Ob Musizieren, Makramee, Modelleisenbahn: Früher hatte man noch Hobbys. Heute wollen sich immer mehr Menschen selbstverwirklichen und machen ihr Hobby zum Beruf. Doch das hat seine Tücken.

Anja Delastik
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Anja Delastik dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Die besten Hobbys sind jene, die uns am weitesten weg von unserem Beruf führen." Diesen Satz sagt Therapeutin Dr. Vogel zu ihrem Patienten, TV-Serienkiller Dexter. Und hat dabei vermutlich Menschen im Sinn wie den Lehrer, der in seiner Freizeit Harley fährt, den Zahnarzt, der Saxophon spielt, die Bankangestellte, die Crossfit macht. Ein Hobby ist dazu da, das Leben zu bereichern, Spaß zu haben, abzuschalten.

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Wozu arbeiten Menschen?

Nun, Dexter ist hauptberuflich Blutspritzer-Analyst bei der Mordkommission; in seiner Freizeit bringt er nicht minder blutig Bösewichte zur Strecke. Und auch im wahren Leben vermischen zunehmend mehr Menschen Beruf und Freizeit.

In unserer digitalisierten Zeit, in der Maschinen bestimmte Arbeiten besser verrichten als wir, beginnen viele, über den Sinn der Arbeit nachzudenken: Wenn die Arbeitswelt Menschen nicht mehr braucht, wozu brauchen Menschen die Arbeit?

Abschied von der Leistungsgesellschaft

Diese Sinnfrage läutet einen Umbruch ein, der die Arbeitswelt grundlegend verändern wird und den Trendforscher als "New Work" bezeichnen: Den Abschied von der rationalen Leistungsgesellschaft und der Beginn eines Zeitalters der Kreativökonomie, in dem die Potenzialentfaltung des Einzelnen im Mittelpunkt steht.

Gerade jüngere Leute leben diesen sogenannten Megatrend bereits. Für sie ist es wichtiger, sich mit ihrer Tätigkeit zu identifizieren, unabhängig von Vorbildung oder kommerziellem Erfolg. Die Chancen, auch ohne Diplom-Urkunden mit Autodidaktik und Leidenschaft zu punkten, waren jedenfalls noch nie so gut.

Mach, was du liebst

Der Satz "Do what you love and you’ll never work a day in your life" – "Mach, was du liebst, und du wirst keinen Tag deines Lebens arbeiten" ist zum Lebensmotto all jener geworden, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben oder davon träumen.

Dabei müsste er lauten: "Mach, was du liebst und du wirst keine Freizeit mehr haben, weil du nonstop ohne Pausen und Rücksicht auf dein Privatleben buckelst und dir alles extrem zu Herzen nehmen wirst."

Den Traum leben – und aufgeben

Das soll nicht bedeuten, dass es freudlos sein muss, sein Hobby zum Beruf zu machen, doch es hat seine Tücken. In Schrebergärten, Hobbykellern, auf Golfplätzen war man bisher frei von der Erwartung, damit seine Miete bezahlen zu müssen, konnte entspannen, abschalten. Doch Abschalten geht nicht mehr, wenn die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit verschwimmen.

Menschen, die ihr Hobby zum Beruf machen, leben ihren Traum – und geben ihn zugleich auf. Ohne bedingungsloses Grundeinkommen oder andere Sicherheiten, wird der Lebenstraum schnell von Erfahrungen getrübt, die damit einhergehen, wenn etwas Geliebtes zu Geld gemacht werden muss. Oder aber sie finden ein neues Hobby. Eines, das sie weit weg von ihrem Beruf führt und das nur dazu da ist, ihr Leben zu bereichern, Spaß zu haben, abzuschalten.

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