• Das Spielprinzip von "Diablo 2" hat in den letzten 20 Jahren nichts von seiner Sogwirkung verloren.
  • Im "Resurrected"-Remake ist der Trip in den Himmel und die Hölle schrecklich schöner denn je.
  • Allein: Warum wurde die Tastatur- und Maussteuerung nicht überarbeitet?

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Zurück in die Hölle: 21 Jahre, nachdem Blizzard mit "Diablo 2" das Hack&Slay-Genre definiert hat, veröffentlicht Activision Blizzard nun ein (rein digitales) Remaster für PC und Konsolen. Die "Wiederauferstehung" des laut "Time"-Magazins "wohl besten Rollenspiels, besten Dungeon-Crawlers und besten PC-Spiels aller Zeiten" bezieht sich bei der "Resurrected"-Fassung jedoch nicht auf die abermalige Veröffentlichung. Vielmehr haben die Remaster-Spezialisten von Vicarious Vision ("Tony Hawk's Pro Skater 1+2") das Original samt der großen Erweiterung "Lord of Destruction" komplett neu gestaltet.

Eigentlich ein Selbstläufer möchte man meinen. Dennoch ist die Skepsis groß: Das mag einerseits an dem katastrophalen Remaster von "Warcraft 3" liegen, bei dem sich Activision Blizzard Anfang 2020 nicht gerade mit Ruhm bekleckerte. Andererseits will nicht einmal David Brevik, Erfinder der "Diablo"-Reihe, das "Resurrected"-Projekt unterstützen. Der Grund: das toxische Arbeitsklima, das viele Jahre bei Activision Blizzard herrschte - und das unlängst durch Klagen von US-Behörden offenbart wurde.

Sexuelle Belästigung und Diskriminierung mögen wenig mit der Qualität der Neuauflage des Kult-Rollenspiels zu tun haben, sind für die Kaufentscheidung vieler Gamer aber äußerst relevant. Boykott oder Kauf? Geradezu salomonisch äußerste sich deshalb Designchef Rob Gallerani vom zuständigen Studio Vicarious Vision im Vorfeld der Veröffentlichung in einem Interview mit dem US-Magazin "Axios": "Die Spieler sollen das tun, was sich für sie richtig anfühlt."

Worum geht's?

In "Diablo 2" ist der Teufel los. Der einstige Held, der den Höllenfürsten Diablo im gleichnamigen Vorgänger aufopfernd in seinen eigenen Körper verbannt hatte, kann dem Dämonen nicht länger Widerstand leisten. Die Wiederauferstehung des Herrn der Zerstörung, die Vereinigung mit den anderen großen Übeln Mephisto und Baal sowie die damit einhergehende Apokalypse im Fantasyreich Sanktuario stehen unmittelbar bevor.

Der Spieler darf mit einem von insgesamt sieben vorhandenen Charakteren die Verfolgung des einsamen Wanderers aufnehmen und sich fünf Akte lang durch Heerscharen von Dämonen kämpfen. Zur Auswahl stehen Barbar, Zauberin, Totenbeschwörer, Paladin, Assassine, Druide und Amazone. Letzte wurde übrigens optisch gegenüber dem Original deutlich umgestaltet: Sie sehe nun mehr wie eine Kriegerin aus und nicht wie eine Figur, die "gerade aus einem Nachtclub kommt", so Designchef Rob Gallerani mit Blick auf die Sexismus-Debatte, die Activision Blizzard seit geraumer Zeit dominiert.

Jede Heldenfigur wartet mit über zwei Dutzend unterschiedlichen Talenten und Spezialangriffen auf. Diese Fähigkeiten lassen sich im weiteren Spielverlauf beliebig durch gewonnene Erfahrungspunkte ausbauen. Darüber hinaus wartet auf erfolgreiche Dämonenjäger Beute. Jede. Menge. Beute.

Was ist neu?

