Noch immer ist humanitäre Hilfe in weiten Teilen der Welt unerlässlich. Anlässlich des Welttags der humanitären Hilfe beleuchtet UNICEF diese Arbeit bei einer außergewöhnlichen Impfkampagne in einer preisgekrönten Dokumentation.
Als im Sommer 2024 seit langem wieder ein Fall von Kinderlähmung bei einem elf Monate alten Baby im Gazastreifen auftrat, reagierte UNICEF sofort. Es war klar, dass so viele Kinder wie möglich gegen das Virus geimpft werden müssen, um eine Ausbreitung zu vermeiden.
Denn die Bedingungen, die durch den Krieg im Gazastreifen herrschen, sind für das Virus ideal: schlechte hygienische Umstände und eine kaputte Wasser- und Sanitärinfrastruktur.
Doch eine Impfkampagne während eines Krieges durchzuführen, ist ein kompliziertes Unterfangen. Die Hamas und israelische Regierung hatten einer vorläufigen Waffenruhe damals zugestimmt, sodass Impfungen in vorher bestimmten Gebieten durchgeführt werden konnten.
Wie bekommt man Impfstoff in ein Kriegsgebiet?
Eine große Herausforderung war die fachgerechte Lieferung des Impfstoffes, so schilderte es Laura Bill, stellvertretende UNICEF-Sonderbeauftragte für die Palästinensergebiete, im September 2024 in einem Interview mit der "Zeit". Der Impfstoff muss bei zwei bis acht Grad gelagert werden, ansonsten wird er unbrauchbar.
Was ist Polio?
- Polio (Kurzform von Poliomyelitis) ist eine Infektionskrankheit, bei der das zentrale Nervensystem angegriffen wird. Das Virus wird meist oral aufgenommen, beispielsweise durch das Trinken von verschmutztem Wasser. Dann vermehrt es sich im Darm und wird beim Stuhlgang wieder ausgeschieden. So geraten die Viren ins Abwasser. Bei einer mangelhaften sanitären Infrastruktur, wie derzeit in Gaza, kann es schnell passieren, dass kontaminiertes Wasser in Quellen gerät, aus denen Trinkwasser geschöpft wird.
- Bei einigen Betroffenen verläuft die Infektion ohne Komplikationen. Doch andere können dauerhafte Lähmungen in Armen und Beinen davontragen. Bei einigen Patientinnen und Patienten ist die Atemmuskulatur betroffen, was für die Betroffenen tödlich ist. Eine Heilung der Krankheit gibt es nicht.
Doch sicherzustellen, dass die Kühlkette nicht unterbrochen wird, ist in einem Kriegsgebiet schwierig. Also musste UNICEF zusätzlich Kühlequipment organisieren, sodass der Impfstoff unbeschädigt in die Lagerhäuser und schließlich in die Impfboxen der mobilen Helferinnen und Helfer gelangen konnte.
Bereits in der ersten Impfkampagne im Herbst letzten Jahres schafften es UNICEF und seine Partner, etwa 560.000 Kinder unter zehn Jahren gegen Polio zu impfen.
Rückkehr aus dem Ruhestand für die Kinder im Gazastreifen
Eine Person, die dabei eine entscheidende Rolle spielte, ist Younis R. Awadallah. Der Arzt, der im Gazastreifen geboren und aufgewachsen ist, hat seinen beruflichen Schwerpunkt auf die Stärkung des palästinensischen Gesundheitssystems gelegt.
Eigentlich war er bereits im Ruhestand – doch er kehrte zurück, um gemeinsam mit UNICEF Kinder im Gazastreifen gegen Polio zu impfen, berichtet er in der Dokumentation "Gaza’s Silent Threat" von der Regisseurin Maria Fernanda Lauret. Die Dokumentation hat auf dem Touchstone Independent Film Festival in der Kategorie "Best Documentary Short" gewonnen. Der Film steht kostenfrei auf der Seite von UNICEF zur Verfügung.
"Ich danke Gott immer dafür, dass ich bei dieser Kampagne dabei bin", sagt Awadallah zu UNICEF, "Wenigstens tue ich etwas in meinem Leben, worauf ich stolz sein kann: Das Leben von Kindern zu retten."
In Anerkennung seiner Leistungen bei der Umsetzung der Polio-Notimpfkampagne in Gaza wurde Awadallah im Jahr 2024 vom "Time-Magazine" zu einem der 100 einflussreichsten Menschen im Bereich der öffentlichen Gesundheit gekürt.
Trotz Hindernisse war Impfkampagne erfolgreich
UNICEF konnte über 90 Prozent der Kinder unter zehn Jahren im Gazastreifen impfen. Und das trotz zerstörter Straßen, anhaltender Gewalt und Menschen, die vertrieben waren, sodass es schwierig war, sie zu erreichen.
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Im Februar dieses Jahres wurden erneut Erreger in Abwasserproben gefunden, sodass eine weitere Impfkampagne notwendig war. Hierbei konnten 603.000 Kinder geimpft werden, 40.000 mehr als in der vorangegangenen Aktion.
Verwendete Quellen
- Pressemitteilung von UNICEF zum WelttagART: Tag der humanitären Hilfe: Wenn Menschen anderen das Leben retten der humanitären Hilfe: "Kinder in Not und humanitäre Teams dürfen niemals Zielscheibe von Angriffen sein"
- unicef.de: Mutige Helfer, starke Familien: Dokumentation über den Kampf gegen Polio in Gaza
- zeit.de: Welthungerhilfe kritisiert zunehmende Angriffe auf humanitäre Helfer
- zeit.de: "Ein zehnjähriges Kind in Gaza hat fünf Eskalationen miterlebt"
- time.com: Younis R. Awadallah. A heroic vaccination campaign.
- endpolio.org: Was ist eigentlich Kinderlähmung?