• Hyaluronsäure ist eine gelartige Substanz, die glatte Haut, volle Lippen und mehr verspricht.
  • Eingriffe mit Hyaluronunterspritzungen werden in den sozialen Medien gehypt und verharmlost.
  • Welchen Einfluss Influencer auf den Schritt zum Schönheitseingriff haben und welche unterschätzten Gefahren dieser mit sich bringt.

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Nicht nur die Kardashians machen es vor, ganz Social Media ist voll von Schönheitsidealen und Trends, denen junge Frauen versuchen nachzueifern. Dazu zählen volle Lippen, große Augen, eine Stupsnase, große Brüste, gebräunte Haut, ein großer Hintern, aber dazu bitte eine schmale Taille und dünne Oberschenkel.

Die "Anforderungen" sind immens und in der Realität nicht umsetzbar – zumindest nicht auf natürlichem Wege. Durch die Filterfunktionen in Instagram, Snapchat und Co. wird uns aufgezeigt, wie wir aussehen könnten, was zu Komplexen führt – insbesondere bei Teenagern. Doch Schönheitsideale gab es schließlich schon immer, wo liegt hier also die Neuerung?

Eingriffe mit Hyaluronsäure: Das sagen die Zahlen

Laut der International Society of Aesthetic Plastic Surgery (ISAPS) ist der nicht-chirurgische Eingriff durch Hyaluronsäure-Spritzen in Deutschland allein von 2018 auf 2019 um 15,7 Prozent gestiegen. Seit 2010 haben sich die Eingriffe mit Hyaluron sogar beinahe verfünffacht. Auch laut der deutschen Gesellschaft für ästhetisch-plastische Chirurgie (DGAEPC) sind Filler zur Faltenunterspritzung, wie Hyaluronsäure einer ist, "gefragter denn je" und machten 2020 über 30 Prozent aller minimalinvasiven Eingriffe aus.

Die DGAEPC zeigte sich außerdem überrascht, wie viele der Patienten und Patientinnen unter 30 Jahre alt waren, denn Falten sollten in diesem Alter ja eigentlich noch kein so großes Thema sein. Hierzu muss man wissen, dass Hyaluronsäure nicht nur zur Faltenunterspritzung verwendet wird. Ein unebener Nasenrücken, ungeliebte Augenringe oder "zu schmale" Lippen können durch Hyaluronsäure verschwinden. Doch liegt es tatsächlich an den sozialen Medien, dass immer mehr junge Menschen Probleme mit ihrem Äußeren zu haben scheinen?

Welchen Einfluss Influencer auf den Schritt zu Schönheits-OP haben

Im Durchschnitt verbringen Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren in Deutschland 72 Minuten täglich auf Instagram, wie eine Studie aufzeigte. Und das betrifft ausschließlich Instagram. Instagram wiederum ist voll von Werbung – alleine von 2016 auf 2017 hat sich die Anzahl der Unternehmen, die Werbung auf Instagram schalten, fast verdoppelt – und Influencern, die diese verkaufen und im besten Licht präsentieren. Hier gehört auch die Vermarktung von Schönheitseingriffen dazu. Teilweise begleiten sie sich mit der Kamera bei ihren Terminen zum Schönheitschirurgen, erklären ihren Followern, was sie an sich haben machen lassen oder vorhaben noch machen zu lassen und leben ihnen vor, wie viel besser es ihnen ohne diesen vermeintlichen Schönheitsmakel geht. Einige Influencer verteilen auch Rabattcodes für Hyaluronunterspritzungen oder verschenken Beauty-Eingriffe in Gewinnspielen.

Frauen, die mehrfach andere Frauen, die Schönheitseingriffe an sich vornehmen ließen, auf Fotos sehen, sind im Anschluss gewillter, auch an sich selbst Eingriffe machen zu lassen. Der Einfluss der sozialen Medien ist hier also enorm und unumstritten, wie unter anderem diese Studie zeigte.

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Instagram, Snapchat und Co.: Darum verleiten Selfies zu Beauty-Eingriffen

Ein weiteres großes Problem sind bei dieser Thematik nicht nur die Influencer, die uns nachweislich "influencen" mit dem, was sie tun, sondern auch die Selfie-Funktion. Das Ganze nennt sich Selfie-Dysmorphia. Selfie- oder auch Snapchat-Dysmorphia beschreibt einen Umstand, den Schönheitschirurgen derzeit immer häufiger erfahren: Personen kommen mit einem Selfie zu ihnen, das mit einem Filter aufgenommen wurde und haben den Wunsch so auszusehen. Der jeweilige Filter verschafft uns ein unechtes Spiegelbild mit einem schmalen Kinn, tollen Wangenknochen, vollen Lippen, großen Augen, gelifteten Augenbrauen und einer glatten und reinen Haut. Unecht, aber dem aktuellen Trend von Schönheitsidealen entsprechend.

Nicht vergessen werden darf beim Thema Selfies die Brennweite der Kamera. Fakt ist, dass unsere Nasen in einer Selfiekamera um 30 Prozent größer aussehen als sie es in Wirklichkeit sind. Das Selbstbild im Selfie ist also grundsätzlich falsch und entspricht nie unserem tatsächlichen Aussehen. Eine Studie der American Academy Of Facial Plastic And Reconstructive Surgery zeigte 2019 auf, dass 72 Prozent ihrer Mitglieder angaben, ihre Patienten wollen den Beauty-Eingriff, um besser in ihren Selfies auszusehen.

