• "In Mathe bin ich Deko" – ein Shirt für Mädchen mit diesem Aufdruck hatte das Versandhaus Otto 2013 in seinem Sortiment. Studierende am Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der TU Berlin (ZIFG) nahmen das Kleidungsstück zum Anlass, Sprüche und Motive auf Kinderkleidern zu untersuchen.
  • Das Ergebnis: Bei allen elf untersuchten Marken gab es eine Geschlechtertrennung. "Sweet", "little" und "cute" seien die Mädchen ausweislich ihrer Kleidung, die Jungs dagegen "cool", "wild" und "strong".
  • Unsere Redaktion sprach mit Petra Lucht, die dieses Projekt betreut hat, und beantwortet die Frage, worin diese Trennung begründet liegt - und wieso sie nach wie vor besteht.

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Heute gilt es mit Blick auf die gängigen Kleiderfarben fast als naturgegeben: Mädchen lieben die Farben Rosa und Pink. Doch das war nicht immer so. Rot galt lange Zeit als Farbe des Militärs, als Zeichen von Stärke und Männlichkeit.

Rosa als "kleines Rot" war daher besonders für Jungs beliebt. Noch heute findet sich rosa regelmäßig in den Auswärtstrikots des italienischen Fußballvereins Juventus Turin wieder. "Blau war auf vielen Gemälden die Farbe des Kleides der Jungfrau Maria. Daher wurde es von Mädchen getragen", erklärt Petra Lucht.

Die Farbe galt als delikat und anmutig. In den 40er Jahren begann der Wechsel der Geschlechterfarben. Nach der Einführung der ersten Barbiepuppe in einer schreiend pinken Verpackung im Jahr 1959 hatte die Farbe Rosa die Herzen von kleinen Mädchen endgültig erobert.

Kinder sind keine Individualisten

Kinder lernen laut der Expertin erst im Alter von ungefähr vier Jahren, dass es unterschiedliche Geschlechter gibt. Von diesem Zeitpunkt an wollen sie zu einer Gruppe dazugehören, mit der sie sich identifizieren können und in der sie sich aufgenommen fühlen.

"Und das klappt am besten, wenn das eigene Verhalten und Aussehen mit dem der anderen Gruppenmitglieder möglichst übereinstimmt", erläutern Almut Schnerrig und Sascha Verlan, die sich in ihrem Buch "Die Rosa-Hellblau-Falle" mit dem Thema von Geschlechterstereotypen bei Kindern befassen. Für Kinder sei es entscheidend, typische Merkmale an Jungen und Mädchen zu erkennen und diese bei sich selbst anzuwenden.

Die geschlechtstypische Zuordnung starte in den meisten Fällen mit den Eltern. Schon Babys werden Schleifen oder Basecaps auf den Kopf gesetzt, um Fremden eine Zuordnung zu Mädchen oder Junge zu erleichtern. Kinder entwickeln basierend darauf selbst Vorlieben, nicht selten für die Farben rosa oder blau.

Gender-Marketing bringt den Unternehmen viel Geld

Geprägt werden Kinder auch von Werbung. Und diese greift auch bei Spielsachen oder Süßigkeiten nicht selten auf "Gender Marketing", also dem bewussten Bedienen von männlichen oder weiblichen Bedürfnissen, zurück. Der Spielwarenhersteller Lego verkauft zum Beispiel eine Box mit Steinen in verschiedenen Rosatönen – extra für Mädchen.

Ferrero hat für das bevorstehende Osterfest wieder zwei Versionen des beliebten Ü-Eis in die Regale gebracht. Eine mit blauen und eine mit rosa Häschen. "Für Jungs!" und "für Mädchen!" prangt in deutlichen Lettern darauf. In den letzten Jahren haben sich solche Rollenzuschreibungen verstärkt, statt in den Hintergrund zu treten, haben Experten beobachtet.

Laut einer Umfrage der Shopping- und Vergleichsplattform idealo.de haben immerhin 64 Prozent der Eltern schon einmal gezielt nach geschlechtsneutraler Kleidung für ihr Kind gesucht. Das überschaubare Angebot wird dabei oft zum Problem.

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Petra Lucht, die auch in der Jury des "Goldenen Zaunpfahls", einem Negativpreis für absurdes Gendermarketing, sitzt, appelliert daher auch an die Unternehmen: "Die vermittelten Klischees geben gesellschaftliche Normen vor und schränken so Individualität und persönliche Entfaltungsmöglichkeiten in Schule, Beruf und Lebensführung nach wie vor ein. Das Design von Kinderkleidung sowie die Gestaltung von Kinderspielzeug sollte daher vielfältiger werden."

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Prof. Dr. Petra Lucht, Inhaberin der Professur "Gender in MINT und Planung / Feminist STS" an der TU Berlin
  • Pressestelle TU Berlin: Süße Prinzessinnen und starke Helden
  • geo.de: Warum die Farbe Rosa einst Männersache war
  • Almut Schnerring, Sascha Verlan: "Wege aus der Rosa-Hellblau-Falle"
  • Fashionunited: Abseits von pink und blau: 22 Prozent der Eltern befürworten genderneutrale Kindermode.
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