Wer ein bisschen Geld auf der hohen Kante hat, kennt das Problem: Die Inflation frisst die ohnehin mickrigen Zinsen auf. Da heißt es, das Beste rausholen. Aber wie? Meine Strategie hat etwas mit Fitnesstraining zu tun.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Lassen Sie nie eine Treppe aus, jede Stufe verlängert Ihr Leben", sagt mein Hausarzt immer. Genau genommen hat er das schon so oft gesagt, dass ich inzwischen sogar dann die Treppe nehme, wenn der Aufzug mit offener Tür wartet. Längeres Leben klingt einfach verlockend, was sind da schon ein paar Treppenstufen.

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Sie können sich vorstellen, wie erfreut ich war, als ich erfahren habe, dass man auch bei Zinsanlagen mit der Treppenstrategie ziemlich weit kommt in Zeiten wie diesen, wo die Zinsen steigen, und niemand weiß, was nächstes Jahr sein wird. Treppen? Kein Problem, damit kenne ich mich aus.

Tatsächlich ist die Treppenstrategie kaum schwieriger als der Gang vom Erdgeschoss in den ersten Stock. Und das Beste: Sie funktioniert auch für alle, die im echten Leben lieber den Aufzug nehmen. Die Grundidee: In Zeiten steigender Zinsen legt man nicht das ganze Geld auf ein einziges Zinskonto, sondern verteilt es.

Stopp, noch mal eine Stufe zurück. Warum lege ich in Festgeld an, wenn die Zinsen niedriger sind als die Inflationsrate? Wegen der Sicherheit. Selbst Aktienfans fahren langfristig besser, wenn sie einen Teilbetrag so anlegen, dass die Summe nicht dramatisch schwankt – denn Aktien im falschen Moment zu verkaufen, nur weil man etwas Geld braucht, kann hohe Verluste bringen. Je nach Sicherheitsbedürfnis ein Viertel, die Hälfte oder drei Viertel der Spargroschen in Festgeld anlegen, also auf einem Konto, das für eine fest vereinbarte Laufzeit einen festgelegten Zinssatz bringt.

Ein weiterer Festgeld-Kandidat ist Erspartes, das in einigen Jahren für einen Haus- oder Wohnungskauf zur Verfügung stehen soll. Gerade wenn die Inflation so hoch ist wie derzeit, sollte dieses Geld nicht auf einem Sparbuch mit null Prozent Verzinsung herumliegen, aber es soll auch nicht fünf Jahre lang fest angelegt sein, wenn die Zinsen möglicherweise noch weiter steigen. Deshalb: Ab auf die Treppe.

Einfaches Prinzip für unsichere Zeiten

Das Prinzip ist simpel. Ich verteile meine Spargroschen gleichmäßig auf mehrere Treppenstufen: Auf der ersten Stufe liegt ein Bündel, das ich mit einer Dauer von einem Jahr fest anlege. Dann folgt die nächste Stufe mit zwei oder drei Jahren, und dann eine Stufe mit längerer Laufzeit von drei oder fünf Jahren. Fertig ist die Treppenstrategie. Der Vorteil: Falls die Zinsen steigen, kann ich die kürzer laufenden Gelder bei nächster Gelegenheit neu anlegen und den Anstieg mitnehmen.

Jetzt fehlt nur noch ein gutes Zinsangebot, das gleichzeitig seriös und sicher ist. Gerade bei diesem zentralen Baustein meiner Ersparnisse möchte ich nicht auf Betrüger hereinfallen oder durch einen Bankencrash in einem finanzschwachen Land mein Geld verlieren.

Vorsicht vor Lockvogel-Angeboten

Eine erste Vorsichtsmaßnahme: Ich haue mir selbst auf die Finger, wenn ein Angebot zu gut ist, um wahr zu sein. So verlockend hohe Zinsen auch sein mögen: Sind sie deutlich höher als bei den meisten anderen Anbietern, ist Vorsicht geboten. Es könnte sich möglicherweise um einen Betrugsversuch handeln. Einen ersten Anhaltspunkt liefert die Warnliste von "Finanztest", auf der wir die bereits entdeckten betrügerischen Angebote sammeln. Doch leider kommen immer wieder neue hinzu.

Vorsicht vor finanzschwachen Staaten

Zweite Vorsichtsmaßnahme: Ich lege mein Geld nur in Banken aus Ländern an, deren Finanzlage erwarten lässt, dass sie im Fall einer Bankenpleite die zugesagte Einlagensicherung tatsächlich schultern können. Finanztest empfiehlt nur Tages- und Fest­geld­angebote von Banken und Ländern mit sehr guter Wirt­schafts­kraft. Auch bei den Zinsangeboten, die Finanztest tagesaktuell zusammenstellt, sind nur diese Länder enthalten.

Dann noch ein bisschen Verwaltungsarbeit: Eventuell ein neues Konto eröffnen, das Geld gut anlegen und ein Jahr lang zurücklehnen, bis die unterste Stufe fällig wird. Nein, nicht ganz zurücklehnen. Aufzüge ignoriere ich weiterhin, wo immer es geht, und nehme stattdessen die Treppe.

Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von Finanztest und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Das Verbrauchermagazin "Finanztest" gehört zur Stiftung Warentest, die seit 30 Jahren Finanzdienstleistungen testet. Test.de und "Finanztest" sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.
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