Eine "Pogromstimmung" beklagte Claus Weselsky – und vergriff sich damit gehörig im Ton. Es ist nicht der erste Fehltritt des GDL-Chefs. Doch weil er sich für die Mitglieder der Gewerkschaft stark macht, dürften sie ihm wohl verzeihen.

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Claus Weselsky hat es schon wieder getan. Der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sorgt mit einer umstrittenen Äußerung für Furore – und das nicht zum ersten Mal. "Es geht gar nicht um mich, aber in der Öffentlichkeit wurde gezielt von interessierter Seite eine Pogromstimmung gegen die GDL und ihre Mitglieder erzeugt", hatte Weselsky dem Kölner "Express" gesagt.

Weselsky ist angespannt. Seit Wochen schwelt der Konflikt mit der Bahn und eskaliert regelmäßig, wenn die Lokführer wieder für Tage ihre Züge stillstehen lassen. Die Kritik trifft dann vor allem den Chef: Weselsky, das Gesicht des Streiks. Anfang November schaltete er sogar die Polizei ein, als er seine Privatsphäre bedroht sah. Aber rechtfertigt der Druck auch derartige verbale Ausrutscher?

Schon 2010 war Weselsky mit einer ähnlichen Aussage aufgefallen

Erst vor wenigen Monaten hatte der GDL-Chef für Empörung gesorgt: "Wenn sich zwei Kranke ins Bett legen und ein Kind zeugen, dann kommt von Beginn an was Behindertes raus", sagte er im August. Gemeint waren damit die Konkurrenzgewerkschaft EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) und der Bahn-Konzern. Als die Kritik nicht enden wollte, entschuldigte sich Weselsky öffentlich.

Dabei ist der Satz alles andere als neu. Fast wortgleich hatte Weselsky schon 2010 von zwei Kranken und der Gefahr eines Pflegefalls gesprochen, wenn beide zusammen ins Bett gingen. Damals meinte er die Fusionspläne der Gewerkschaften GDBA und Transnet. Nur Monate später schlossen sich beide zur EVG zusammen.

Lokführer sehen GDL-Image weniger kritisch als Öffentlichkeit

Markus Voeth hält solche Aussagen für wenig geschickt. "Weselsky liefert damit den Verhandlungspartnern Material in die Hand, das sie ausschlachten können", sagt der Marketing-Professor der Universität Hohenheim. Zudem entstehe ein Kollateralschaden in der Öffentlichkeit. Dort wird die Gewerkschaft auch so schon teilweise als starrköpfig und ihre Forderungen als überzogen wahrgenommen.

Anders sieht es hingegen in den Reihen der Lokführer aus. Denn dank seiner sturen Linie in den Verhandlungen habe Weselsky nicht wenige Mitglieder überzeugen können. "Die GDL hat gezeigt: Sie ist bereit, mit allen Mitteln für die Interessen ihrer Zielgruppe zu kämpfen", sagt Voeth. Und wer kämpft, dem verzeihe man auch leichter, wenn er über das Ziel hinausschießt.

Aber: Auch ein Lokführer steht in der Öffentlichkeit und wird mit den Aussagen seines Verhandlungsführers konfrontiert. Wenn also das Image der GDL in der Bevölkerung leidet, müsse sich Weselsky mitunter auch Kritik im eigenen Lager stellen, vermutet Voeth.

Auch Weselskys Vorgänger konnte aufbrausend sein

Und die gab es durchaus schon. Als die Gewerkschaft vergangene Woche das Angebot der Bahn für eine Schlichtung ablehnte, befürchtete Reiner Hoffmann, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), "dass die Gewerkschaften insgesamt einen großen Imageschaden erleiden".

Kritik kam da auch von Weselsky-Vorgänger Manfred Schell. "Der ehrbare Lokführer erleidet einen Imageschaden wie nie in seiner Geschichte", sagte er. Dabei war Schell selbst nicht gerade für seine ruhige Art bekannt. Claus Weselsky jedenfalls steht ihm da in nichts nach.

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