Der Bonner Virologe Hendrik Streeck glaubt, dass in Deutschland zu schnell zu rabiat auf den Ausbruch der Corona-Pandemie reagiert wurde. Die Kontaktbeschränkungen hätte der Virologe zum Beispiel nur in Einzelfällen empfohlen.

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Der Virologe Hendrik Streeck hat den Corona-Lockdown mit seinen gravierenden Folgen in Deutschland infrage gestellt. Nach dem frühen Verbot von Großveranstaltungen seien die Infektionszahlen bereits gesunken, sagte der Direktor des Instituts für Virologie der Universitätsklinik Bonn der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Mittwoch.

"Die weiteren Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen hätte ich dann vom tatsächlichen Verlauf abhängig gemacht - auch um zu sehen, wie die einzelnen Beschränkungen wirken und ob zusätzliche Schritte wirklich nötig sind."

Streeck: "Gewisser Druck in der Öffentlichkeit"

Stattdessen sei Deutschland "zu schnell in den Lockdown gegangen", weil neben der Sorge um die Kapazität der Krankenhäuser "ein gewisser Druck in der Öffentlichkeit" bestanden habe, kritisierte Streeck.

Werde es entgegen seiner Erwartung wieder einen großen Corona-Ausbruch geben, "wird man sich sicherlich hüten, wieder derart starke Maßnahmen zu ergreifen", zeigte er sich überzeugt.

Tatsächlich handelte es sich hierzulande gar nicht um einen "richtigen" Lockdown. Italien, Spanien, Frankreich und Griechenland beispielsweise hatten weitaus rigidere Beschränkungen der Bewegungsfreiheit als Deutschland, wo es mit Ausnahme von Bayern keine Ausgehsperre gab. Die Deutschen konnten zu zweit oder in der Familie an die frische Luft oder in den Park.

So lange halten sich Coronaviren auf Oberflächen
Quelle: The New England Journal of Medicine. © 1&1

Anfangs seien sich fast alle Virologen recht einig gewesen, dass COVID-19 "nicht bagatellisiert werden sollte, aber auch nicht dramatisiert werden darf". Die Bilder aus Italien und den USA sowie medizinische Erkenntnisse hätten die Ansicht geändert.

"Derzeit allerdings nähern wir uns wieder der Einschätzung aus der Anfangszeit an", sagte Streeck. Der Grund für die sinkende Risikobewertung sei die große Zahl folgenloser Infektionen.

"Ich glaube auch weiterhin nicht, dass wir am Ende des Jahres in Deutschland mehr Todesfälle als in anderen Jahren gehabt haben werden", sagte Streeck. Er verwies dazu auf das Durchschnittsalter der Pandemietoten von 81 Jahren, das eher "oberhalb der durchschnittlichen Lebenserwartung" liege. Mancher, den COVID-19 in Deutschland verschone, sterbe stattdessen "an einem anderen Virus oder Bakterium".

Streeck sieht Maskeneinsatz bei falscher Nutzung skeptisch

"Nicht anders als im Rest der Welt" erwartet Streeck auch in den USA ein Abflachen der Welle. "So schnell hoch ging es dort ja unter anderem deshalb, weil Amerikaner mit Husten und Schnupfen weiter arbeiten gehen - es gibt dort nicht diese Form der Krankmeldung wie in Deutschland", sagte er. In der Folge sei es zu wesentlich mehr Ansteckungen als in Deutschland gekommen, sagte der Virologe.

Skeptisch sieht Streeck außerdem den Einsatz von Atemmasken im Alltag wegen der oft falschen Anwendung. "Die Leute knüllen die Masken in die Hosentasche, fassen sie ständig an und schnallen sie sich zwei Wochen lang immer wieder vor den Mund, wahrscheinlich ungewaschen", sagte Streeck. "Das ist ein wunderbarer Nährboden für Bakterien und Pilze", erklärt der Virologe. (hub/afp/dpa)

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