Manche Menschen unterbrechen ihre Gesprächspartner gerne. Aber Männer tun es häufiger als Frauen - um Macht und Überlegenheit zu demonstrieren. "Mansplaining" ist der Fachbegriff dafür.

Anja Delastik
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Anja Delastik dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Reden hilft. Und Zuhören. Dann versteht man sich besser. Wie das nicht geht, zeigt jede beliebige politische Talkshow. Kaum hat ein Redner einen Satz begonnen, fällt ihm jemand ins Wort um anschließend seine Sicht der Dinge zu schildern.

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Die verbale Grätsche demonstriert Macht und Dominanz, sie soll dem Gesprächspartner mitteilen: Du bist mir unterlegen. Um das zu unterstreichen, verwendet ein notorischer Unterbrecher gerne komplizierte Wörter, wird laut oder plustert sich körperlich auf.

Bei Politikern, wo Geltungssucht und Überlegenheitsdenke zum Job-Profil zu gehören scheint, führt das häufig dazu, dass kaum jemand je einen Satz beendet.

Frauen quatscht man(n) häufiger dazwischen

Doch auch in Alltagssituationen kann man solche Nicht-Unterhaltungen beobachten und wir Frauen ahnen, was Sprachwissenschaftler bestätigen: Männer unterbrechen Frauen deutlich häufiger als umgekehrt, vor allem im Berufsleben.

Kaum ergreift frau das Wort, grätscht "Kollege Respektlos" oder "Vorgesetzter Unhöflich" dazwischen und erklärt ihr die Welt. Und lässt sie dabei ziemlich dumm dastehen.

"Mansplaining" nennt man das, eine Wortneuschöpfung aus "man" (engl. Mann) und "explaining" (engl. erklären). Das Oxford Dictionary definiert den Begriff als "herablassende und bevormundende Erklärung eines Mannes, typischerweise gegenüber einer Frau".

Es geht nicht darum, etwas besser zu wissen

Dabei geht der Mann fälschlicherweise davon aus, er wisse mehr über den Gesprächsgegenstand als sein Gegenüber. Wohlgemerkt: Fälschlicherweise. Es geht hier also nicht darum, tatsächlich etwas besser zu wissen und die Rednerin zu korrigieren, sondern um kommunikative Machtausübung. Bisweilen sogar unbewusst.

Viele Männer bemerken oft nicht einmal, dass Frauen die Verbalgrätsche als Schlag in die Magengrube empfinden. Das macht es nicht besser, bietet aber Ansatzpunkte, es zu ändern.

Wer ruhig bleibt, wird oft unterschätzt

Wieso passiert es überhaupt so oft? Vielleicht weil Männern beigebracht wurde, dass Brüllen und Rumpoltern erfolgversprechend oder zumindest nicht hinderlich sind. Und während sie lautstark ihre Meinung äußern, werden Frauen seit jeher zu Bescheidenheit und Zurückhaltung ermahnt.

Gerade im Job ist das fatal - und einer der Gründe, weshalb die ruhigeren Frauen oft unterschätzt und übersehen werden, auch bei Beförderungen.

Gleiches Rederecht für alle

Studien bestätigen, dass noch immer deutlich häufiger Männer (nicht nur von anderen Männern) ge- und befördert werden als Frauen - bei gleicher Qualifikation. Aber Gleichberechtigung bedeutet auch verbale Chancengleichheit.

Also, liebe Männer, lassen Sie uns ausreden! Und an Frauen und Männer gleichermaßen die Bitte: Unterbrechen Sie Männer, die Frauen unterbrechen. Ansonsten, nein, sowieso gilt: Frauen müssen lauter werden, im wörtlichen und im übertragenen Sinn. Denn nur dann überhört und übersieht man sie nicht mehr.

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