- Nach kalorienhaltigen Feiertagen wird Fasten oft zur Gewichtsabnahme empfohlen.
- Aber das zeitlich begrenzte Hungern hat wohl noch einen wichtigeren Effekt.
- Es kann die Zellen reinigen und damit womöglich unser biologisches Alter senken.
TV-Journalist
Ein Randaspekt des TV-Experiments: Jenke von Wilmsdorff wollte sich gleichzeitig von Innen verjüngen und kontaktierte dafür Wissenschaftler von der Universität Wien, die ihm ein spezielles Ernährungsprogramm verpassten - gesunde Pflanzenkost in einem Zeitfenster von täglich 12:00 Uhr mittags bis 20:00 Uhr am Abend, also Nahrungsverzicht mindestens 16 Stunden pro Tag. Dazu noch viel Flüssigkeit in Form von grünem Tee.
Das Ergebnis nach vier Wochen klingt zunächst ernüchternd. Die Wiener Ernährungsberaterin Dr. Berit Hippe erklärte von Wilmsdorff, dass aufgrund seines Blutbildes zwar noch keine Verjüngung des biologischen Alters zu erkennen gewesen sei, aber sich zumindest die Entzündungswerte verbessert hätten. Er solle nur dranbleiben.
Dr. Hippe empfiehlt, die Ernährungsumstellung mindestens drei Monate durchzuhalten, bis größere Effekte festzustellen sind. Der extremste Erfolg, den sie bei einer langfristigen Lebensstil-Veränderung gesehen habe, waren 30 Jahre. "Ein 70-Jähriger, der ein biologisches Alter von 40 hat."
Welche Formen des Intervall-Fastens es gibt
Warum das mit der biologischen Verjüngung durch Fasten funktionieren könnte - wenn auch nicht gleich 30 Jahre - dazu später mehr. Zunächst ein Blick zurück zu unseren Vorfahren. Früher haben die Menschen unfreiwillig Intervall-gefastet: Ganz früher, weil sie auch mal kein Jagdglück hatten. Und nicht ganz so früher, weil nicht so spät zu Abend gegessen wurde, da es zu später Stunde einfach kein Licht mehr gab.
Somit war die Zeitspanne ohne Nahrungszufuhr länger, und das war gut so, sagt der Berliner Ernährungsexperte Professor Andreas Michalsen. Späte Kalorienzufuhr oder Snacks zwischendurch nennt der Wissenschaftler eine "unglückliche Neuerung, die für unseren Stoffwechsel nicht gut ist."
Michalsen erklärt in seinem YouTube-Video zwei Möglichkeiten des Intervall-Fastens: Einerseits die wöchentliche 5-zu-2-Methode. Das bedeutet, dass an fünf Tagen unter der Woche normal gegessen und an zwei Tagen gefastet oder weitgehend gefastet wird. Nur 500 Kalorien sollten jeweils an den beiden Fasten-Tagen zu sich genommen werden.
Andreas Michalsen : "Intervallfasten ist in Mode gekommen"
Diese Methode hält Michalsen vor allem aufgrund sozialer Verpflichtungen auf Dauer für schwierig durchzuhalten. Außerdem seien Langzeitergebnisse bislang weniger überzeugend, so der Wissenschaftler.
Eine bessere Variante sei hingegen die 16-zu-8-Methode. Hierbei wird der Ablauf eines Tages betrachtet: In diesem wird 16 Stunden gefastet, gegessen wird in einem Zeitfenster von nur 8 Stunden. In welche Tageszeiten man die 8 Stunden legt, das hängt davon ab, ob einem das Abendessen wichtig oder ob Frühstück die wichtigste Mahlzeit ist. Diese Methode habe gute gesundheitliche Effekte gezeigt, sagt Michalsen.
Forschung zeigt: Zwischenmahlzeiten sind umstritten
Einen wichtigen Nachweis für die Wirksamkeit von Intervall-Fasten brachte eine Studie der tschechischen Forscherin Hana Kahleova mit Diabetes-Typ-2-Patienten. Sie teilte die Teilnehmer in zwei Gruppen, die beide gleich viele Kalorien am Tag essen mussten.
Der Unterschied: Die Teilnehmer der einen Gruppe nahmen die Kalorienmenge in sechs Mahlzeiten zu sich, die anderen in zwei Hauptmahlzeiten innerhalb von 8 Stunden. Die zweite Gruppe hatte also 16 Stunden Pause zwischen der Nahrungsaufnahme.
Die Ergebnisse waren eindeutig: Bei der Gruppe, die nur zweimal täglich gegessen und 16 Stunden gefastet hatte, verbesserte sich die Gesundheit: Die Werte für Blutzucker, Cholesterin und Insulin erholten sich, das Gewicht ging zurück und Probleme mit der Fettleber verbesserten sich ebenfalls. Damit räumte die Studie mit der Vorstellung auf, dass Zwischenmahlzeiten gesund sind und Essen nach der Uhr für den Körper sinnvoll ist.
