Der bisherige Regionaldirektor von UNICEF Garry Conille soll Haiti als Ministerpräsident der Übergangsregierung aus der Krise führen. Der Übergangs-Präsidialrat des Karibikstaates wählte ihn am Dienstag einstimmig, wie Ratspräsident Edgard Leblanc Fils auf der Plattform X mitteilte.

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Conille ist seit Anfang 2023 Regionaldirektor des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen für Amerika und die Karibik. Der Mediziner hatte zuvor verschiedene Positionen bei den Vereinten Nationen inne und war bereits von September 2011 bis Mai 2012 Ministerpräsident Haitis. Nun soll er inmitten einer schweren Krise mit politischen Konflikten, Sicherheits- und Versorgungsproblemen in seinem Heimatland als Regierungschef den Weg zu den ersten Wahlen seit 2016 ebnen.

Eskalation der Gewalt im Februar

Haiti leidet seit Jahren unter der Gewalt schwer bewaffneter Banden, die die Hauptstadt Port-au-Prince weitgehend kontrollieren. Ende Februar eskalierte die Lage, als eine Allianz mehrerer Banden die Stadt mit einer Serie von Gewaltakten lahmlegte. Sie hinderten den damaligen Interimsministerpräsidenten Ariel Henry an der Rückkehr von einer Auslandsreise und zwangen ihn zum Rücktritt.

Kein Staatschef im Land seit 2021

Die Einrichtung des Übergangs-Präsidialrats wurde am 11. März bei einem Treffen der Karibischen Gemeinschaft Caricom in Jamaika mit Beteiligung von US-Außenminister Antony Blinken beschlossen. Der Rat wurde Ende April vereidigt.

Seit der noch immer nicht vollständig aufgeklärten Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse im Juli 2021 hat Haiti keinen Staatschef mehr. Auch ein Parlament gibt es wegen ausgefallener Wahlen nicht.

Kinder von Hungersnot und Traumata bedroht

Haiti teilt sich mit der Dominikanischen Republik die Insel Hispaniola. Etwa die Hälfte der rund elf Millionen Einwohner Haitis leidet unter akutem Hunger. UNICEF berichtet von mehr als 58.000 Kindern, die akut von einer Hungersnot bedroht sind. Hundertausende von Menschen sind im eigenen Land auf der Flucht vor der Bandengewalt und Suche nach Schutz.

Die Situation vor Ort ist laut UNICEF dramatisch: Viele Menschen fühlen sich zu Hause nicht mehr sicher, immer wieder verletzen verirrte Kugeln Menschen auch in ihren eigenen vier Wänden. UNICEF zeigt sich besorgt über sich ausbreitende Krankheiten wie Cholera und immer mehr Fälle von Mangelernährung bei Kleinkindern. Zudem sind viele der Kinder durch die erlebte Gewalt und Unsicherheit oft traumatisiert und erhalten durch UNICEF dringend benötigte psychosoziale Betreuung.

Der Beginn einer internationalen Sicherheitsmission in Haiti unter Führung kenianischer Polizisten und mit Unterstützung der USA wird in Kürze erwartet, hat sich aber zuletzt mehrfach verzögert. (dpa/cm)

Verwendete Quellen:

  © dpa

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