Wer Stil hat, ist still – zumindest wenn es um Mode geht. So könnte die Devise rund um den Quiet-Luxury-Trend lauten, der aktuell von den Laufstegen der Designer nicht mehr wegzudenken ist. Wir blicken auf das Phänomen, das auffälligen Label-Prints abgeschworen hat und dabei sogar Traditionslabels wie Burberry hinter sich lässt.

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"Warum hat sie diese lächerlich geräumige Tasche dabei? Was ist da überhaupt drin? Flache Schuhe für die U-Bahn? Ihr Lunch-Paket? Sie ist monströs. Gigantisch. Sie könnte sie zum Camping oder Banküberfall mitnehmen." Es ist ausgerechnet eine Burberry-Tasche, die in der ersten Folge der finalen Staffel der Serie "Succession" zum Gesprächsthema wird. Die Tasche eines traditionellen Luxus-Labels, die eigentlich als Statussymbol gelten sollte.

Eigentlich. In den Augen von Seriencharakter Tom Roy ist sie genau das nicht. Weil sie zu auffällig ist. Zu groß. Und damit zu laut. Denn wer Stil hat, ist still – zumindest in Sachen Mode. Genau dafür steht Quiet Luxury – jener Fashion-Trend, der sich von Logo-Prints, schrillen Farben und dem lange propagierten "Mehr ist mehr"-Style verabschiedet.

Stattdessen werden cleane Looks und zeitlose Designs willkommen geheißen in einer Welt, in der das Motto zu lauten scheint: "Zeig mir, dass du dir Designermode leisten kannst, ohne zu zeigen, dass du dir Designermode leisten kannst."

Quiet Luxury: Wenn ein Baseball-Cap 500 Euro kostet

Es scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, Quiet Luxury noch nicht begegnet zu sein. Da wäre zum einen Gwyneth Paltrows Gerichtsgarderobe, die im März Labels wie Loro Piana oder The Row sei Dank den stillen Luxus gekonnt in Szene setzte und das, worum es eigentlich ging – einen Prozess – beinahe in den Hintergrund rücken ließ. Und dann wäre da die eingangs genannte HBO-Serie "Succession", in der es um die sehr reiche fiktive Familie Roy – und ihre erlesenen Looks – geht.

Sowohl bei Schauspielerin Gwyneth Paltrow als auch bei "Succession" ist es der High-Fashion-Kennerblick, der eine entscheidende Rolle spielt. Denn Logo-Prints oder schwungvoll drapierte Labels in goldener Hardware sucht man auf besagten Kleidungsstücken und Accessoires vergebens. Vielmehr sind es die schlichte Eleganz und die zeitlosen Designs, die still zu schreien scheinen: Diese Outfits kosten eine Menge Geld, ohne dass man es ihnen auf den ersten Blick ansieht. Im Fall von "Succession" begegnet uns das in Form eines Baseball-Caps aus Kaschmir von Loro Piana. Kostenpunkt: 500 Euro. Oder – mit Blick auf Paltrows Prozess-Outfits – anhand eines cremefarbenen Kaschmir-Pullovers desselben Labels. Kostenpunkt: 1.700 Euro.

Ist der stille Luxus bereits bei der breiten Masse angekommen?

Wer nun denken mag, bei Quiet Luxury handele es sich um die große Schwester von Minimalismus oder Normcore, liegt nicht ganz richtig. Denn während diese beiden Trends für die breite Masse zugänglich waren, gibt bei Quiet Luxury der Preis den Ton an. Ist der Trend also überhaupt für die breite Masse zugänglich? Oder bleibt er den Gwyneth Paltrows und fiktiven wie echten Superreichen dieser Welt vorbehalten?

Laura Noltemeyer ist Unternehmerin und Fashion-Bloggerin. Den Trend, bei dem das Hauptaugenmerk der Käuferinnen und Käufer nicht mehr auf den neuesten It-Stücken, sondern auf hochwertigen Investment-Pieces liegt, sieht sie noch nicht vollends bei der breiten Masse angekommen. "Es ist ja noch nicht jede*r auf diesen Zug aufgesprungen, sondern oft nur diejenigen, die es sich leisten können", sagt die Hamburgerin. Dabei sei der Aspekt des bedachten Investments nicht zu vernachlässigen. Noltemeyer wünscht sich, dass "immer mehr Menschen besser darüber nachdenken würden, woher welches Teil in ihrem Kleiderschrank stammt und wer es hergestellt hat".

Ist Quiet Luxury nachhaltig?