Laut Andreas Michalsen zeigen auch Tierversuche, dass Lebewesen weniger chronische Erkrankungen haben, wenn sie nicht fortlaufend Nahrung bekommen. Eine Kalorienzufuhr mit längeren Pausen führte demnach zu einem 20 bis 30 Prozent längeren Leben, weil die Zellen die Möglichkeit zur Autophagie haben, also zur Selbstreinigung.
Ob diese lebensverlängernde Wirkung auch beim Menschen auftritt oder ob Autophagie auch schon durch einfaches Intervall-Fasten aktiviert werden könne, das müsse die Forschung der nächsten Jahre zeigen, sagt Michalsen.
Molekularbiologe erklärt Theorie des Intervall-Fastens
Der Molekularbiologie Slaven Stekovic aus Graz forscht zu ebenjener Autophagie und ist davon überzeugt, dass Intervall-Fasten der Schlüssel dazu ist. Er beschreibt den Effekt auf zellulärer Ebene: Die Zelle funktioniere wie eine Fabrik.
"Rohstoffe werden geliefert, die in Energie umgewandelt werden. Dabei entstehen Nebenprodukte, die in der Zelle entsorgt werden, beziehungsweise irgendwo verstaut werden müssen, bis die Zelle die Zeit hat, diese Nebenprodukte abzubauen", erklärt Stekovic.
Das Problem: Wenn wie bei der heutigen Ernährung ständig Rohstoffe nachkommen, läuft die Produktion immer weiter. "Wenn man der Zelle keine Chance gibt, den Müll zu entsorgen, dann ist irgendwann die Zelle voll mit nicht mehr funktionierenden Eiweißen bzw. Zellteilen.
Diese Zelle muss aufgeben, sie kann nicht mehr gesund bleiben und stirbt", erklärt er. Sie stirbt, weil die Autophagie, nämlich das Recycling der Zelle, nicht mehr stattfindet. Das sei einer der Gründe für Alzheimer und verschiedene Herzerkrankungen, sagt Stekovic. Durch die Autophagie werde nicht nur die Zelle, sondern auch der Körper vital gehalten.
Wie Fasten mit Altern zusammenhängt
Aber was ist eigentlich Altern? Forscher aus verschiedenen Ländern haben den Alterungsprozess als systematischen Abbau körperlicher Funktionen definiert und mehrere Prozesse gefunden, an denen das Altern sichtbar ist.
Insbesondere die Verkürzung der Telomere und der gegenläufige Prozess der Telomerase spielt bei der Anti-Aging-Bewegung eine wichtige Rolle. Zum Verständnis müssen wir noch tiefer in das Leben der Zelle eintauchen.
Telomere sind wichtige Regulatoren der zellulären Gesundheit und des Alterns, genau genommen handelt es sich um die schützenden Enden unserer Chromosomen innerhalb der Zellen. Wissenschaftler um Berit Hippe erklären den Alterungsprozess so: Die Telomere werden mit jeder Zellteilung verkürzt, bieten den genetischen Informationen in den Zellen nicht mehr ausreichend Schutz vor Angriffen, was zu Krankheiten führen kann. Die ungeschützten Chromosomen-Enden senden außerdem Signale aus, dass sich die Zelle nicht mehr teilt.
Und was hilft dagegen? Die sogenannte Telomerase kann diese Endstücke der Chromosomen wieder aufbauen, dadurch kann die Zelle länger leben. Neben internen Mechanismen, die die Telomerlänge regulieren, sind auch Ernährung und Lebensstil dafür bekannt, wichtige Einflussfaktoren für die Telomerase zu sein.
Pflanzeninhaltsstoffe, speziell Polyphenole von grünem Tee und eine kalorienarme Ernährung sollen neben körperlicher Bewegung einen positiven Effekt auf die Telomerlänge haben - und eben auch die Zellreinigung durch Pausen bei der Nahrungszufuhr, also Fasten.
Beschleunigende Wirkung auf den Alterungsprozess haben hingegen Rauchen und der starke Konsum von Alkohol sowie oxidativer Stress, der unter anderem durch UV-Strahlung und verkohltes Fleisch hervorgerufen wird. Wer es genau wissen will: Oxidativer Stress bedeutet wiederum, dass reaktionsfreudige Sauerstoffteile, auch als freie Radikale bezeichnet, die Moleküle in der Zelle beschädigen.
Gegen diese freien Radikale hilft eine ausgewogene Ernährung, die ein hohes Maß an Antioxidantien beinhaltet, wichtige Träger sind vitaminhaltige Lebensmittel, Knoblauch, Omega-3-Fettsäuren und auch hier grüner Tee.
Pflanzliche Wirkstoffe können Autophagie aktivieren
Vereinfacht gesagt: Wer länger und gesund leben will, sollte weniger Kalorien zu sich nehmen, gesund essen und regelmäßig fasten. Gerade das Fasten ist aber nicht für jeden möglich. Forscher aus fünf Nationen unter Federführung der Uni Graz haben deshalb nach pflanzlichen Wirkstoffen gesucht, die ebenfalls die Autophagie und damit den gesundheitsfördernden Zellreinigungseffekt in Gang setzen können.
