Die Zahl der Alleinerziehenden in Deutschland wächst. Gab es vor 20 Jahren noch 1,3 Millionen Ein-Eltern-Familien, waren es im vergangenen Jahr schon 1,5 Millionen. Mehr als andere Bevölkerungsgruppen sind sie von Armut bedroht, dennoch wird über ihre Probleme eher selten gesprochen. Wir haben drei Alleinerziehende gefragt, wie ihr Alltag aussieht.

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Die nachfolgenden Schilderungen stammen vollständig von den genannten Interviewpartnern:

Daniela H. (48 Jahre, Mutter von drei Kindern im Alter von 22 und 12 Jahren):

Ich bin seit etwa 20 Jahren alleinerziehend und komme auch mit drei Kindern gut zurecht. Leicht ist es allerdings nicht, manchmal verspüre ich einen unglaublichen Druck, funktionieren zu müssen. Auch wenn ich krank bin oder eines meiner Kinder.

Bei meiner Arbeitgeberin stoße ich auf Verständnis für meine Situation, kann mitunter von zu Hause arbeiten, kann auch mal früher gehen, wenn es sein muss. Ich weiß aber, dass das nicht der Regelfall ist. Trotzdem sind ja die Anforderungen und die Erwartungen an mich dieselben wie an nicht alleinerziehende Kollegen.

Worüber ich mich manchmal ärgere ist, wenn andere Mütter, die einen Partner an ihrer Seite haben, sagen: Der Partner hilft mir nicht viel, ich bin quasi auch alleinerziehend. Natürlich ist das auch eine schwierige Situation, aber es ist etwas völlig anderes, wenn man wirklich alles alleine machen muss, also gar keine Chance hat, auf jemand anderen zurückzugreifen, und sich dazu noch nicht einmal austauschen kann.

Manchmal fehlt mir auch der Kontakt zu anderen Eltern. Ich spüre da eine gewisse Distanz, auch Vorbehalte. Während alleinerziehende Väter oft bewundert werden, fragen sich bei einer alleinerziehenden Mutter die Leute eher, wie es wohl dazu kommen konnte, dass sie alleine ist. Außerdem habe ich das Gefühl, dass andere Mütter eine Single-Frau manchmal eher als Konkurrenz denn als potenzielle Freundin sehen.

Finanziell geht es uns einigermaßen gut, aber es ist spürbar, dass ein zweites Gehalt fehlt - und der Unterhalt, den die Kinder (hoffentlich) bekommen, ist nicht mit einem Gehalt gleichzusetzen. Da muss man unter Umständen schon mal über einen längeren Zeitraum sparen, um die Schulbücher, größere Anschaffungen, Reparaturen oder eventuell einen Urlaub bezahlen zu können. Nicht umsonst ist das Armutsrisiko bei Alleinerziehenden und ihren Kindern so groß.

Ich bin angestellt und als Freiberuflerin tätig und kann das so einigermaßen auffangen, indem ich zum Beispiel auch nachts noch am Laptop sitze. Andere können sich das vielleicht nicht so einteilen. So kommt es, dass es Kitas gibt, die bis 21:00 Uhr aufhaben. Das finde ich nicht kind- und familiengerecht. Vieles richtet sich nach der Arbeit aus, das sollte nicht so sein.

Man sollte als Alleinerziehender oder Alleinerziehende nicht zehn Stunden am Tag arbeiten müssen, um überhaupt über die Runden zu kommen. Da müsste es von staatlicher Seite mehr finanzielle Unterstützung geben, wie beispielsweise Leistungen für Bildung und Teilhabe, wie es sie beim ALG II gibt.

Außerdem sollte eine automatische Beitragsbefreiung im Kinder- und Jugendhilfegesetzt bei einem kleinen Familieneinkommen nicht ausschließlich an den Bezug von Sozialleistungen gekoppelt sein. Denn viele Leistungen kommen bei Alleinerziehenden nicht an, da sie mit dem Unterhaltsvorschuss verrechnet werden. Die Strukturen in der Arbeitswelt müssten insgesamt angepasster werden an alleinerziehende Mütter und Väter.

So muss es doch zum Beispiel möglich sein, dass man von bestimmten Arbeitsschichten befreit ist, wenn das Kind noch unter drei Jahren alt ist. Insgesamt finde ich, dass unsere Gesellschaft in allen Bereichen kinderfreundlicher werden muss. Bis es soweit ist, kann ich allen Alleinerziehenden nur raten, Kontakt zu anderen Alleinerziehenden zu suchen und offen mit allen Nöten und Sorgen umzugehen. Mir hat das sehr geholfen.

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Zucker, Apfelsaft, Spucke: Diese Hausmittel helfen, nach einem Wespenstich den Schmerz zu lindern. © ProSiebenSat.1

Thomas von Thenen (40 Jahre, Vater einer 11-jährigen Tochter):

Wenn ich von anderen Müttern höre, dass alleinerziehende Väter (im Gegensatz zu alleinerziehenden Müttern) oft bewundert werden, kann ich das nur bedingt bestätigen. Ich stelle eher fest, dass die Akzeptanz geringer ist.

Ein Beispiel: Ich habe die alleinige Gesundheitsfürsorge für meine Tochter, dürfte also alleine entscheiden, welche Impfungen sie bekommt. Bei vielen alleinerziehenden Müttern - das weiß ich aus Erzählungen -, wird das von den Ärzten einfach so akzeptiert. Ich sollte aber noch eine schriftliche Bestätigung einreichen, dass die Mutter mit den Impfungen einverstanden ist. Da fühle ich mich schon ein bisschen diskriminiert.