Warum Hyaluron so beliebt bei jungen Leuten ist

Ein entscheidender Faktor, warum Hyaluronsäure gerade bei jungen Leuten so beliebt ist, ist vermutlich der Preis. Für einen Schönheitseingriff ist der Filler nämlich geradezu ein Schnapper. Bereits ab 200 Euro können kleinere Eingriffe vorgenommen werden. Zudem ist die Genesungszeit quasi nicht vorhanden, Nachsorgetermine sind in der Regel nicht nötig und zu einem richtigen Schönheitschirurgen muss man auch nicht zwingend gehen. Auch Heilpraktiker haben zum Teil die Lizenz, Hyaluronsäure zu spritzen, wovon Fachärzte jedoch dringend abraten, da diese im Fall der Fälle das Gegenmittel Hylase meistens nicht parat haben.

Es gibt noch einen weiteren Trend, der sich vor allem auf dem sozialen Netzwerk TikTok breitmacht: Junge Mädchen erwerben Hyaluronsäure – die es tatsächlich rezeptfrei von manch unseriösen Herstellern zu kaufen gibt – und spritzen es sich selbst. Dass es hierbei Risiken gibt, steht außer Frage. Doch selbst wenn Hyaluron von einem Schönheitschirurgen gespritzt wird, gibt es Risiken, die sowohl in den sozialen Netzwerken als auch häufig auf den Webseiten der Heilpraktiker oder Ärzte heruntergespielt werden.

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Die (oft ungeklärten) Gefahren und Risiken von Hyaluronsäure

Denn es gibt sie, die Risiken. Auch bei Hyaluronsäure. Ganz gleich wie massiv diese in den sozialen Netzwerken heruntergespielt werden, die Gefahren bei dem Einsatz dieses minimalinvasiven Eingriffes sind nicht zu unterschätzen.

Hyaluron wird unter anderem gerne in die Nase gespritzt, um den Nasenrücken aufzubauen oder auf diese Weise Nasenhöcker zu kaschieren. Ein Risiko, das oftmals unter den Teppich gekehrt wird, ist die Tatsache, dass die Nase nekrotisch werden und absterben kann, wie unter anderem eine Studie aufzeigt. Bei Unterspritzungen in der Augengegend kann es außerdem passieren, dass der Patient eine Sehstörung erleidet oder sogar erblindet, wenn der Arzt aus Versehen ein Augengefäß trifft. Manche Ärzte lehnen daher Unterspritzungen im Augen- und Nasenbereich komplett ab, da ihnen die Risiken zu hoch sind.

In den sozialen Netzwerken hält sich das Gerücht, dass sich Hyaluron nach wenigen Monaten wieder abbaut (und man es dann natürlich nachspritzen lassen "muss"). Jeder Mensch hat Hyaluron in gewissen Mengen natürlicherweise im Körper, welches sich über die Zeit tatsächlich abbaut, was der Grund für diesen Irrglauben zu sein scheint. Doch einigen Studien zufolge konnte bei Patienten und Patientinnen auch nach zehn Jahren immer noch das gespritzte Hyaluron nachgewiesen werden. Das Problem ist, dass es verrutscht und für das Auge nicht mehr zu erkennen ist. Die gelartige Substanz rutscht einfach an andere Stellen im Körper beziehungsweise im Gesicht. Das ist auch der Grund, weshalb Personen, die sich häufig Hyaluronunterspritzungen in der Oberlippe unterziehen, mit der Zeit zwischen Lippe und Nase "anschwellen". Das Hyaluron staut sich dort.

Weitere Nebenwirkungen des Fillers können das Auftreten von Rötungen, Hämatomen, Schwellungen, Knötchenbildung, Verdrängung von Blutgefäßen, kleine Verklumpungen mit Ischämie als Folge oder arterielle Embolien sein. Sie sehen also, es gibt Risiken – auch wenn uns Social Media etwas Anderes weismachen möchte und insbesondere junge Frauen mit Rabattcodes für Hyaluronsäure geködert werden.

Verwendete Quellen:

  • Studie des University College London: Heavy social media use linked to depression in young teens, new study shows (2019)
  • International Society of Aesthetic Plastic Surgery: Jüngste globale Umfrage von ISAPS berichtet über anhaltenden Anstieg der ästhetischen Chirurgie
    weltweit - Bericht von 2019
  • DGÄPC-STATISTIK: 2019-2020, Zahlen, Fakten und Trends der Ästhetisch-Plastischen Chirurgie
  • Statista.com: Durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer von sozialen Medien weltweit in den Jahren 2012 bis 2018
  • Candice E. Walker, Eva G. Krumhuber, Steven Dayan & Adrian Furnham: Effects of social media use on desire for cosmetic surgery among young women (30.04.2019)
  • JAMA Facial Plastic Surgery Vol. 20, No. 4 Research Letter: Nasal Distortion in Short-Distance Photographs: The Selfie Effect
  • American Academy Of Facial Plastic And Reconstructive Surgery: AAFPRS SURVEY SAYS THE SELFIE ENDURES AND IS STRONGER THAN EVER (2019)
  • PubMed.gov: The Risk of Skin Necrosis Following Hyaluronic Acid Filler Injection in Patients With a History of Cosmetic Rhinoplasty (13.07.2018)
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