Knapp bei Kasse, aber noch ein bisschen Energie übrig – also schnell einen Nebenjob klarmachen? Immer mehr Menschen überlegen, ob sie die steigenden Preise durch Zusatzarbeit auffangen. Das lohnt sich noch mehr, wenn man drei Fallen vermeidet.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Nebenjobs sind in meinem Bekanntenkreis gerade ein heißes Thema. Das Leben wird teurer, gleichzeitig hängen überall "Aushilfen gesucht"-Zettel herum. Da kommen selbst eingefleischte Party People ins Grübeln, ob sie am Wochenende lieber Kisten schleppen als tanzen zu gehen – wenigstens ein paar Monate lang.

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Bei solchen Debatten nicke ich erst heftig und schalte mich dann irgendwann unauffällig ein mit der Frage, ob denn auch alle an die drei Todesklippen gedacht haben. Okay, das ist ein bisschen übertrieben, denn hier geht es nur um Geld, nicht um Leben, aber immerhin hören jetzt alle zu.

Die Klippen, die ich meine, sind fiese Fallen, die das Steuer- und Abgabensystem für ahnungslose Nebenjobber bereithält. Wer sie kennt, holt mehr raus aus seinem Nebenjob – und arbeitet für sich selbst statt für Finanzamt und Krankenversicherung.

Klippe 1: Die 520-Euro-Grenze

Die bekannteste und wichtigste Klippe ist die Minijob-Grenze von 520 Euro. Wer angestellt ist und unter dieser Grenze bleibt, kann arbeiten, ohne dass er oder sie Sozialabgaben – also Beiträge zu Renten-, Arbeitslosen- und Kranken- und Pflegeversicherung – und Steuer zahlen muss. Denn für den Verdienst werden nur pauschal 2 Prozent Lohnsteuer fällig, aber die übernimmt häufig der Arbeitgeber.

Das führt dazu, dass das Überschreiten dieser Grenze einem Sprung über eine Klippe gleichkommt – Bruchlandung teilweise inklusive. In ungünstigen Fällen kann es passieren, dass von einem deutlich höheren Bruttolohn netto am Ende weniger übrigbleibt als beim Minijob, weil die Abgaben das Plus auffressen. "Finanztest" hat das für Beispielfälle durchgerechnet.

Weniger bekannt ist die Einkommensgrenze für Midijobs: Wer in Haupt- und Nebenjob zusammen weniger als 2.000 Euro brutto pro Monat verdient, zahlt geringere Sozialversicherungsbeiträge. Liegt das Einkommen darüber, werden die Beiträge in voller Höhe fällig. Einkommensteuer fällt ohnehin an und zwar für den Zweitjob immer in der ungünstigen Steuerklasse VI.

Klippe 2: Die 70-Tage-Regel

Nur ein paar Wochen jobben? Kein Problem mit der 70-Tage-Regel für Saisonjobs. Damit spart man zwar keine Steuern, aber immerhin die Sozialabgaben, die knapp 20 Prozent vom Bruttolohn abzwacken.

Um von Sozialabgaben befreit zu werden, muss ein Saison- oder Aushilfsjob bei einer Fünf-Tage-Woche von Anfang an auf drei Monate am Stück oder 70 Arbeitstage im Jahr begrenzt sein. Das muss im Vertrag geregelt sein. Fällt man von dieser Klippe, indem man die 70 Tage oder drei Monate überschreitet, muss man die gesamten Sozialabgaben nachzahlen.

Wegen Inflation: So viele Deutsche denken über Nebenjob nach

Wegen der deutlich gestiegenen Preise wird ein Drittel der Deutschen nach eigener Einschätzung ihr Einkommen durch Nebenjobs aufbessern müssen. Das hat eine im Juli durchgeführte Erhebung der Wirtschaftsauskunftei "CRIF" ergeben.

Und weil die Frage immer kommt: Nein, direkt im Anschluss einen ähnlichen Vertrag nochmal unterschreiben, zählt nicht. Das bekommen die Sozialversicherungsträger ganz schnell mit und Sozialleistungsbetrug ist kein Kavaliersdelikt.

Klippe 3: Die 22.000-Euro-Umsatzgrenze für Selbstständige

Zugegeben, von dieser Klippe fällt man nicht so leicht runter. Im Kopf behalten sollte man sie trotzdem, wenn der Nebenjob eine selbstständige Tätigkeit ist – und davon gibt es viele: Lehrerinnen und Lehrer, die nebenher Nachhilfe geben, Handarbeitstalente, die ihre Kreationen verkaufen, Stadtführer und Malerinnen, Autorinnen, Musiker und Handwerkerinnen, um nur einige zu nennen.

Kleine Selbstständige können sich vom Umsatzsteuerabzug befreien lassen. Das heißt, dass sie auf ihren Rechnungen keine Umsatzsteuer aufschlagen und ans Finanzamt abführen. Das kann eine Menge Arbeit sparen.

Wer mit seinen Nebentätigkeiten mehr als 22.000 Euro im Jahr an Umsatz macht, gilt nicht mehr als Kleinunternehmer und muss im Folgejahr regelmäßig Umsatzsteuer-Vorauszahlungen leisten. 22.000 Euro ist eine Menge Geld für einen Nebenjob. Wer nebenher ein paar Häkelschafe auf Etsy verkauft, dürfte nicht in diese Höhen kommen – Nebenerwerbskünstlerinnen, die eine Erfolgssträhne haben, schon eher.

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Denn Umsatz ist ein weiter Begriff, dazu zählen alle Einnahmen aus der Nebentätigkeit, ganz gleich, aus welcher Quelle. Eine befreundete Malerin, die halbtags angestellt ist, fiel zum Beispiel über die Klippe, als bei ihr zu den Einnahmen aus Zeichenkursen und Fernsehhonoraren noch gute Verkäufe ihrer Bilder kamen. Im folgenden Jahr musste sie zunächst Umsatzsteuervorauszahlungen berappen, bis sie das Finanzamt davon überzeugt hatte, dass sich die Glückssträhne des Vorjahres nicht fortsetzte.

Die Beispiele zeigen: Nebenjobs sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sie ausüben. Wer seinen Zweitjob nutzt, um eine Selbstständigkeit vorzubereiten, stößt auf andere Klippen als jemand, der sich zusätzliches Geld für den nächsten Urlaub wünscht oder als eine Dritte, die dauerhaft ihre Haushaltskasse auffüllen möchte. So oder so – meine Mission ist erfüllt, wenn in meinem Bekanntenkreis kein Nebenjobber von irgendeiner Klippe fällt.

Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von "Finanztest" und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Das Verbrauchermagazin "Finanztest" gehört zur Stiftung Warentest, die seit 30 Jahren Finanzdienstleistungen testet. Test.de und "Finanztest" sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.
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