Wenn der Steuerbescheid kommt, ist die erste Frage, wie die entscheidende Summe aussieht: Rückzahlung, Nachzahlung – mehr oder weniger als erwartet? Doch es gibt noch eine zweite wichtige Entscheidung: Sind Fehler drin? Lohnt sich ein Einspruch? Ich habe getestet, wann sich Widerspruch gegen das Finanzamt lohnt.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wenn der Steuerbescheid da ist, gibt es mehrere Strategien, damit umzugehen. Die angenehmste, aber auch teuerste ist, einen Steuerberater zu bitten, sich um alles zu kümmern.

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Unter uns Selbermachern gibt es drei Gruppen:

  • Die meisten folgen wohl der "Augen zu und durch"-Strategie, bei der man nur kurz auf die entscheidende Zahl auf der ersten Seite linst, ob die Rück- oder Nachzahlung ungefähr im Bereich des Erwarteten liegt und den Steuerbescheid dann auf Nimmerwiedersehen abheftet.
  • Die "Ich will wissen, was ist"-Fraktion dagegen guckt sich alle Seiten des Bescheids an, versteht mehr oder weniger viel und heftet ab.
  • Und dann gibt es noch die rebellische "Ich lass mich doch nicht veralbern"-Gruppe, die dem Finanzamt nichts durchgehen lässt, den Bescheid Punkt für Punkt liest, mit den eingereichten Unterlagen vergleicht und bei der geringsten Abweichung Einspruch einlegt.

Seit ich mich beruflich mit diesen Themen beschäftige, habe ich eine rasante Entwicklung von "Augen zu und durch" zum Rebellen-Stadium hinter mir. Wer mir zusieht, wie ich den Steuerbescheid lese, könnte annehmen, dass ich ein gewisses Vergnügen an Zahlen und umständlichem Behördendeutsch habe. Weit gefehlt. Was mich antreibt, ist der Robin-Hood-Gedanke: die Vorstellung, dass ich kleine Steuerzahlerin dem großen Finanzamt ein Schnippchen schlagen könnte – quasi eine Rebellion im Miniaturformat.

Einfach wird es mir ohnehin nicht gemacht, denn die Frist für den Einspruch ist knapp bemessen: Einen Monat gibt das Finanzamt Zeit, dann muss der Einspruch elektronisch oder per Post dort vorliegen.

Schritt 1: Sofort loslegen

Das Wichtigste ist daher, sich den Steuerbescheid sofort vorzuknöpfen, sobald er eintrudelt. Zuerst rechne ich die Frist aus, die mir bleibt. Auf den Versandtermin rechts oben auf dem Steuerbescheid schlägt das Finanzamt drei Tage Postlaufzeit drauf. Von diesem Tag an ist exakt ein Monat Zeit.

Endet die Frist am Wochenende oder einem Feiertag, verlängert sie sich bis zum nächsten Werktag. Mit einem Kalender kann das jeder selbst abzählen, einfacher geht es aber mit dem Fristenrechner von "Finanztest".

Schritt 2: Steuerbescheid überprüfen

Jetzt kommt die Feinarbeit: Um herauszufinden, ob der Steuerbescheid Fehler enthält, muss ich ihn überprüfen. Da ich mit einem Steuerprogramm arbeite, ist der Abgleich zwischen dem, was ich eingereicht habe und dem, was im Bescheid steht, einfach: Das Programm meldet sich, wenn es eine Ungereimtheit entdeckt.

Auch das Finanzamt-Portal Elster hält diese Funktion bereit. Was die elektronischen Helfer nicht finden, sind Fehler, die ich schon beim Eintragen gemacht habe. Wenn ich etwa Daten des Vorjahres unverändert gelassen habe, obwohl ich mehr hätte absetzen können. Solche kritischen Stellen - wie etwa Werbungskosten oder Vorsorgeaufwendungen - sehe ich mir jetzt noch einmal genau an.

Schritt 3: Bei Fehlern Einspruch schreiben

Ob Zahlendreher oder gleich ein ganzer Ausgabenposten, den das Finanzamt nicht anerkannt hat: Wer glaubt, dass im Steuerbescheid ein Fehler ist, sollte das in einem Einspruch darlegen. Das ist gar nicht so schwierig. "Finanztest" hat einen Musterbrief aufgesetzt, der sich für viele Fälle eignet.

In einigen Fällen gibt es noch weitere Vorbilder: Manchmal laufen bereits Klagen vor Gerichten, denen sich alle anschließen können, auf die dieser Fall zutrifft. Wird der Pilotfall zugunsten der Kläger entschieden, profitieren alle davon, die sich bei ihrem Einspruch auf diese Klage berufen haben. Geht es zugunsten der Finanzbehörden aus, ändert sich nichts. Hier gibt es eine Liste mit Musterprozessen, die für Familien, Angestellte oder Immobilieneigentümer interessant sein können.

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Schritt 4: Rechtzeitig abschicken

Klingt banal, ist aber der entscheidende letzte Schritt: Wenn der Brief fertig ist, muss er allerspätestens am letzten Tag der Einspruchsfrist beim zuständigen Finanzamt eintreffen – sonst dürfen die Finanzbeamten ihn ignorieren. Und das wäre jammerschade. Wer will mit seiner Mini-Rebellion schon an einem Datum scheitern?

Zur Person: Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von "Finanztest" und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Das Verbrauchermagazin "Finanztest" gehört zur Stiftung Warentest, die seit 30 Jahren Finanzdienstleistungen testet. Test.de und "Finanztest" sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.
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