Das Mittelalter begeistert, das Bauen nach mittelalterlichen Methoden erst recht! Und genau deshalb rollen wir heute mit unserem VW California ins Burgund, in den Wald bei Treigny im Département Yonne.

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Was noch vor Kurzem ein aufgelassener Steinbruch war, entwickelte sich seit 1997 zum ehrgeizigsten, erfolgreichsten und wohl langwierigsten Burgbauprojekt unserer Zeit. Und jeder darf zuschauen, von Frühling bis Herbst sind Besucher und Besucherinnen ausdrücklich willkommen!

Reise zum gewaltigen Mittelalter-Projekt

Der Ort einer faszinierenden Zeitreise ins frühe 13. Jahrhundert nennt sich "Guédelon": Seit bald drei Jahrzehnten entsteht hier eine Burg, rein nach den Prinzipien experimenteller Archäologie, allein mit mittelalterlichen Techniken – weil Monsieur Guyot die Idee eines kleinen Jungen hatte. Nein, das ist nicht abwertend gemeint! Denn wer hätte nicht schon mal mit dem Gedanken an eine eigene Burg gespielt – und bei ungebetenen Besuchern bleibt die Zugbrücke oben!

Spaß beiseite, die Hintergründe des Vorhabens sind ernsthaft und haben in der Burg von Saint-Fargeau ihren Ursprung. Diese wurde dereinst wissenschaftlich untersucht, wobei dem Besitzer die Idee kam, doch einmal selbst eine solche zu errichten, allein mit den Mitteln jener Epoche. Um das, was als historische Bausubstanz auf uns gekommen ist, besser verstehen zu können. Die Idee war in der Welt – und der Besitzer des Anwesens hartnäckig genug, um ein Team zu sammeln, das sein Vorhaben würde realisieren können.

Natürlich blühten anfangs Skepsis und Amüsement, doch Michel Guyot blieb tapfer, "2022 besuchten uns schon wieder mehr als 260.000 Gäste", erklärt Hein Koenen ebenso stolz wie hoffend, dass bald wieder vorcoronale Werte erreicht werden, "da waren es gut 300.000". Er ist seit 2006 dabei, gilt längst als Urgestein unter den rund 40 Festangestellten, zu denen sich in der sommerlichen Bausaison etwa 60 weitere gesellen.

Wir schlendern durch die Baustelle, im Schatten neben dem sieben Meter tiefen Brunnen hat sich eine Gruppe um einen passend gewandeten Handwerker versammelt, der just die verschiedenen Techniken der Maurer erklärt. "Erfahrungsgemäß hören sich rund 90 Prozent unserer Gäste diese Einführungen an", erklärt Hein. Diese werden zwar in französischer Sprache gehalten, die vielen Tafeln bieten allerdings auch englische Informationen. Deutschsprachige Führungen werden ebenfalls angeboten.

Stein um Stein entsteht die Burganlage

Allerdings hat es Charme, die Burgbaustelle auf eigene Faust zu erkunden, rote und grüne Wegweiser zeigen, wo man aktuell gehen darf, die bauliche Situation ändert sich stetig. "Mir kommt das regelrecht schnell vor, wie die Arbeiten inzwischen vorankommen", meint Hein lächelnd. Wir stehen am Steinbruch, mit Geschick und roher Gewalt werden die Blöcke zugerichtet, der eisenhaltige Sandstein ist hervorragend geeignet, aber auch extrem hart. "Außerdem steht man den ganzen Tag auf dem unebenen Geröllboden, das geht in die Knochen, für mich ist das nichts mehr", meint Hein.

Auch er hat hier alle Gewerke verrichtet, "und man ist stolz auf die eigene Arbeit, zu der das Erzählen und Erklären immer gehört", meint er, während wir einen der Steinmetze beobachten, der gerade einer Familie die Herstellung eines Buckelquaders beschreibt. Der schmale "Randschlag" verläuft exakt auf einer Ebene, die in der Mitte überstehende "Bosse" wird später abgetragen. Alles klar, man lernt eine ganze Menge!

"Aber auch wir lernen immer wieder dazu", erklärt Hein, wir sind inzwischen im Bergfried angelandet, die Rippen des Gewölbes bestaunend. "Es war ein echtes Problem, den Schlussstein zu kalkulieren", erklärt Hein, mit dem Finger auf die filigrane Konstruktion zeigend, die dennoch 120 Tonnen stemmt. "Wir sind schließlich zu anderen Burgen gereist, haben Vermessungen vorgenommen, Zeichnungen angefertigt – und so herausgefunden, dass Rippen und Schlussstein auf das hölzerne Gerüst aufgelegt werden und erst dann der jeweils oberste Stein vor dem Schlussstein auf Maß angefertigt und eingefügt wird. Als wir dann aber die Holzkeile herausschlugen, war uns allen ein bisschen bange. Doch es funktioniert, das Gewölbe steht sicher, auf Jahrhunderte." Hein hält kurz inne: "Ja, wir bauen, um zu lernen."

