Im Format "Altes Haus sucht Mitbewohner" lässt der Sender "Vox" Jung und Alt aufeinander los. Die sollen sich jedoch nicht zoffen, sondern künftig gemeinsam unter einem Dach leben und eine Win-win-Situation generieren. Denn Mieten sind heute sauteuer und alte Menschen häufig isoliert und überfordert. Das Generationen-Projekt sorgt für emotionale Momente und bleibt dabei dennoch angenehm unaufgeregt.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Bodo Klarsfeld dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das Leben im Alter kann schon ein einsames sein. Und dann erst die Haus- oder Gartenarbeit, die erledigt werden muss: beschwerlich! Auf der anderen Seite sind es die Mieten, die in vielen Großstädten junge Menschen finanziell schlichtweg überfordern. Vor diesem Hintergrund hat der Sender "Vox" die Doku-Reihe "Altes Haus sucht Mitbewohner" produziert. Ziel des Formats: Die beiden Generationen voneinander profitieren zu lassen.

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"Altes Haus sucht Mitbewohner": Alt und Jung beim Speed-Dating

Erstmals begegnen einander Jung und Alt in einer Art Speed-Dating. Die reifen Semester können pro Gegenüber zehn Minuten sondieren und sich ihren Lieblingskandidaten für eine fünftägige Probezeit im Eigenheim aussuchen. Am Ende dieser wird entschieden, ob daraus ein langfristiges (günstiges) Mietverhältnis wird. "Ich muss gerade sitzen. Und ich bin zu fett", mäkelte eine der nervösen Seniorinnen im Vorfeld einer Begegnung mit der Jugend an sich rum.

Die Jugendsünden der Alt-Hippies Renate und Richard

Renate (78) und Richard (82), seit 55 Jahren verheiratet und pensionierte Lehrerin beziehungsweise Ex-Kommissar, waren vom 27-jährigen Straßenmusiker Janik schnell angetan. Nicht nur menschlich. Für die Kölner machte er auch den Eindruck, als ob er ihnen in ihrem Zweitwohnsitz in der Eifel beim Holzhacken, Rasenmähen und anderen Tätigkeiten durchaus von Nutzen sein könnte.

Dass Janik obdachlos ist, störte die beiden reiferen Semester überhaupt nicht. "Wir haben früher Lieder komponiert, ganz viel gesoffen und auch Hasch geraucht", gestanden sie mit einem Grinsen im Gesicht. Sie, die nochmal einen Kick im Leben brauchen würden, wie Renate meinte.

Und so durfte Janik auf Probe einziehen. "Heute Nacht schlafe ich zum ersten Mal seit langer Zeit in einem eigenen Raum", offenbarte er. Vom Haus war er sowieso begeistert.

Angenehm: kein Oberinfluencer und Dschungel-"Experte" auszumachen

Schon nach 20 Minuten Sendezeit war klar, dass das Format einen angenehmen und unaufgeregten Kontrapunkt zum gängigen Reality-Wahnsinn setzt, in dem das eigene Deutsch beim Zusehen schlechter wird und obendrein immer alles "krass" und "fett" ist – vor allem, boah ey, das Leben im australischen Dschungel, als Insta-Influencer oder Schlagerchecker auf Malle.

Zugegeben, Sara, die bei der 69-Jährigen, großflächig tätowierten und überaus sportlichen Nicci in Berlin einziehen durfte, bescherte den Zuschauern am Dienstagabend schon auch ein paar Ausflüge in die Einfalt.

"Ich bin ja so ein fancy Mädel und mag, dass alles schön schick und weiß ist", ließ sie uns wissen, während sie Niccis Versace-Polster anhimmelte. Niccis Vorschläge für gemeinsamen Sport hingegen verteufelte Sara: "Ich hasse laufen. Ich kann Leute nicht verstehen, die laufen."

Ingos erstes Frühstück zu zweit seit 18 Jahren

Ein Herz und eine Seele, worauf schon die kurze Konversation beim Speed-Dating hingedeutet hatte, wurden hingegen der 84-jährige Ingo aus Norderstedt und die 26-jährige Seniorenassistentin Jana. Auch Nils wurde von Ingo abgecheckt. Die Konversation fand der Witwer aber "eher schleppend".

Dass der Junge primär auf eine geringe Miete und weniger auf soziale Interaktion mit Oldies aus war, störte Ingo ebenso. Er war einfach Jana-Fan. Und deshalb war es auch sie, die zur Probe bei ihm einziehen durfte. "Von ihrem Lächeln kann man sich einfach ernähren", offenbarte der sympathische Norderstedter, dem stets die Tränen kommen, wenn er von seiner verstorbenen Frau spricht.

Okay, Dusche und WC standen mitten im Zimmer und erinnerten ein wenig an eine Gefängniszelle. Jana aber war nicht unzufrieden und bescherte Ingo das erste Frühstück zu zweit seit 18 Jahren. Klar, dass Ingo glückselig war.

Die 69-jährige Nicci ist für Sara eine zu wenig ruhige und süße Oma

Von einem Generationenkonflikt war auch in Köln wenig zu merken. Der 27-jährige Janik packte tüchtig mit an – sogar in der Küche, was den 82-jährigen Richard, der dort in 55 Jahren eher nicht so der Aktivposten war, zum Reflektieren brachte. Nach der Probezeit mussten schließlich alle Beteiligten ihr "Ja" oder "Nein" zu einem langfristigen Mietverhältnis auf einen Zettel schreiben.

Janik, der unbedingt bleiben wollte, erhielt, wenig überraschend, ein fettes "Ja" von Renate und Richard. In Berlin hingegen bekamen sowohl Sara als auch Vermieterin Nicci jeweils ein "Nein" zu lesen. "Ich hab schon so viel Hektik in meinem Leben, weshalb ich wirklich jemanden brauche, der viel ruhiger ist", ließ die 26-jährige Lehramtsstudentin die 69-jährige einstige Maskenbildnerin wissen.

Verkehrte Welt! Nicci hingegen argumentierte ihr "Nein" mit einem "Ich kann nicht gut damit umgehen, wenn jemand unbegründet schlechte Laune hat."

So sad: Auch Ingo musste ein "Nein" hinnehmen

Richtig Herzschmerz gab es nur in Norderstedt, denn Jana, die sich mit Ingo blendend verstand, schob dem zuletzt so unbekümmerten 84-Jährigen dennoch ein "Nein" rüber. "Unsere Art zusammenzuleben, ist sehr fürsorglich, mir aber etwas zu familiär", begründete Jana ihre Entscheidung.

Eine Freundschaft wolle sie aber in jedem Fall. Ingo war sichtlich angeschlagen, zeigte sich aber verständnisvoll. "Die Gründe, die sie angegeben hat, sind traurig, aber für mich nachvollziehbar", so der Witwer. Auf seinem Zettel stand natürlich ein "Ja".

Highlights des Formats: die emotionalen Momente

Dass "Vox" Probleme wie Alterseinsamkeit oder steigende Mieten aufgreift, ist zwar durchaus löblich, aber auch noch ausbaufähig. Ebenso möglich, dass eine Reduktion von drei "Alt und Jung"-Konstellationen auf zwei dem ganzen Projekt zuträglich wären und mehr Gelegenheit böten, die einzelnen Charaktere besser freizulegen.

Die emotionalen Momente sind in jedem Fall die Highlights des Formats. Und dass hier keine Eidechsenzehennägel gegessen werden oder irgendwelche Beautys sich einen muskulär aufgeblasenen Macker checken müssen, das ist schon auch sehr angenehm.

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