Gelber Rasen, ausgedörrte Beete, morsche Bäume: Die teils extreme Hitze in den vergangenen Jahren macht Gärten und ihren Besitzern zu schaffen. Einige Pflanzen leiden besonders unter dem Klimawandel. Welche sind das und was für Alternativen gibt es? Wie sieht ein klimaresilienter Garten aus? Ein Experte klärt auf.

Ein Interview

Von Jahr zu Jahr häufen sich die Berichte von Extremhitze in Europa. Auch in Deutschland ist ein stetiger Temperaturanstieg zu beobachten. Bedeutet das für deutsche Gärten: Künftig Palmen statt Apfelbäume?

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Norbert Kühn: Das würde ich nicht ganz so extrem sehen. Apfelbäume und andere Obstbäume im Allgemeinen sind interessanterweise relativ gut an den Klimawandel adaptiert, weil sie ursprünglich aus Zentralasien stammen, aus einem Gebiet, das durchaus heißer und trockener ist als hier. Trotzdem gibt es bereits Versuche mit Palmen. In Hamburg gibt es zum Beispiel eine Verkehrsinsel, die mit Palmen bewachsen ist. Ganz abwegig ist es also nicht, dass wir in Zukunft auch einige Palmen kultivieren können - aber nicht die Kokospalmen, die wir kennen, sondern Palmen, die relativ kälteresistent sind.

Gibt es denn Pflanzen, die Sie mittlerweile nicht mehr pflanzen würden, weil sie kaum eine Chance hätten durch den Klimawandel?

Es kommt immer darauf an, wo wir sind. Es gibt Gegenden in Deutschland oder auch Städte, die ein zusätzliches Hitzeproblem haben durch den urbanen Hitzeinsel-Effekt. Auch in Gegenden in Südwestdeutschland etwa im Oberrheingraben ist es extremer. Da kann man sicher davon ausgehen, dass Pflanzen, die sehr austrocknungsgefährdet sind und sehr viel Wasser benötigen, nicht mehr funktionieren. Das sind viele unserer heimischen Waldpflanzen. Allerdings: An Orten, an denen sich Wasser sammelt, sind wir gerade auf Pflanzen angewiesen, die es relativ feucht brauchen.

"Was ich nicht mehr pflanzen würde, wäre in großen Teilen Deutschlands die Fichte oder die Lärche."

Norbert Kühn, Landschaftsarchitekt und Vegetationsökologe

Können Sie Beispiele von Pflanzen nennen, die Sie nicht mehr anpflanzen würden?

Was ich nicht mehr pflanzen würde, wäre in großen Teilen Deutschlands die Fichte oder die Lärche. Das sind Baumarten, die aus dem Nordischen stammen, aus dem Boreal oder aus größerer Höhestufen. Sie funktionieren in weiten Teilen Deutschlands nicht mehr. Baumarten, die eigentlich an feuchtere, kühlere Klimasituationen angepasst sind, würde ich nicht nehmen. Das trifft auch auf den Bergahorn zu. Dafür gibt es andere Pflanzen, die inzwischen wieder infrage kommen und die nicht gepflanzt wurden, weil sie aus dem Mittelmeergebiet stammen.

Welche sind das?

Neben manchen Palmenarten gibt es weitere mediterrane Pflanzenarten: Linden und Ahorne von dort zum Beispiel. Auch bestimmte Eichenarten funktionieren hier inzwischen besser, etwa die Immergrüne Eiche, die sogenannte Steineiche. In innerstädtischen Bereichen kommt sie mittlerweile auch gut durch den Winter. Dasselbe gilt für Feigenbäume.

Inwiefern können sich ältere Bäume auf die veränderten Klimabedingungen anpassen?

Man muss zurzeit davon ausgehen, dass es gerade die alten Bäume sehr schwer haben, weil sie unter anderen Bedingungen aufgewachsen sind. Sie hatten zum Beispiel immer genügend Feuchtigkeit im Wurzelraum, selbst wenn es mal sehr heiß war. Jetzt hatten wir diese drei, vier Hitzejahre. Dürre-Karten für Deutschland zeigen, dass die Dürre bis in tiefere Schichten des Bodens vorgedrungen ist. Das bedeutet, dass gerade für Altbäume nicht mehr genügend Wasser zur Verfügung steht. Bäume haben Blätter, sie müssen immer assimilieren. Sie können nicht irgendwann die Verdunstung einstellen, um den Baum zu schonen. Derzeit stimmen aber die Proportionen nicht mehr: Die Bäume haben sehr viel oberirdische Biomasse, aber unten kann nicht genug nachgeliefert werden. Somit verlieren sie an Vitalität, werden dürr und lassen Äste abfallen. Bei Stürmen krachen deshalb vor allem Altbäume zusammen. Das heißt aber nicht, dass diese Baumarten an sich nicht vielleicht weiter überleben würden. Es heißt aber, dass die großen Altbäume nicht mehr zeitgemäß sind und wahrscheinlich durch neue ersetzt werden müssen.