Das Offensichtlichste vorweg: Statt pixeligen 2D-Grafiken (erst 640x480, später 800x600 Bildpunkte) setzt das Remaster auf ein hochauflösendes 3D-Rendermodell, dynamische Lichteffekte, überarbeitete Figuren und Animationen sowie eine generalüberholte Soundkulisse, die nun in 7.1-Surround-Sound abgemischt wurde.

Sogar die in Summe rund 30 Minuten langen Render-Zwischensequenzen wurden komplett neu erstellt und teils vorab bei Youtube veröffentlicht. Das alles wirkt mehr zeitgemäß als modern, dennoch war "Diablo" nie schöner und nie detaillierter. Wer in Nostalgie schwelgen möchte, kann das per Knopfdruck tun: Dann wechselt das Spiel, das auf PC in 4K mit unbegrenzter Bildwiederholungsrate und auf PS5 sowie Xbox Series X/S in 2K mit 60 FPS läuft, zur pixeligen Original-Grafik zurück. Der neue Detailreichtum schlägt sich im belegten Speicherplatz nieder: Rund 30 Gigabyte müssen auf der Festplatte freigeräumt werden.

Mit den feineren Pixelarrangements kamen neue Möglichkeiten der Menüdarstellung hinzu: Größere Schriften sind hilfreich, um die Attribute und Werte der Loot-Fluten besser miteinander vergleichen zu können.

Was ist noch neu?

Weil das Spiel im Rahmen der Neuauflage erstmals auf Konsolen verfügbar ist, führt Entwickler Vicarious Vision eine völlig neue Gamepad-Steuerung ein, die der klassischen PC-Kombination aus Maus und Tastatur in mancherlei Hinsicht sogar überlegen ist. Der Teufel liegt hier im Detail: Während PC-Spieler über die F(unktions)-Tasten oder das Mausrad nur jeweils eine Sonderfähigkeit auf die rechte Maustaste legen und aktivieren können, steht Gamepad-Helden eine ganze Skill-Leiste mit sechs Slots zur Verfügung. Über eine Trigger-Taste geht's zu einer weiteren Leiste, sodass am Ende ein Dutzend Aktionen blitzschnell über den zugeordneten Button abruf- und auslösbar sind.

Um die nervige Inventar-Inventur des Originals zumindest ein wenig abzumildern, wurde die Schatztruhe vergrößert - von 24 auf 100 Felder - deutlich mehr Platz fürs Schätze horten also. Zudem lässt sich das gleich klein gebliebene Inventar automatisch sortieren. Wenngleich: Das "Stapeln" von gleichen Gegenständen ist nach wie vor nicht möglich. Dafür gibt es nun eine Option, automatisch Gold vom Boden aufzulesen. Diese sollte man tunlichst von Anfang an aktivieren. Obendrein lässt sich das Interface nun auch komplett ausblenden, um mehr von der düsteren Spielwelt zu sehen.

Was ist vom Original geblieben?

Wie bei allen Neuauflagen ist der Grat zwischen Modernisierung und Werktreue ein schmaler. Fans können selbst auf winzige Änderungen vergrämt reagieren - mit dem subjektiven Hinweis: "Das fühlt sich nicht mehr wie das Original an." Vicarious Vision hat jedoch einen guten Mittelweg gefunden - was aber auch bedeutet: So manche Schwachstelle aus "Diablo 2" findet sich auch in "Resurrected" wieder, um das Spielgefühl nicht zu verfälschen: Noch immer ...

