Im November soll eine Werbeversion für Disney+ in Deutschland eingeführt werden. 5,99 Euro soll das monatlich kosten. Das Modell ohne Werbung kostet dann weiterhin 8,99 Euro, beinhaltet aber weniger Leistungen als bisher, wie netzwelt.de berichtete. Das Abomodell ohne Werbung im jetzigen Leistungsumfang kostet dann 11,99 Euro pro Monat.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Michael Freckmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Einführung eines Werbemodells hatte vor einiger Zeit bereits Netflix vorgemacht. Zudem hatte der Anbieter auch zusätzliche Kosten für das Teilen von Passwörtern eingeführt. 4,99 Euro für eine weitere Person außerhalb des eigenen Haushaltes kostet das bei Netflix. Auch Disney hat kürzlich angekündigt, eine ähnliche Regelung einzuführen. Losgehen soll es damit schon im nächsten Jahr.

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Dass nun die Mehrfachnutzung von Accounts erschwert wird und parallel die Preise erhöht werden, könnte an den hohen Anlaufkosten liegen, die Disney hatte, um seinen Streamingdienst zu starten. Das vermutet Lutz Frühbrodt, Medienwissenschaftler an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Jetzt, wo der Dienst im deutschen Markt angelaufen sei, müsse der Konzern sehen, wie er die Kosten wieder reinbekomme. Ohnehin sei "Großzügigkeit gegenüber den Nutzerinnen und Nutzern immer nur möglich und auch notwendig, bis ein neuer Markt erschlossen ist", sagt Frühbrodt.

Streamingdienste wollen "Trittbrettfahrer" abwehren

Ob sich diese Maßnahmen für die Streaminganbieter auszahlen werden? Oliver Zöllner hat da noch Zweifel. Der Medienwissenschaftler für Digital- und Medienwirtschaft der Hochschule der Medien Stuttgart geht davon aus, dass Anbieter wie Disney damit kurzfristig zwar neue Abonnenten gewinnen könnten. "Viele der Neuabonnenten kündigen ihr Abo erfahrungsgemäß aber auch recht kurzfristig wieder, etwa weil sie nur eine bestimmte Serie sehen wollen", sagt er. Denn das Nutzen von Streamingdiensten, besonders von mehreren gleichzeitig, sei für viele Menschen eben auch eine Kostenfrage.

Fraglich ist auch, wie sich solche Maßnahmen auf das Ansehen der Firmen auswirken werden. Einerseits, sagt Zöllner, müssten sich Unternehmen gegen Passwortteiler wehren, da diese für sie wie "Trittbrettfahrer" seien. Andererseits könnte dies auch negative Auswirkungen auf ihr Image haben. "Galten Netflix & Co. bisher oft als die sympathischen Innovatoren mit den coolen Serien und Filmen, könnten diese Unternehmen nun als gnadenlose Profiteure wahrgenommen werden, deren Abos sich nur Wohlhabende leisten können", sagt Zöllner.

Neben Preiserhöhungen setzen Anbieter auch vermehrt auf Werbung. Doch auch hier liege eine Gefahr für die Streamingdienste, meint Zöllner. Auch wenn sich bei vielen Medienkonsumierenden mittlerweile ein Gewöhnungseffekt eingestellt habe, führe Werbung dazu, dass Filme und Serien dadurch "profanisiert" würden. Sie würden durch Werbeunterbrechungen "zu einem banalen, gewöhnlichen Alltagsprodukt", das "Erlebnis der Besonderheit eines Fernsehabends" sei zerstört. Letztlich würde dies auch das Geschäftsmodell und das Image der Streaminganbieter beschädigen, glaubt Zöllner.

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Konkurrenz hoch, Markt gesättigt

Langfristig, so glaubt Lutz Frühbrodt von der Hochschule Würzburg-Schweinfurt, gehe der Trend zu wenigen großen Anbietern. Für Nutzerinnen und Nutzer bedeute das, dass sie bei "ähnlichen und tendenziell steigenden Abo-Preisen" zwischen inhaltlich unterschiedlichen Angeboten aussuchen könnten. "Spannend würde es werden, wenn einer der Großen aus dieser friedlichen Koexistenz ausbricht und radikale Maßnahmen ergreift."

Der deutsche Markt sei dabei nach Einschätzung von Frühbrodt besonders anspruchsvoll für internationale Streaminganbieter. Denn hierzulande gebe es eben die öffentlich-rechtlichen Sender, die mit ihrer festen Gebühr das Budget der Menschen für Medienangebote von vornherein einschränkten. Auch versuchten ARD und ZDF seit längerem, ihr Angebot in den Mediatheken auszuweiten.

Viel Raum, um sich noch weiter zu profilieren, sieht auch Zöllner für die Streamingdienste gegenwärtig nicht. So sei der Streamingmarkt aktuell "gesättigt". Zudem sei die Performance der einzelnen Anbieter in letzter Zeit auch nicht immer nur positiv gewesen. Viele Eigenproduktionen der Streaminganbieter seien gefloppt. Es gebe nach Einschätzung von Zöllner nur wenige "wirklich herausragende Filme, Serien und Dokumentationen mit echtem 'Wow-Faktor' auf dem Markt."

Gegenwärtig sei das Angebot kaum noch zu überblickend. Das überfordere manche ‒ und könnte auch zu einer ganz anderen Entwicklung führen, glaubt Zöllner: "Vielleicht freuen sich Zuschauerinnen und Zuschauer bald irgendwann wieder darauf, eine begrenzte Auswahl an Inhalten vorgesetzt zu bekommen, aus denen sie unkompliziert und stressfrei auswählen können."

Zur Person: Prof. Dr. Lutz Frühbrodt ist Medienwissenschaftler an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Er lehrt und forscht unter anderem in den Bereichen Fachjournalismus, Corporate Media und Mediensoziologie
Zur Person: Prof. Dr. Oliver Zöllner ist Medienwissenschaftler an der Hochschule der Medien Stuttgart und lehrt und forscht unter anderem in den Bereichen der Empirischen Medienforschung, der Digitalen Ethik und der Soziologie der Medienkommunikation
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