Die einen gehen nach wie vor auf Partys und kennen keine Corona-Angst, andere sind eher verunsichert und vorsichtig, was Einladungen und Treffen angeht. Eine Kommunikations-Expertin erklärt, wie Zu- und Absagen in Corona-Zeiten funktioniert, ohne jemanden zu kränken.

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Der nächste Kindergeburtstag kommt bestimmt – und mit ihm die Frage, wie ich in Zeiten der Corona-Pandemie richtig einlade, ohne gedankenlos zu wirken.

Oder wie sage ich ab, wenn ich selbst eingeladen bin, ein Treffen aus Angst vor einer Ansteckung aber lieber vermeiden will? Behutsam kommunizieren in Corona-Zeiten: Das geht am besten auf der Sach-Ebene und mit offenen Worten, sagt die Kommunikations-Expertin Nandine Meyden.

Liebe Frau Meyden, wie finde ich bei meinen Freunden höflich heraus, wie sie sich in der Pandemie verhalten wollen?

Nandine Meyden: Das Beste ist hier, wirklich bei sich selbst anzufangen und darüber zu sprechen, wie es einem im Augenblick mit der Corona-Pandemie geht, was man selbst versucht zu tun, was einem schwierig erscheint.

Das könnte etwa so klingen: "Ich merke, dass mir im Augenblick all die vielen gemeinsamen Momente – das Essen gehen, die gemütlichen Treffen zu Hause bei Freunden – all das fehlt mir total. Ich muss mich ganz schön zusammenreißen, um nicht nachlässig zu werden, denn ich denke, je mehr wir uns alle an die Regeln halten, desto besser kommen wir da durch. Ich weiß nicht, wie es dir damit geht?"

Vor der Begegnung: Zuwinken statt umarmen

Wie kann ich respektvoll vermitteln, dass ich gerade nicht umarmen möchte? Wie kann ich jemand Vertrauten stattdessen begrüßen?

Eigentlich sollte es im Moment gar keine Frage sein, dass man sich nicht umarmt oder sich die Hand gibt.

Wenn ich Freunde habe, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob die das genauso sehen, dann kann ich sie bei einer Begegnung schon aus einer guten Entfernung freudig anstrahlen, ihnen zuwinken und so etwas sagen wie: "Toll, dich zu sehen! Ich würde dich grad‘ gern wie sonst immer in den Arm nehmen, aber das kann ich ja leider gerade nur gedanklich." Oder auch: "Fühl dich bitte gedanklich von mir umarmt. Ich freue mich so auf den Moment, wo wir uns wieder nahe sein können."

Gesellschaft unerwünscht: Die Bitte nach Distanz sachlich formulieren

Bei manchen Menschen ist die Angst vor einer Ansteckung so groß, dass sie gar keine Gesellschaft wollen. Wie kann das behutsam gesagt werden?

Auch hier ist es gut, deutlich zu machen, dass diese Distanz rein auf einer Sach-Ebene zu sehen ist. Die Distanz hat nichts mit dem Menschen und meiner Beziehung zu ihm zu tun.

Ich könnte etwas sagen: "So gern ich dich sehe und so sehr ich unsere kleinen Feste und Freunde-Abende vermisse – im Augenblick möchte ich lieber darauf verzichten, denn ich meide gerade alles an persönlichen Kontakten, was nur irgendwie möglich ist."

Vielleicht kann man auch Alternativen vorschlagen: Ein langes Telefonat oder einen Video-Abend, an dem beide mit einem Glas Wein vor dem Computer oder Laptop sitzen und sich sehen, sich unterhalten – aber eben auf Distanz.

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Absage eines persönlichen Treffens: Alternativen vorschlagen

Was mache ich, wenn sich meine beste Freundin mit mir treffen will, ich aber weiß, dass sie oft auf verschiedenen Partys ist und mir deswegen ein Treffen zu riskant ist?

Es ist wichtig, dass sich die Freundin nicht verurteilt fühlt.