Ähnlich ist es bei der Arbeitssuche. Meine Tochter braucht besondere Betreuung, deswegen möchte ich nicht Vollzeit arbeiten. Dazu kommt, dass es bei uns in der Kleinstadt nicht viele Betreuungsmöglichkeiten gibt. Als Mann eine Teilzeitstelle zu finden, ist aber gar nicht so einfach. Ich habe schon öfter die Frage gehört: "Warum bewerben Sie als Mann sich denn auf eine Teilzeitstelle?"

Dazu kommt, dass manche Leute einen auch heutzutage noch komisch ansehen, wenn man als Vater mit der Tochter beim Schwimmen oder auf dem Spielplatz ist. Einmal hat sogar eine Frau zu mir gesagt: 'Wie? Sie sind als Mann alleinerziehend? Und dann auch noch mit einer Tochter?' Es ist unfassbar, dass manche Leute tatsächlich so denken.

Geholfen hat mir die Mitgliedschaft in einer Facebook-Gruppe Alleinerziehender. Dort habe ich viele Kontakte geknüpft, man hilft sich auch gegenseitig. Natürlich fehlt auch mir der Austausch mit einer Partnerin, allerdings finde ich es auch gut, Sachen selbst entscheiden zu können und nicht alles ausdiskutieren zu müssen. Das kann ja auch ziemlich anstrengend sein.

Unsere finanzielle Situation ist sehr schwierig, wir kommen meistens gerade so über die Runden. Auf Extra-Ausgaben wie einen guten Schulranzen muss ich einige Monate sparen, Urlaub ist nicht drin. Was uns definitiv helfen würde, wäre die Einführung einer Kindergrundsicherung, wie sie ja schon länger diskutiert wird. Sie würde allein den Kindern zugute kommen, ich fände es sehr wichtig, dass sie kommt - und sie wäre ja nicht nur für Alleinerziehende.

Natürlich ist unsere Situation in mehrfacher Hinsicht besonders, aber letztlich sind es die Kinder, die zählen. Vor diesem Hintergrund muss ich auch sagen: Ja, unser Leben ist anstrengend, aber ich liebe meine Tochter über alles und würde beim nächsten Mal alles wieder genauso machen.

Mutter (37 Jahre) eines Zweijährigen, die anonym bleiben möchte:

Der Vater des Kindes und ich haben uns schon in meiner Schwangerschaft getrennt, so dass ich von Anfang an alleinerziehend war. Ich muss sagen: Das erste Jahr war wirklich hart. Ich habe meinen Kleinen lange Zeit viel getragen, weil er sich kaum ablegen ließ. Dazu der Schlafentzug und niemals eine Pause. Ohne die Unterstützung meiner Eltern hätte das sicher nicht so gut geschafft.

Ich finde es bedenklich, dass es von staatlicher Seite nicht mehr Hilfe gibt. Dass es keine niedrigschwelligen Hilfen wie zum Beispiel eine Haushaltshilfe gibt oder die Hebamme nicht noch länger nach der Geburt nachschauen kommen kann. Nachbarschaftshilfe und Leihomas finde ich eine gute Sache, allerdings ist die Nachfrage offenbar so hoch, dass man da kaum rankommt.

Auch finanziell könnte mehr getan werden. Zwar gibt es steuerliche Vergünstigungen für Alleinerziehende. Im Vergleich zu den Vorteilen des Ehegattensplittings sind sie aber sehr gering. Ein zweites Gehalt, das Alleinerziehenden fehlt, können sie nicht ersetzen.

Die Unterhaltszahlungen können das auch nicht - wenn überhaupt Unterhalt gezahlt wird. Oft muss man ihn vor Gericht durchboxen. Manchmal wird dann trotzdem nicht gezahlt, und ich habe schon oft mitbekommen, dass säumige Unterhaltsschuldner nicht verfolgt werden. Wahrscheinlich gilt so etwas als Kavaliersdelikt. Dafür spricht auch, dass man als alleinerziehende Mutter auch heutzutage noch Sätze zu hören bekommt wie "Hättest dich ja nicht trennen müssen".

Genauso erstaunlich finde ich, dass es offenbar ein bestimmtes Bild von Alleinerziehenden gibt: schlecht qualifiziert, ist mit den Kindern überfordert und arm. Dieses Bild stimmt nicht - bis auf die Armut vielleicht. Aber viele Alleinerziehende rutschen da unverschuldet hinein. Etwa weil sie aufgrund der miserablen Betreuungssituation nicht oder nur in einem schlecht bezahlten (Teilzeit-)Job arbeiten können und hohe Fixkosten haben.

In manchen Städten sind die Mieten für Alleinerziehende gar nicht mehr zu bezahlen. Oft haben sie Schwierigkeiten, überhaupt eine Wohnung zu bekommen. Denn da sie als armutsgefährdet gelten, lehnen manche Vermieter sie von vornherein ab. Mich ärgert, dass man als Alleinerziehende mit Kind in vielerlei Hinsicht schlechter gestellt ist als ein Ehepaar ohne Kinder. Da sollte meiner Meinung nach schon etwas geändert werden.

Es könnte aber auch jeder für sich ein bisschen umdenken. Klar machen Mutter-Vater-Kind-Familien gerne etwas mit anderen Mutter-Vater-Kind-Familien. Aber eine Mutter-Kind- oder eine Vater-Kind-Familie ist auch eine Familie. Es wäre schön, wenn wir auch als solche wahrgenommen würden.

Jeder Alleinerziehende freut sich außerdem, wenn ihm konkret Hilfe angeboten wird. Wer einmal fragt: 'Würde es dir helfen, wenn ich mal dein Kind mit abhole?' wird ziemlich sicher Tränen der Rührung in den Augen des anderen sehen.

Verwendete Quellen:

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