Sie stießen auf die Substanz 4,4'-Dimethoxychalcone, kurz DMC. Sie konnten nachweisen, dass der Stoff beispielsweise in der chinesischen Heilpflanze Ashitaba vorkommt.
Von derselben Forschungsgruppe wurde zehn Jahre zuvor eine weitere lebensverlängernde Substanz entdeckt: Spermidin. Die Substanz kommt zwar auch in menschlichen Zellen vor, ihr Gehalt nimmt aber mit höherem Alter ab. Außerdem ist Spermidin in Weizenkeimen, Pilzen oder gereiftem Käse enthalten.
Der Stoff soll im Körper auch den Effekt des Fastens nachahmen können, erklärt Molekularbiologie Slaven Stekovic. "Man kann mit einer Spermidin-reichen Ernährung ein wenig schummeln und dem Körper den Fasteneffekt vortäuschen", so Stekovic. Das Fasten richtig ersetzen könne es aber nicht.
Was ebenfalls oft genannt wird, ist die Astragalus-Wurzel mit unterschiedlichen Wirkstoffen. Besonders der Wirkstoff Cycloastastrogenol interessiert in der Anti-Aging-Medizin. Dieser könne die Telomerase aktivieren und damit die biologische Uhr in einer Körperzelle langsamer laufen lassen, erklärt Professor Bernd Kleine-Gunk, einer der führenden Anti-Aging-Mediziner in Deutschland.
Auch dem in Rotwein enthaltene Stoff Resveratrol wird eine Anti-Aging-Wirkung nachgesagt. Die Substanz soll im Körper dieselben Prozesse anregen, wie sie von einer kalorienarmen und gesunden Ernährung aktiviert werden. In Tierversuchen wurde eine lebensverlängernde Wirkung des Pflanzenstoffes nachgewiesen und beim Menschen positive Effekte gegen altersbedingte Leiden wie Krebs, Diabetes und Herzkrankheiten. Besonders Rotweine von Trauben, die einem starken Temperaturwechsel ausgesetzt sind, haben einen hohen Resveratrol-Anteil.
Viele Möglichkeiten besser zu altern
Natürlich ist Ernährung nur ein Aspekt, um gesund zu altern. Diverse Wissenschaftler haben nach möglichst vielen Faktoren gesucht, die den Alterungsprozess verlangsamen. Professor Sven Voelpel von der Jacobs University in Bremen hat aus seinen Analysen eine Jungbrunnen-Formel entwickelt.
Die sieben Faktoren: Positive Lebenseinstellung, Bewegung, Atmung, Entspannung, Schlaf und möglichst gute soziale Kontakte bis ins hohe Alter. Ein wichtiger Faktor hier ebenfalls: die Ernährung. Auch Voelpel empfiehlt eine kalorienreduzierte Ernährung in festen Zeitfenstern mit Nahrungsmitteln, die über möglichst viele Antioxidantien bestehen.
Professor Bernd Kleine-Gunk hat ein Buch geschrieben mit dem Titel "15 Jahre länger leben" und rät, zunächst einmal alles wegzulassen, was das Leben verkürzt, wie beispielsweise Rauchen, viel Stress und schlechte Ernährung.
Auf der anderen Seite empfiehlt er: viel Obst essen, Fleisch lieber durch Fisch ersetzen, mehr Bewegung. Denn auch Sport könne die Telomere wieder verlängern und damit den Alterungsprozess verlangsamen, so Kleine-Gunk in seinem YouTube-Video.
Telomere: Können wir die biologische Uhr zurückdrehen?
Und Jenke von Wilmsdorff hat sich in seinem TV-Experiment auch nicht nur mit sich selbst beschäftigt. Er reiste auf die italienische Insel Sardinien, eine der sogenannten Blauen Zonen. Damit sind Regionen auf der Welt gemeint, wo die Menschen länger leben als der Durchschnitt.
Zwar sahen die betagten Herren im ProSieben-Beitrag nicht gerade jugendlich aus, aber eins waren sie: alt, gesund und glücklich. Der Grund: gesunde Ernährung, viel Gemeinschaft, ein glückliches Eheleben, wenig Stress und eine positive Lebenseinstellung.
Verwendete Quellen:
- ProSieben: Jenke "Das Schönheits-Experiment”
- YouTube-Video: Professor Andreas Michalsen erklärt die Fastenvarianten und den Stand der Forschung
- Studie von Hana Kahlova über die gesundheitlichen Effekte von Intervallfasten bei Diabetes-Patienten
- healthbiocare.com: Forschungsgruppe um Ernährungswissenschaftlerin Dr. Berit Hippe aus Wien über den Ablauf des Alterns
- Studie über lebensverlängernde Substanzen der Uni Graz
- YouTube-Video: Interview mit Sven Voelpel über die Jungbrunnenformel
- YouTube-Video: Professor Bernd Kleine-Gunk über Telomerase als Chance für Anti-Aging
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