Der Vorgang ist ärgerlich, aber völlig legal: Kaum meldet man der Hausrat- oder Haftpflichtversicherung einen Schaden, schon flattert die Kündigung des Vertrags ins Haus. Doch ärgern hilft nicht – reden ist besser.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Ene, mene, muh, und raus bist du!" Diesen Reim aus Kindertagen hatte ich im Ohr, als mir die Kündigung meiner Privathaftpflichtversicherung ins Haus flatterte. Der Anlass war so banal wie ärgerlich: Meine Tochter hatte in ihrem Teenie-Leichtsinn das parkende Auto eines Nachbarn mit ihrem Fahrrad angefahren.

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Zwei Kratzer an der Seite mussten ausgebessert werden, und ich sage mal: Die Werkstatt hat sich nicht lumpen lassen. Meine Haftpflichtversicherung erhielt eine Rechnung über stolze 2.700 Euro.

Ein paar Monate später dann der schnöde Brief mit der Kündigung. Das Ärgerliche: Die Suche nach einer neuen Versicherung ist nicht so einfach, viele Unternehmen lehnen den Online-Antrag ab, wenn der vorige Versicherer gekündigt hat. Fündig wurde ich dann bei der Gesellschaft, bei der ich auch Hausrat- und Kfz-Versicherung hatte – allerdings mit einem kleinen Risikoaufschlag bei der Prämie.

Noch mehr ärgern musste ich mich, als ich später feststellte, dass der Ärger teilweise unnötig war. Denn wer Bescheid weiß und im Schadensfall rechtzeitig mit seiner Versicherung Kontakt aufnimmt, kann einige Untiefen umschiffen. Wie das genau geht, hat "Finanztest" – mit einem Musterbrief – hier zusammengestellt.

Fall 1: Versicherer spricht eine Kündigung aus

In meinem Fall hätte es im Gespräch mit dem Versicherer möglicherweise zwei Auswege gegeben. Da es bei einer Privathaftpflichtversicherung meist einfach ist, einen anderen günstigen Vertrag zu finden, hätte ich den Versicherer fragen können, ob er die Kündigung zurücknimmt und stattdessen akzeptiert, dass ich den Vertrag kündige. Das hat für mich den Vorteil, dass ich leichter und günstiger bei einer anderen Versicherung unterkomme.

Zweite Variante: Ich hätte versuchen können, eine Vertragsänderung auszuhandeln, etwa einen höheren Selbstbehalt oder den Ausschluss bestimmter Schäden. Das lohnt sich vor allem, wenn ein neuer Vertrag möglicherweise schwer zu bekommen ist – etwa bei der Wohngebäudeversicherung.

Fall 2: Kleineren Schaden selbst regulieren

Kleinere Schäden mit geringer Schadensumme können schon zur Kündigung führen. Bei Privathaftpflichtschäden bis etwa 300 Euro oder 400 Euro gilt dann abzuwägen, den Schaden nicht der Versicherung zu melden – und den Betrag selbst zu zahlen.

Fall 3: Beitragsrückstände schnell ausgleichen

Heikel wird es immer, sobald es um verpasste Zahlungen geht. Ob die Überweisung nicht rausgeht, weil der Dispo ausgereizt ist, die Rechnung nach einem Umzug an die alte Adresse ging oder ein Kontoumzug nicht geklappt hat – Gründe gibt es viele. Zwei Grundregeln sind wichtig: Der Versicherungsschutz besteht auf jeden Fall bis zum Ende der Zahlungsfrist der ersten Mahnung weiter – dann aber eventuell nicht mehr.

Und zweitens: Wenn Sie den Beitragsrückstand erst nach Ende der Zahlungsfrist bemerken, rufen Sie den Versicherer an und versuchen Sie, eine Nachzahlung auszuhandeln, bevor die Kündigung eintrudelt. Antworten auf viele Fragen rund um dieses Thema finden Sie hier.

Falls Sie finanziell in der Klemme sind: Versuchen Sie, auf jeden Fall die Beiträge zu wichtigen Versicherungen wie Autoversicherung, Privathaftpflicht- und Wohngebäudeversicherung (falls Sie im Eigenheim leben) weiterzuzahlen. Mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung kann über eine Beitragsstundung gesprochen werden. Im Notfall eher verzichtbar sind je nach Lebenslage beispielsweise Fahrradversicherung, Handy- und Brillenversicherung oder für ein älteres Auto eine Kaskoversicherung.

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Wichtig zu wissen: Es gibt nur wenige Ausnahmen vom Recht der Versicherung auf Kündigung. Das sind Verträge, die nur nach groben Verstößen des Versicherten gekündigt werden dürfen: etwa die Berufsunfähigkeits-, Kapitallebens- und Rentenversicherung oder eine private Krankenvollversicherung.

Deshalb gilt: Ob sich eine Kündigung abwenden lässt, ist Verhandlungssache, ein Recht darauf gibt es nicht. Doch schaden kann ein freundliches Telefonat oder eine höfliche Mail nicht. Mit etwas Glück können Sie am Ende den zweiten Teil des Kinderreims singen: "Raus bist du noch lange nicht, sag mir erst, wie alt du bist!"

Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von "Finanztest" und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Das Verbrauchermagazin "Finanztest" gehört zur Stiftung Warentest, die seit 30 Jahren Finanzdienstleistungen testet. Test.de und "Finanztest" sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.
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