Bitteres Essen hat noch immer einen schlechten Ruf. Dabei ist es sehr gesund. So gelingt es mit einfachen Mitteln, bittere Lebensmittel in den Alltag zu integrieren.

Diese Kolumne stellt die Sicht von Marianne Falck (RiffReporter) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Noch heute erinnere mich daran, wie meine Oma ihre tägliche Portion Bitterstoffe zu sich nahm: Sie überhäufte ihre aufgeschnittene Grapefruit einfach mit ordentlich Zucker. Als ich die Frucht als kleines Kind einmal bei ihr probierte, schmeckte es mir dennoch nicht.

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Kein Wunder. Einen bitteren Geschmack empfinden wir zumeist als unangenehm. Zum einen ist dies evolutionär bedingt. Denn "bitter" ist für uns Menschen seit Urzeiten mit Giftigem verknüpft, gleichsam einem Stopp-Schild im Gehirn. Unser ablehnendes Verhalten hat aber außerdem damit zu tun, dass wir geschmacklich von klein auf zuerst eher mit Süßem in Kontakt kommen. Bitter steht gerade in den ersten Lebensjahren eher selten auf dem westlichen Speiseplan.

Das war auch bei mir eine Zeitlang so – und natürlich verschwendete ich als Kind bei meiner Oma keinen Gedanken daran, wie ich meine Ration Bitterstoffe bekommen sollte, wenn es doch einfach nicht schmeckte. Inzwischen habe ich meine Bitter-"Liebe" längst entdeckt.

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Bitterstoffe zu erkennen, ist ganz einfach: Es sind die Pflanzenstoffe, die bitter schmecken. Ihre einzige Gemeinsamkeit ist ihr bitterer Geschmack. Das bedeutet zugleich, dass Bitterstoffe aus völlig unterschiedlichen Stoffgruppen stammen können. Sie gibt es beispielsweise unter Flavonoiden, Polyphenolen, Terpenen, Peptiden, Aminosäuren und Alkaloiden.

Leicht macht es einem die Lebensmittelindustrie aber nicht, sich mit diesen tollen Pflanzenstoffen zu versorgen. Während wir mit zucker- und fettreichen Produkten in allen Farben, Formen und Verpackungen auf süß und fettig trainiert werden, versuchen die Hersteller Bitterstoffe aus unseren Lebensmitteln wegzuzüchten.

Die Folge: Bitterstoffreiche Gemüsesorten im Handel wie Chicorée, Endivie und Radicchio werden immer milder. Genau das gleiche Trauerspiel beim Obst im Supermarktregal, etwa bei Äpfeln.

Was bitter im Mund, ist dem Magen gesund

Aus gesundheitlichen Gründen lohnt es, sich auf ein bitteres Geschmackserlebnis einzulassen. Bitterstoffe beeinflussen die Verdauung, indem sie etwa den Appetit anregen, die Produktion des Magensaftes verbessern und die Produktion der Gallenflüssigkeit erhöhen, was die Fettverdauung erleichtert. Außerdem regen sie die Darmtätigkeit an.

Auch bei bestimmten Krankheiten können Bitterstoffe helfen. Indem sie unter anderem den Blutzuckerspiegel günstig beeinflussen, bringen verschiedene Zitrus-Pflanzenstoffe gesundheitliche Vorteile für Diabetiker. Das beschreibt ein Forscherteam in einer systematischen Übersichtsarbeit, die es 2023 in der Fachzeitschrift "Diabetes & Metabolic Syndrome: Clinical Research & Reviews" veröffentlichte.

Und bei Patienten und Patientinnen mit Morbus Crohn zeigte Wermut in einer Doppelblind-Studie von 2007 eine antientzündliche, steroidmindernde und symptomlindernde Wirksamkeit.

Für Allergikerinnen und Allergiker habe ich ebenfalls einen Tipp: Weil neuere Apfelsorten weniger Polyphenole aufweisen, sind sie häufig schlechter verträglich. Wer auf dieses Problem stößt, sollte zu alten Apfelsorten wie zum Beispiel Gravensteiner, Roter Boskoop oder Rubinette greifen! In der Apfelsortenliste der Umweltschutzorganisation BUND finden Betroffene weitere Infos.

Geschmack ist Übungssache

Wir empfinden Bitteres schnell als widerlich. Deshalb lassen wir es oft weg – oder kaschieren es mit viel Süßem. Dabei können wir alle unser Geschmacksempfinden trainieren. Setzen wir häufiger bittere Lebensmittel auf den Speiseplan, verlieren wir nach und nach den Jieper auf Süßes. Wir empfinden den bitteren Geschmack dann als angenehmer, der Umstieg auf eine gesündere Ernährung gelingt leichter.

Damit besonders viele Bitterstoffe im Magen landen, sollten Sie auf Bauernmärkten oder bei Bio-Höfen einkaufen. Einfach vor Ort nachfragen, um welche Sorte es sich handelt – meistens erhalten Sie gleich noch Tipps für Rezepte.

Wenn Sie auf Bitteres so reagieren wie ich auf Omas Grapefruit: Tasten Sie sich langsam heran! Streuen Sie zum Beispiel etwas (frischen, in Butter kurz angerösteten) Salbei über die Pasta. Geben Sie einige Löwenzahnblätter oder Fenchel kleingeschnitten in den Salat oder reichen Sie Oliven zur Brotzeit.

Für bittere Salate machen Marinaden und die Kombinationen oft den Unterschied: gepaart mit ein paar kleingeschnittenen Obststücken und etwas Salz ist auch der Löwenzahn gefälliger für den Gaumen. Auch weiter gereiste Produkte wie grüner und schwarzer Tee sowie Kaffee und dunkle Schokolade liefern uns übrigens reichlich Bitterstoffe.

Und was ist mit den Kindern? Bei uns zu Hause kommen bittere Gewürze und Oliven bereits seit Kleinkindalter auf den Familientisch. Feldsalat ist relativ beliebt. Radicchio gilt aber auch bei uns als "next level". Daher probiere ich es demnächst mit Pizza – und zwar mit einem Belag aus Mozzarella, Radicchio und Birne.

Nicht nur süße, sondern auch salzige Noten helfen dabei, den bitteren Geschmack zu neutralisieren. Das sorgte schon für Trends in den sozialen Medien – Salz in den Kaffee geben. Dass das funktioniert, hat mit einfacher Chemie zu tun: Die Zugabe von Salz in Kaffee hilft tatsächlich, eine als bitter empfundene Note des Kaffees zu "maskieren". Das liegt am Aufbau unserer Geschmacksrezeptoren auf der Zunge. Werden die "Typ-2-Bitterrezeptoren" ausgeschaltet – und zwar durch die sogenannten "Typ-1-Rezeptoren", also diejenigen, die durch Salz aktiviert werden – schmeckt der Kaffee weniger bitter.

Ob meine Oma ihre Grapefruit schon einmal mit Salz probiert hat, kann ich sie leider nicht mehr fragen. Ich vermute allerdings, sie hätte mich als Kind auch damit nicht für Bitterstoffe begeistern können. Aber ich verspreche: Heute würde ich es einmal probieren!

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