshalb, dass Eltern über die Pläne ihrer Kinder informiert sind und schnell merken, wenn etwas nicht stimmt. Kommt ein Kind nicht nach Hause, sollte man direkt handeln und nicht erst abwarten. Ratsam ist es, dann zu telefonieren und mit System zu suchen. Auch kann eine Vermisstenanzeige zeitnah bei der Polizei aufgegeben werden, da es für sie keine Wartezeit gibt. Die Hotline für vermisste Kinder ist unter der Telefonnummer 116000 erreichbar. Dort finden sich weitere Informationen und Hilfsangebote.

Wo finde ich weiterführende Informationen?

Über den Experten:

Harald Schmidt ist Kriminaloberrat und Geschäftsführer der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes. In diesem Programm entwickeln er und seine Mitarbeiter Konzepte, Medien und Initiativen, die über Kriminalität aufklären und Schutzempfehlungen vermitteln.
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