Ähnliches Projekt in Deutschland

Genauso handhabt man es inzwischen auch in Meßkirch im Landkreis Sigmaringen zwischen der Donau und dem Bodensee, wobei das Vorhaben "Campus Galli" noch sehr viel weiter in die Vergangenheit zurückreist. Denn wo man im Burgund ins frühe 13. Jahrhundert blickt, da griffen die Macher im Ländle zum "St. Galler Klosterplan", der im frühen 9. Jahrhundert auf der Insel Reichenau entstand und die ideale Gestaltung einer karolingischen Klosteranlage darstellt.

Auf dieser Basis entsteht nun ein originalgetreuer Nachbau, im Juni 2013 begannen die Arbeiten, wobei auch hier, und ganz im Sinne der experimentellen Archäologie, so weit als möglich zeitgenössische Baumaterialien und -methoden zum Einsatz kommen. Angestoßen wurde das Projekt vom Aachener Journalisten Bert M. Geurten, öffentliche Hilfen sollen die Lücke schließen, bis genügend Anziehungskraft erreicht ist, um die Finanzierung durch Eintrittsgelder zu gewährleisten.

Auch in Meßkirch steht nicht die Vollendung im Fokus, sondern der Weg dahin, auch hier wird mit reiner Handarbeit gewerkelt, werden Steine behauen, Balken zugerichtet, auf dem Richtplatz entstehen ganze Wände, die hernach wieder zerlegt zum finalen Ort ihrer Bestimmung gebracht und dort zusammengefügt werden. In Stein entstand anfangs nur die Mauer des Friedhofs. Doch auch steinerne Gebäude entstehen bereits, auch hier wird das Projekt im Laufe der Jahre wachsen, wobei die Kontakte ins Burgund stetig gepflegt werden. Man besucht sich regelmäßig gegenseitig.

Lars-Ole arbeitet derweil am Gerberbaum: "Das Schafsfell lag fünf Tage in der Aschelauge, jetzt schabe ich die Wolle ab, um die Rohhaut zu bekommen", erklärt der gelernte Schäfer, der seit 2015 an Bord des Projekts ist. "Ziege und Reh liefern feinere Qualität, das ist ideal für Buchpergament, die Schafhaut hingegen ist besser geeignet für die Kirchenfenster", erklärt er stolz, und schabt weiter, zwei Stunden insgesamt. In der Holzkirche sind die aufgespannten Häute an Stelle von damals unerschwinglichen Glasfenstern eingesetzt, trübes Licht schimmert ins Innere des Gebäudes, der Wind pfeift stramm zwischen den Balken hindurch.

Doch auch das gehört zum Charakter einer solchen Baustelle: Bei jedem Besuch kann man eintauchen in die Welt von damals, neue Dinge entdecken, auch wenn die Fortschritte gemächliche Tempi an den Tag legen. Das bietet freilich auch den Menschen auf der Baustelle die Möglichkeit, die alten Gewerke immer besser zu meistern. Das gilt für jeden Handschlag, für jede noch so kleine Arbeit an einem Stein, einem Balken oder auch nur einem Korb für den Mörtel. Man arbeitet mit den eigenen Händen, man schafft etwas, "erschafft", im gemessenen Rhythmus jenseits aller Stechuhren. Dies trägt nicht unerheblich zum besonderen Flair einer Experimentalbaustelle bei.

Die beiden Projekte, und nicht nur diese, liegen in Regionen, die für einen längeren Campingaufenthalt prädestiniert sind. Und so hat es seinen ganz besonderen Reiz, wenn man auf die Frage, wo man denn gewesen sei im Urlaub, antworten kann: "Wir waren im Mittelalter! War cool, und den Kindern hat’s auch gefallen!" Wäre das nicht eine Inspiration für die nächste Reise …?

Weitere Mittelalterbaustellen in Europa

Guédelon und Campus Galli sind die beiden wohl wichtigsten Vertreter mittelalterlich-experimentellen Bauens, doch auch in Kärnten oder an der tschechischen Grenze gibt es was zu entdecken.