Kann Quiet Luxury also als Wegweiser für Nachhaltigkeit und bewussten Konsum verstanden werden? Dass Nachhaltigkeit sicher nicht die treibende Kraft hinter dem stillen Luxus sein dürfte, ist offensichtlich. Doch der Nebeneffekt, den die Investition in zeitlose und langlebige Bekleidung mit sich bringt, dürfte umso lauter sein – eine Beobachtung, die auch Laura Noltemeyer macht. Quiet Luxury könnte ihrer Meinung nach nachhaltig sein, "wenn diese Marken nachhaltig produzieren und ihre Lieferketten transparenter gestalten würden". Demnach findet sie, "dass schon mal ein riesiger Schritt getan ist, wenn mehr auf Qualität anstelle von Quantität gesetzt wird".

Das Konsumverhalten der Menschen hat sich geändert, so viel steht fest. Wurden in den vergangenen Jahren Logos und Label-Prints laut und offensiv auf den Laufstegen dieser Welt zur Schau gestellt, wird diese Erscheinung nun von der stillen und zeitlosen Dekadenz abgelöst. Optische Wiedererkenner haben im Quiet-Luxury-Kosmos nichts zu suchen – selbst dann nicht, wenn es um Traditionshäuser wie Burberry geht.

Hat zurückhaltende Qualität die laute Quantität vom Thron gestoßen? "In den letzten Jahren ging es oft darum, viel Logo und Marke zu zeigen. Meiner Meinung nach ist dieser Trend etwas vorbei und den Leuten ist Qualität immer wichtiger", ordnet Laura Noltemeyer die Faszination rund um Quiet Luxury ein. Ihrer Meinung nach geht es nicht mehr darum, "aufzutrumpfen, sondern darum, etwas Schönes für sich selbst zu kaufen".

Trend oder Mindset?

Leiser Stil statt lauter Protz lautet die Message hinter dem Quiet-Luxury-Trend. Wobei Trends in der Regel schneller verflogen sind, als man "Winter-Saison" sagen kann. Aber ist Quiet Luxury nicht vielmehr als Credo statt als Trend zu verstehen? Folgen die Konsumentinnen mit dem Investment in hochwertige Kleidung und Accessoires nicht eher einem persönlichen Mindset statt "nur" einem Modetrend? Ein Mindset, das den Aspekt der Nachhaltigkeit immer mehr verinnerlicht. Das uns daran erinnert, dass Klasse statt Masse wichtig ist – ein Effekt, den uns spätestens die Pandemie und Lockdown-Zeit gelehrt hat. Und ein Mindset, das die Frage aufwirft, ob in Zeiten von Krieg und Inflation wuchtige Logo-Prints zur Schau gestellt werden sollten.

So weit, so nachvollziehbar. Wer ist nun aber die Quiet-Luxury-Zielgruppe? Sind es tatsächlich nur jene Menschen, die sich ein Kaschmir-Cap für 500 Euro leisten können und wollen? Laura Noltemeyer verneint dies: "Für mich persönlich geht es bei Quiet Luxury um die Materialien, die Herstellung, die Qualität der Sachen und um die Unternehmensphilosophie." Dabei muss es sich ihrer Meinung nach nicht ausschließlich um High-End-Marken handeln – sich in einem bestimmten Kleidungsstück wohlzufühlen, wertet Noltemeyer als deutlich wichtiger.

Quiet Luxury kann also auch im Segment minimalistisch-eleganter Midprice-Marken stattfinden – das ist auch in den sozialen Medien zu beobachten. Rund 148 Millionen Aufrufe gibt es bei Tiktok zu dem Suchbegriff Quiet Luxury. In den Clips geben Creator Tipps, wie sich mit kleinem Budget "teure" Looks kreieren lassen und schaffen damit einen Effekt, durch den sich auch Menschen mit einem weniger elitären Kontostand am Phänomen Quiet Luxury zugehörig fühlen. Ein Phänomen, das noch beweisen wird, ob es wirklich "nur" ein Trend ist, oder langfristig ein verinnerlichtes Mindset widerspiegelt. Denn vielleicht soll uns Quiet Luxury genau daran erinnern: dass Mode nicht nur saisonal gedacht werden muss. Und wir uns in Lieblingsteilen lange wohlfühlen sollten. Oder um es mit den Worten Laura Noltemeyers zu sagen: "Das ist nämlich für mich Luxus."

Zur Person: Laura Noltemeyer ist Influencerin und Unternehmerin aus Hamburg. 2014 launchte sie ihren Fashion- und Lifestyleblog "Designdschungel". Inzwischen zählt die Content Creatorin mit ihrem Instagram-Kanal (248k Follower*innen) zu einer der bekanntesten deutschsprachigen Influencerinnen im Bereich Mode und Beauty.
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