"Aprikose, Pfirsich, Apfel, Birnen, Zwetschgen und Pflaumen können relativ gut mit Hitze zurechtkommen."

Norbert Kühn

Es gibt Bäume, die sehr anpassungsfähig sind. Felsenbirne, Manna-Esche und Goldregen etwa. Was macht sie so besonders?

Das sind Baumarten, die entweder bei uns nicht vorkommen oder gerade noch vorkommen, die eigentlich zu einer anderen Klimazone gehören. Man spricht von sogenannten Nearly Natives. Das sind Bäume, die direkt an unsere heimische Klimazone grenzen. Sie sind viel stärker an Trockenheit und Hitze angepasst. Aus diesen Bereichen können wir viele Bäume mittlerweile in Deutschland verwenden. Diese Arten können immer noch den Frost, aber wesentlich besser Hitze und Trockenheit ertragen. Einige unserer heimischen Bäume können das auch, zum Beispiel der Feldahorn oder verschiedene Arten der Eberesche. Gute Beispiele sind auch die meisten Obstbäume: Aprikose, Pfirsich, Apfel, Birnen, Zwetschgen und Pflaumen können relativ gut mit Hitze zurechtkommen. Wichtig ist aber immer ausreichend Feuchtigkeit während der Etablierungsphase.

Welche unserer heimischen Bäume können das nicht?

Zu nennen sind hier die Buche, der Bergahorn und der Spitzahorn. Das heißt nicht, dass wir auf die Bäume verzichten müssen. Aber das sind Bäume, die nicht mehr überall in Deutschland funktionieren werden.

Wie sieht ein klimaresilienter Garten aus?

Ich würde versuchen, möglichst viel Wasser im Garten zu halten. Das heißt wenig versiegeln und wenn ich irgendwo Dachflächen habe oder doch versiegelte Flächen, das Wasser sammeln oder in den Garten leiten. Außerdem ist ein Gleichgewicht zwischen verschatteten Flächen und offenen Flächen gut. Offene Flächen sind wichtig, weil es im Frühjahr auch kühl ist. Beschattete Flächen sind wichtig, wenn es im Sommer heiß ist. So kann man verschiedene Aufenthaltsqualitäten schaffen. Dann geht es darum, die richtigen Pflanzen auszusuchen. Da sollte man sich erst einmal über den Standort informieren. Wer konkret wissen möchte, wie sich das Klima lokal zukünftig verändert, kann sich inzwischen sogar Daten auf Landkreisebene ansehen.

Zu welchen Pflanzen raten Sie?

Rosmarin
Auch ideal für den Balkon geeignet: Rosmarin. © Getty/iStock

In der Regel greift man mittlerweile zu Pflanzen, die Hitze und Trockenheit vertragen. Obstbäume oder vielleicht entsprechende Blütensträucher. Bei den Gewürzpflanzen hat man eine reiche Auswahl, viele kommen aus dem Mittelmeergebiet. Salbei, Lavendel, Rosmarin und Thymian sind Pflanzen, die bei Hitze und Trockenheit sogar noch intensiver duften. Gemüse benötigt viel Wasser. Auch wenn es etwa Tomaten bei der Hitze in der Regel besser geht, brauchen sie Wasser, um Früchte auszubilden. Und deshalb ist es wichtig, dass man im Garten Wasserreserven anlegt, also zum Beispiel Regenwassertonnen.

"Lavendel ist eine Pflanze, die extreme Trockenheit aushält."