  • Geschichtspark Bärnau-Tachov: Grenzen überschreiten, Geschichte lebendig machen! Das ist die Idee dieses Geschichtsparks mit seinen mehr als 30 mittelalterlichen Gebäuderekonstruktionen. Diese teilen sich auf in vier Siedlungsgruppen aus dem 8. bis zum 14. Jahrhundert, belebt wird das Ensemble regelmäßig durch Darsteller in historischer Gewandung, die rund um die Häuser altes Hand- und Hauswerk verrichten. Der Geschichtspark, ungefähr auf halber Strecke zwischen Nürnberg und Prag zu finden, dient auch der Forschung im Sinne experimenteller Archäologie.
  • Archaeo Centrum Bayern-Böhmen: Das binationale Projekt "Archaeo Centrum Bayern-Böhmen" des "Vereins Via Carolina – Goldene Straße" zielt in dieselbe Richtung. Beteiligt sind hier auch die Universitäten Bamberg, Pilsen und Prag, das Westböhmische Museum in Pilsen und das Museum des Böhmischen Waldes in Tachov. Die Schaubaustelle zeigt, wie mit mittelalterlichen Methoden und Werkzeugen Steinbauten entstanden – in diesem Fall ein Königshof Karls IV., von denen es entlang der Goldenen Straße mehrere gab.
  • Burgbau zu Friesach: Der Weg ist auch in Österreich das Ziel, in der Gemeinde Friesach will man zudem die Zeitalter überschreiten, unterschiedliche Bauphasen sind gesetzt. Dabei orientiert sich die rund 120 Kilometer westlich von Graz entstehende Burg an historischen Vorbildern, aktuell entsteht der Wohnturm im romanischen Stil, Besucher blicken also in die Zeit um 1200. Wohngebäude oder Burgkapelle werden dann dem gotischen Stil huldigen, das Projekt ist auf Jahrzehnte angelegt, wobei auch hier alte Techniken neu belebt werden, was Besuchern auch die Mühen eines mittelalterlichen Alltagslebens vor Augen führt.

Wohnmobil-Stellplatz-Tipps Guedelon

Camping Au Bois Joli

Familienfreundlicher, sehr ruhiger Platz mit passendem Namen "Zum Schönwäldchen", ebene und leicht abschüssige Parzellen, terrassiert, viel Schatten. Plätze bis 200 Quadratmeter, diverse Ferienunterkünfte (Zelt, Chalet, Mobilheim usw.), Freibad, Restaurant (in der Hochsaison), Brötchenservice bis an den Camper, WLAN im Preis inbegriffen. Bis Guédelon: 33 km. 4,5 ha, 88 Stellplätze, 20 Ferienunterkünfte. Saison: April bis November. 38–60 Euro (2 P./Mobil, Neben-/Hauptsaison).

Camping La Calanque

Ruhiger Platz mit Charme, ebene Parzellen, schattig, auf Waldboden und Rasen, Badestrand mit Kinderbereich und Bewirtung (ca. 30 m), Sanitäranlagen einfach bis modern (Sanierung läuft). Tipp: Im Navi "Camping Municipal" eingeben. Bis Guédelon: 8 km. 5 ha, 148 Stellplätze, 3 Ferienunter- künfte. Saison: Anfang April bis Ende September. 26–50 Euro (2 P./Mobil, Neben-/Hauptsaison).

Aire de Pique-nique

Gebührenfreier Stellplatz für 10 Mobile neben einer historischen Markthalle mit kleiner Toilettenanlage. Asphaltiert, mit Hecken abgetrennt, sehr ruhig, leicht abschüssig, beleuchtet. Am Platz: Ver- und Entsorgung. In der Nähe: Spielplatz, Einkehrmöglichkeiten, weitere Stellplätze auf dem offiziellen Parkplatz unter der Markthalle. Bis Guédelon: 13 km. Ganzjährig nutzbar.

Aire Municipale pour Camping-Car

Gebührenfreier Stellplatz für 20 Mobile hinter dem Friedhof. Geschottert, kein Schatten, Ver- und Entsorgung gegen Spende für die Dorfjugend. In der Nähe: Gastronomie. Bis Guédelon: 8 km. Ganzjährig nutzbar.

Wohnmobil-Stellplatz-Tipps Campus Galli

Campinggarten Leibertingen

Gut ausgestatteter Platz auf ebenem Gelände, überwiegend geschottert, am "Naturbad Thalheim", sehr ruhig. WLAN im Preis inbegriffen. Bis Campus Galli: 10 km. 2,5 ha, 50 Ferien- und Dauerstellplätze, 8 separate Reisemobil-Stellplätze. Saison: April bis Ende Oktober. 28,40–32,40 Euro (2 P./Mobil, Neben-/Hauptsaison).

Camping an der Ablach

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Neue Anlage mit autonomer Anmeldung mittels Formularen, Rezeption nur abends besetzt, Schranke durchgehend offen. Stellflächen auf Wiese/Schotter, kein Schatten. Verkehr der Bundesstraße 311 deutlich hörbar. WLAN im Preis inbegriffen. Bis Campus Galli: 5 km. 2 ha, 48 Ferien- und Dauerstellplätze. Ganzjährig geöffnet. 25,50 Euro (2 P./Mobil).  © Promobil

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