Man könnte hier Sätze wie diesen in eigenen Worten benutzen: "Ich finde dich ganz schön mutig, dass du im Augenblick so oft ausgehst und auf so vielen Partys bist. Ich vermisse diese Dinge sehr in meinem Leben – aber ich bin hier einfach vorsichtiger und meide das. So schwer mir das fällt, das jetzt auszusprechen – könntest du bitte Verständnis dafür aufbringen, dass ich dich im Augenblick nicht so treffen kann wie sonst?"

Auch hier könnte man Alternativen vorschlagen: Ein gemeinsamer Spaziergang mit etwas Abstand zueinander, ein Video-Gespräch, ein langes Telefonat…

In der Einladung: Auf Hygiene-Vorschriften hinweisen

Wie lade ich selbst ein, ohne gedankenlos zu wirken?

Wer sich im Augenblick traut, eine Einladung auszusprechen, der sollte auf der Einladungskarte deutlich machen, welche Situation derjenige zu erwarten hat, der kommen möchte.

Das könnte zum Beispiel sein, dass ich von vornherein um warme Kleidung bitte, da wir draußen im Garten am Feuer ein Glas auf meinen Geburtstag trinken wollen. Es kann auch sein, dass ich beschreibe, wie viele Personen maximal kommen werden oder wie ich sonst darauf achten werde, dass das Ansteckungsrisiko minimiert wird.

Zum Beispiel so: "Der Tisch ist so gedeckt, dass wir alle mit Abstand sitzen können, zudem werde ich alle 20 Minuten stoßlüften und wenn ihr kommt, dann begrüße ich euch an der Tür – statt mit einer Umarmung mit einem Sprühstoß Desinfektionsspray auf die Hände."

Verständnis für eine mögliche Absage hervorheben

Ist es für den Eingeladenen vielleicht sogar hilfreich, wenn ich mit der Einladung erwähne, dass eine Absage aus Corona-Gründen kein Problem für mich ist?

Auf jeden Fall. Es ist wichtig, die kostbaren Freunde und Freundinnen in der Pandemie-Zeit nicht zu verlieren, sondern so viel wie möglich Verständnis und Akzeptanz für eine andere Sicht der Dinge zu zeigen.

Etwa so: "Wer sich von euch dennoch unwohl fühlen würde – ich freue mich zwar, wenn ihr alle kommt, ihr sollt euch ja aber wohl und sicher fühlen. Wer sich damit im Augenblick einfach nicht so gut fühlt – ich bedaure und akzeptiere eure Absage mit dem Versprechen: Wir holen das nach!"

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Dem Gastgeber offen sagen: Ich habe Angst vor einer Ansteckung

Wie sage ich zum Beispiel ab, wenn ich weiß, dass viele Menschen eingeladen sind und ich Angst vor einer Ansteckung habe?

"Ach, ich wäre so furchtbar gerne gekommen. Ich vermisse dich und euch alle so sehr. Ich vermisse auch die Fröhlichkeit und das Zusammensein, all den Spaß. Ich musste ganz schön mit mir ringen – dennoch, ich werde leider nicht kommen… Bitte hab‘ Verständnis dafür, denn ich fürchte einfach eine Ansteckung und ich vermeide im Augenblick alles an Kontakten, was nicht unbedingt nötig ist. Ich hoffe sehr, dass wir aber vielleicht im kleineren Kreis noch ein Glas auf deinen Geburtstag trinken können."

Auf einer Feier mit zu vielen Menschen: Lieber früher gehen

Wenn ich zugesagt habe und auf der Feier merke: Da sind viel zu viele Menschen, die Abstands- und Hygiene-Regeln werden nicht eingehalten – wie verhalte ich mich dann?

Wer sich auf einer Veranstaltung nicht wohl fühlt, der hat zunächst die Aufgabe, als erstes gut für sich selbst zu sorgen.

Nach allem, was wir bisher wissen, sind die meisten Ansteckungen auf privaten oder religiösen Feiern entstanden. Deshalb ist es richtig und wichtig, hier aufmerksam zu sein.