Norbert Kühn

Der Lavendel auf meinem Balkon hat gerade einmal zwei Wochen lang geblüht, jetzt ist er grau und wirkt ausgetrocknet. Haben Sie Tipps, wie man Pflanzen retten kann, die in den letzten Hitzewellen gelitten haben und ausgedörrt sind?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Lavendel von der Hitze kaputt geht. Ich befürchte, Sie haben zu viel gegossen. Lavendel ist eine Pflanze, die extreme Trockenheit aushält. Lavendel wächst in Südfrankreich aus Steinen und Felsen heraus, wo er ganz braun wird und wenn es regnet wieder grün. Er blüht nicht länger als zwei bis drei Wochen, das muss man leider dazu sagen. Lavendel ist keine Pflanze, die den ganzen Sommer über Blüten bringt. Wenn er verblüht, sollten Sie ihn runterschneiden. Das heißt die Blüten abschneiden und weiter gießen, damit er sehr schön buschig bleibt, aber nicht zu viel. Sie müssen so viel gießen, dass er nicht im Wasser steht. Das ist manchmal schwierig am Balkon, weil die Pflanzen einen begrenzten Wurzelraum haben.

Haben Sie einen Tipp für Balkonpflanzen?

Größere Gefäße sind immer besser für die Pflanzen. Ich habe unter allen meinen Gefäßen auf dem Balkon einen Untersetzer stehen, sodass ich sehen kann, wann das Wasser unten angekommen ist. Die Pflanze hat dann noch ein bisschen ein Reservoir, aus dem sie schöpfen kann. Ich warte dann, bis dieser Untersetzer drei bis vier Tage lang trockensteht und gieße erst dann wieder. Es ist wichtig, dass der Boden immer wieder ein Stück weit austrocknet, denn er muss nicht nur Wasser transportieren, sondern auch Sauerstoff. Wenn der Boden ständig feucht ist, dann faulen die Wurzeln und ich habe ein Problem. An heißen Tagen bei über 30 Grad kann man allerdings auch alle zwei Tage oder täglich gießen.

Sind die Pflanzen ausgedörrt, hilft also ein Nachschnitt?

Klassische Balkonpflanzen wie die Petunie, die Zinnie oder Geranien können einen ganzen Sommer lang blühen. Dafür ist es wichtig, die Blüten zu entfernen. Schneiden ist immer besser als Zupfen. Beim Zupfen macht man schneller was bei den Pflanzen kaputt. Also ein Stück weit immer die Blüte abschneiden, bis zum nächsten Auge, das wieder austreibt.

Welche Pflanze ist Ihr Geheimtipp für den Balkon?

Ich finde Thai-Basilikum unglaublich toll, weil er eine schöne dunkle Farbe hat. Man kann den Basilikum verwenden und die Blüten sind auch sehr schön. Außerdem freuen sich Bienen und andere Insekten. Überhaupt bin ich ein Fan von Kräutern, Majoran, Salbei oder Thymian zum Beispiel. Das sind alles Pflanzen, die hübsch aussehen, sehr stark duften und was für die Tiere tun.

Thujen leiden derzeit. Woran liegt das?

Norbert Kühn
© Norbert Kühn

Von einem Thujen-Sterben weiß ich aktuell nichts. Aber wir haben eine Thuja in unserem Lehrgarten und sie hat viel an Nadeln verloren in den letzten Jahren. Thujen kommen aus dem westlichen Nordamerika, aus einem Klimagebiet, in dem es sehr viel regnet. Sie sind also nicht an Hitze und Trockenheit adaptiert und deshalb kann ich mir vorstellen, dass es auch Heckenthujen unglaublich schwer haben in den letzten Jahren. Natürlich kann man durch Wässern Abhilfe schaffen, aber man muss da viel wässern und dann stellt sich immer die Frage, ob das viele Wässern noch im Verhältnis steht. Vielleicht ist es dann doch besser, sich für eine Laubbaumhecke zu entscheiden. Eine Alternative wären Kornelkirschen, Liguster, Hainbuche oder der Feldahorn. Ganz schlimm sind Fichtenhecken. Davon würde ich vollständig abraten.

Zur Person: Prof. Dr. Norbert Kühn ist Landschaftsarchitekt und Vegetationsökologe. Seit 2003 ist er Leiter des Fachgebiets Vegetationstechnik und Pflanzgestaltung an der Technischen Universität Berlin. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen die Theorie in der Pflanzenverwendung, Staudenverwendung, Gestaltung Urbaner Natur, Grünflächenmanagement, Grüne Infrastruktur, Pflanzen in historischen Parks und Gärten sowie Pflanzen und Klimawandel.
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