  • ... kann man den eigenen Helden leicht "verskillen" - sprich: in eine ungute Richtung entwickeln. Korrekturen sind kaum möglich. Nur einmal pro Schwierigkeitsgrad lassen sich die Werte zurücksetzen. Vorweg lohnt sich ein wenig Netzrecherche nach optimalen Builds.
  • ... hilft einem das Spiel nicht beim "richtigen" Kombinieren der Runen und Edelsteinen, um Schwerte, Schilder und andere Gegenstände aufzuwerten. Die Infos muss man sich im Netz suchen.
  • ... muss man nach dem Ableben "nackt" zu den Überbleibseln der eigenen Leiche rennen, um alle Gegenstände wieder auflesen zu können. Der Spießrutenlauf ist nur bedingt zeitgemäß.
  • ... gibt es teils gravierende Gameplay-Bugs, grafische Glitches und eine Künstliche Intelligenz, die manchmal ihren Namen nicht verdient. Selbst nach 20 Jahren schaffen es Monster nicht durch enge Gänge. Der sogenannte "Next Hit Always Miss"-Bug wurde mit Absicht nicht gefixt, weil er "zur ursprünglichen Spielerfahrung" gehört.

Als unverwüstlich erweist sich indes das Monstermeucheln und Looten. Das Einsacken von immer besseren, seltenen oder gar einzigartigen Waffen, Rüstungen, Accessoires, Runen und Edelsteinen funktioniert als Motivator nach wie vor ungemein. Alte "Diablo"-Hasen wissen um die Suchtwirkung, Neulinge seien vorgewarnt: So schnell kann man Sanktuario nicht den Rücken kehren - zumal die einzelnen Helden innerhalb ihrer Klasse komplett unterschiedliche Spielstile zulassen.

Kurios, aber am Rande erwähnt: Wer auf dem PC noch einen alten Spielstand hat, darf den kopieren und mit seinem alten (Offline)-Haudegen weiterspielen!

Wie ist der Koop-Modus?

Die schlechte Nachricht vorweg: Der in "Diablo 3" eingeführte Couch-Koop findet sich nicht in "Resurrected" wieder. Stattdessen setzt das Remake voll und ganz auf Online-Multiplayer-Partien. Zum Start gab es teils massive Server-Probleme, die mittlerweile jedoch behoben wurden. Sogar von gelöschten Charakteren war die Rede.

An dieser Stelle sei zudem erklärt: Das Spiel trennt strikt zwischen Online- und Offline-Betrieb. Ein Offline-Charakter kann ausschließlich in der Kampagne verwendet werden. Alle Fortschritte bleiben erhalten, das Spiel merkt sich die aufgedeckte Karte. Ein Wiedereinstieg ist jederzeit möglich. Einen Online-Charakter kann man zwar solo im "Privaten Spiel" aufleveln. Sobald man eine Partie neu startet, gehen aber Fortschritte wie die freigeschaltete Karte oder besiegte Gegner verloren. Immerhin: Die erreichte Level-Stufe und gefundene Gegenstände bleiben erhalten - sofern man einen Teil der Beute überhaupt abgreifen kann! Denn "Resurrected" bietet kein personalisiertes Loot. Soll heißen: Wer zu langsam ist, steht nach harten Gefechten mit leeren Händen da!

Wie geht es nach dem Release weiter?

Die sogenannten Ladders - also große Online-Vergleichslisten - sollen nach Release nachgereicht werden. Ebenso denken die Entwickler laut über Plattform-übergreifendes Cross-Play und personalisiertes Loot nach. Sicher ist jedoch, dass Nvidias Deep Learning Super Sampling (DLSS) auf dem PC kommen wird.

Das Fazit

Um dem Original gerecht zu werden und den Nostalgikern nicht allzu viele Modernisierungen zumuten zu müssen, ist "Diablo 2: Resurrected" an manchen Stellen nicht ganz so komfortabel, wie es bei heutigen Genre-Vertreter Standard ist. Aber: Das macht nichts. Wer vor über 20 Jahren bereits tausendfach Dämonen totgeklickt hat, wird das mit Freude (und ein wenig Wehmut ob der guten alten Tage) wieder tun und den Bund mit dem Teufel erneuern. Aber auch alle jüngere Semester erwartet ein höllisches Vergnügen mit einem gut gealterten und dennoch facegelifteten Spiel. Und dank einblendbarer Uhrzeit im Spiel weiß man immer, dass nun wirklich so langsam Schluss sein sollte - für diese Nacht zumindest.

(tsch)  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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