Vom elektronischen Personalausweis hatte ich bisher keine gute Meinung. Liest man nicht ständig, dass er kaum akzeptiert wird, umständlich ist und meistens überflüssig? Dann habe ich ihn ausprobiert – und eine Überraschung erlebt.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Neulich wollte ich ein Festgeldkonto eröffnen, die gestiegenen Zinsen lockten mich zu einer neuen Bank. Die Sache wäre fast gescheitert, denn: Ich hing immer wieder in der Warteschlange für das Video-Identifikationsverfahren fest, ohne zu einem Mitarbeiter durchzukommen. Offenbar war ich nicht die Einzige, die sich gute Zinsen sichern wollte.

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Dann kamen zwei Zufälle zusammen. Zufall eins: Beim ziellosen Herumklicken auf der Webseite der Bank fiel mein Blick auf den unscheinbaren Text mit dem Titel "Weitere Identifikationsverfahren". Dort las ich die sperrigen Worte "Digitale Legitimation mit eID" – was mich zu Zufall zwei führte: Es klingelte tief in meinem Kopf, denn kurz vorher war mir bei der Suche nach irgendwelchen Unterlagen ein Behördenbrief aus dem Jahr 2016 in die Hände gefallen, in dem es ebenfalls um diese geheimnisvolle eID ging: den elektronischen Personalausweis.

E-Perso: Digital ausweisen

Das war der Moment, in dem ich zum ersten Mal eine Ahnung davon hatte, dass der E-Perso womöglich nützlich sein könnte. Bis dahin speiste sich meine Meinung – oder besser mein Vorurteil – über die digitale Variante des Ausweises aus Artikeln, die ich oberflächlich gelesen hatte und die meist beklagten, das Verfahren sei umständlich und habe kaum praktischen Nutzen.

Etwas Überwindung kostete es mich dann aber doch, tatsächlich loszulegen. In meinem Kopf war alles, was mit dem E-Perso zusammenhing, wie ein riesiges verworrenes Wollknäuel, das ich erst Knoten für Knoten auflösen muss, bevor ich loslegen kann.

Nach einem weiteren vergeblichen Anlauf beim Video-Ident-Verfahren war ich reif für das Abenteuer E-Perso. Ich suchte den Brief heraus, den ich 2016 bekommen hatte, als ich meinen neuen Perso beantragte. Allein, dass ich diesen Brief überhaupt noch habe, verschafft mir eine gewisse Befriedigung. Seit 2016 bin ich dreimal umgezogen und jedes Mal überlegte ich kurz, den Brief wegzuwerfen – nur um ihn doch noch einmal mitzuschleppen. Nun könnte sich das gelohnt haben.

Lässt sich der Brief mit der Original-PIN nicht mehr finden, ist die Sache schwieriger: Dann muss man zum Bürgeramt, um ein neue PIN zu beantragen. Bis Ende 2023 gab es eine einfache Möglichkeit, die PIN online zu bestellen und per Brief zu erhalten – doch diese Option hat das Bundesinnenministerium leider aus Spargründen gestrichen.

In meinem Fall liegt der Brief nun vor mir, ich muss die PIN nur noch mit einer Münze freirubbeln. Das allein genügt aber nicht, ich brauche ein zweites Sicherheitsverfahren: ein Handy, das den Personalausweis auslesen kann oder ein Kartenlesegerät, das man an den PC anschließt. Ich entschied mich fürs Handy.

E-Perso aktivieren: Einfacher als gedacht

Einmal tief durchatmen, erfahrungsgemäß können hier technische Probleme lauern. Also: "Ausweis App Bund" installieren, App starten. Und: Kaum zu glauben, es ist ganz einfach. Die App prüft erst, ob das Handy die technischen Voraussetzungen hat, dann ob der Ausweis lesbar ist – dafür muss ich den Ausweis oben ans Smartphone halten – und ruck-zuck steht die Verbindung.

Jetzt noch die richtige Stelle finden, an der ich meine kostbare PIN eingeben kann – Transport-PIN heißt die fünfstellige Zahlenfolge aus dem Brief im Behördenjargon – und schon geschafft: Der E-Perso ist aktiviert. Das ging einfacher als gedacht.

Jetzt klappt es auch mit der neuen Bank. Dafür brauche ich zwar noch eine weitere App, aber das ist jetzt, wenn ich schon mal dabei bin, kein Hindernis mehr.

Weiterentwicklung des elektronischen Personalausweises gestoppt

Umso bedauerlicher, dass die Bundesregierung nicht nur die einfache Möglichkeit abgeschafft hat, sich eine neue Transport-PIN nach Hause schicken zu lassen, sondern gleich auch noch die Weiterentwicklung der elektronischen Personalausweise gestoppt hat: den vollständig digitalen Ausweis, der im Smartphone gespeichert werden kann.

Bisher muss man jedes Mal den Ausweis ans Handy halten, um sich digital auszuweisen. Die Weiterentwicklung sah vor, dass die Ausweisdaten auf dem Sicherheitschip des Smartphones gespeichert werden und von dort direkt ausgelesen werden können – nur von Inhabern eines staatlichen Zertifikats allerdings. Da die Sicherheitsanforderungen hoch sind, dauerte die Entwicklung viel länger als geplant. Wegen der Sparzwänge wurde sie vorerst ganz auf Eis gelegt.

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Seit ich die E-Perso-App auf meinem Handy habe, finde ich das noch bedauerlicher. Denn eines steht fest: Wenn weiterhin so wenig Menschen die digitalen Funktionen überhaupt aktivieren, werden sich auch keine Unternehmen finden, die den E-Perso als Identifikationsmöglichkeit anbieten. Was schade ist, weil die Identifikation per E-Perso sogar etwas sicherer ist als das Video-Ident-Verfahren.

Ich lösche die App trotzdem nicht. Wenn ich aus den vergangenen Jahren eins gelernt habe: Bei der Digitalisierung in Deutschland ist Geduld alles.

Über die Autorin

  • Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von "Finanztest" und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Das Verbrauchermagazin "Finanztest" gehört zur Stiftung Warentest, die seit 30 Jahren Finanzdienstleistungen testet. Test.de und "Finanztest" sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.

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