Ist ein Vortäuschen oder eine Lüge aus Höflichkeit erlaubt, zum Beispiel, dass ich Angehöriger eines Risikopatienten bin?

Wer mag, kann darauf hinweisen, aber eine Notlüge finde ich nicht nötig. Wer die Problematik aus welchen Gründen auch immer nicht ansprechen mag, der sollte einfach früher nach Hause gehen.

Spiele-Nachmittage drinnen oder draußen?

Wie erfrage ich als Eltern, ob sich ein Kind zum Spielen treffen darf? Sollte ich gleich ein Treffen an der frischen Luft vorschlagen, um Diskussionen über Corona zu vermeiden?

Offene Worte und eine klare Kommunikation helfen in kritischen Fällen am meisten. Ein Anruf bei den Eltern des Kindes, bei dem man beschreibt, dass sich das eigene Kind gern wieder mit dem Sprössling treffen würde, ein Satz "und ich finde es auch wichtig, dass Kinder die Kontakte halten können und sich auch mal austoben", um deutlich zu machen, was man selbst davon hält.

Eine Frage wie "Was meinen Sie, sollten wir unsere Kinder mal draußen zum Toben treffen lassen oder halten Sie das im Augenblick für zu kritisch?" oder auch "Ich weiß ja nicht, wie Sie das sehen, aber das Wetter ist so furchtbar schlecht. Hätten Sie eine Idee, wie wir das hinbekommen können, dass sich die Kinder mal zum Spielen, Malen und so weiter treffen können und wir als Eltern dafür sorgen, dass das Ansteckungsrisiko gering bleibt? Ich hätte ein paar Vorschläge, aber ich weiß ja noch gar nicht, wie Sie dazu stehen."

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Sich klar werden, dass es in der Pandemie immer neue Standpunkte gibt

Noch ganz generell: Welche Einstellung hilft uns allen, damit die unterschiedlichen Sichtweisen und Verhaltensweisen nicht für Konflikte sorgen?

Ich denke, es hilft das Eingeständnis, dass meine Ansicht eben nur eine Ansicht ist – ich bin kein Arzt und erst recht kein Virologe. Es ist eine sehr komplexe Wissenschaft und wir haben eine ganz neuartige Situation, in der die Wissenschaft auch immer wieder zu neuen Erkenntnissen kommt und somit Standpunkte revidieren muss.

Das muss ich mir immer wieder vor Augen halten. Keiner kann mit 150-prozentiger Sicherheit über alles urteilen. Das ist der erste und der wichtigste Schritt. Sich auch eingestehen: So wie ich die Dinge sehe, ist es meine Wahrnehmung, aber ich weiß eben nicht alles.

Dann fällt es mir auch leichter, so zu formulieren, dass es nicht als absolute Wahrheit im Raum steht – da würde sich sonst manch einer angegriffen fühlen, der eine andere Wahrnehmung hat.

Ich-Botschaften formulieren und das Nicht-Treffen-Können bedauern

Wenn ich hingegen Formulierungen wähle wie "meiner Ansicht nach…", "ich empfinde es gerade so...", "mir wäre lieber…", dann zeige ich damit schon ein Stück, dass ich auch andere Ansichten akzeptiere.

Wenn ich Absagen und ähnliches so formuliere, dass der andere immer versteht: Ich würde ihn so gerne sehen! Im Augenblick hat aber meine Gesundheit Priorität, dann ist die bittere Pille leichter zu schlucken und gute Freunde sollten diese Priorisierung auch akzeptieren.

Man erwartet ja auch nicht von einem frisch operierten Freund, dass er sich am Tag nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus zum Fußballspielen trifft, sondern dass er seiner Gesundheit die Priorität vor dem Spaß gibt und erst mal alles gut ausheilen lassen will.

Zur Person: Nandine Meyden arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Kommunikations-Trainerin und Coach. Sie ist außerdem Autorin zahlreicher Bücher zum Thema Umgangsformen und Etikette im Beruf, bei der Partnersuche und im Familienleben.
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