Wer online eine Reise bucht, kennt sie: Die Angebote, noch Mietwagen, Stadtführung und Versicherungen dazuzubuchen. Dabei verwenden die Websites Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung. Doch wir Kundinnen und Kunden können uns wehren.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wissen Sie, welcher Muskel beim Menschen am schnellsten erlahmt? Nein, nicht der Wadenmuskel beim Treppensteigen. Es ist der Entscheidungsmuskel. Unser Gehirn ist ein Wunderwerk, aber es verbraucht bei seiner Arbeit viel Energie. Entscheidungen zu treffen braucht besonders viel Gehirnleistung, deshalb geht unser Körper sparsam damit um.

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Die meisten Alltagsaufgaben lassen sich glücklicherweise mit Routine fast entscheidungsfrei bewältigen. Aber wer jemals nach einem anstrengenden Arbeitstag im Supermarkt vor den Dutzenden Sorten im Joghurtregal verzweifelt ist, weiß, wovon ich rede.

Reisebuchung: Schlechtere Konditionen für Versicherungen

Werbebranche und Marketing nutzen solche Erkenntnisse schon lange. Und natürlich auch die Erbauer von Reisebuchungs-Websites. Kürzlich fiel mir das wieder auf. Ich habe meinen Sommerurlaub online gebucht. Nach der Buchung der eigentlichen Reise – aber vorm Bezahlen – ploppt noch ein Mietwagen-Angebot auf. Abgelehnt. Dann noch ein Angebot für ein unvergessliches Abendessen zu zweit. Weggeklickt. Dann noch eine Stadtführung. Auch weg. Und dann noch eine Reiserücktrittsversicherung. Na, meinetwegen, kann nichts schaden.

Und schon bin ich reingefallen. Denn die Versicherungsangebote, die auf diesem Weg verkauft werden, haben häufig schlechtere Konditionen als Tarife, die man getrennt von der Reisebuchung kauft. Doch obwohl ich das alles eigentlich weiß, hat mein müdes Entscheidungsgehirn an dieser Stelle ausgesetzt.

Was ich daraus gelernt habe? Wenn mich eine Website mit Angeboten bombardiert, sollte ich die Notbremse ziehen und eine Pause machen – und erst entscheiden, wenn meine Synapsen wieder einsatzbereit sind.

Im Fall dieser Reiserücktrittsversicherung wäre die Entscheidung nach kurzem Nachlesen ganz einfach gewesen. Finanztest hat 2019 die damals verfügbaren Angebote auf Reisewebsites getestet. Fazit: Wer dort buchte, bekam häufig schlechtere Leistungen als die gängigen Tarife am Markt, oft auch noch mit Selbstbeteiligung.

Ein schlechter Deal sind auch die Komplett-Pakete aus mehreren Reiseversicherungen, die dort angeboten werden. Dort sind überflüssige Policen wie Reisegepäck- und Reisehaftpflichtversicherung enthalten. Wer ein solches Paket kauft, zahlt für Tarife, die er nicht braucht. Das zieht allerdings eine weitere Entscheidung nach sich: Welche Reiseversicherungen sind überhaupt sinnvoll?

Wichtigste Versicherung bei Reisen: Auslandskrankenversicherung

Diese Frage lässt sich zum Glück einfach beantworten (was mein denkfaules Gehirn entlastet). Essenziell ist bei Reisen ins Ausland nur eine Versicherung: die Auslandskrankenversicherung. Denn schon innerhalb der EU zahlen die Krankenkassen nicht alle Behandlungen, und ein Rücktransport aus dem Ausland wird in jedem Fall teuer. Eine Versicherung dagegen gibt es bereits für 8 Euro pro Person und Jahr.

Wichtig bei der Auswahl ist daher, die großen Kostenfallen zu entschärfen: Die Versicherung sollte keine verpflichtende Selbstbeteiligung enthalten und sie sollte eine Behandlung im Ausland unbefristet bis zur Wiederherstellung der Transportfähigkeit bezahlen, selbst wenn die maximale Reisedauer überschritten ist. Falls Kinder über 18 Jahre mitreisen, sollten Sie darauf achten, dass diese bei einer Familienversicherung mit eingeschlossen sind. Bei Finanztest gibt es eine kostenlose Checkliste, woran Sie einen guten Tarif erkennen.

Eine zweite Versicherung kann für einige Menschen sinnvoll sein: die Reiserücktrittsversicherung. Als Faustregel gilt: Je teurer die Reise, desto eher empfiehlt sich der Abschluss. Auch Familien mit kleinen Kindern und Senioren – beides Gruppen, die häufig kurzfristig krank werden – können mit dieser Versicherung gelassener planen.

Das wars auch schon. Der ganze Rest – Reisegepäckversicherung, Reisehaftpflichtversicherung – ist für die meisten Urlauber verzichtbar. Der Grund ist einfach: Die meisten Schadensfälle sind über andere Versicherungen abgedeckt. Da die Privathaftpflichtversicherung – die jede und jeder unbedingt haben sollte – im Urlaub ebenfalls greift, ist eine gesonderte Versicherung überflüssig.

Gepäck ist in vielen Fällen über Fluggesellschaft oder Bahn versichert, häufig auch über die Hausratversicherung. Nur wer keine Hausratversicherung hat, aber mit wertvollem Gepäck verreist, kann über eine Extra-Police nachdenken – aber erst, wenn die wichtige Auslandskrankenversicherung schon gebucht ist. Denn Sie wissen ja, das Gehirn ermüdet schnell.

Für meine nächste Onlinebuchung habe ich es mir ganz einfach gemacht. Meine Auslandskrankenversicherung ist ein Jahresvertrag, der sich von allein erneuert. Wenn das nächste Mal die Klickstrecken über mich herfallen, kann ich ohne Nachdenken alle Versicherungen ablehnen. Und das Beste: Dann habe ich noch genug Gehirnleistung übrig, um vorm Joghurtregal nicht verzweifeln zu müssen.

Über die Expertin: Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von "Finanztest" und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Das Verbrauchermagazin "Finanztest" gehört zur Stiftung Warentest, die seit 30 Jahren Finanzdienstleistungen testet. Test.de und "Finanztest" sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.
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