Sie bleiben zu Hause, kümmern sich um den Haushalt und die Kinder - und einige davon zeigen ihren Lifestyle selbstbewusst in den sozialen Medien. Diese Frauen sind sogenannte Tradwives, also traditionelle Hausfrauen. Den Trend aus den USA sieht eine Soziologin äußerst kritisch.

Mehr zum Thema Gesellschaft & Psychologie

Nara Smith ist ein Social-Media-Phänomen. Vor allem jüngeren Menschen dürfte sie ein Begriff sein. Bei TikTok schauen Millionen User ihre Videos, in denen das Model, Ehefrau und Mutter für ihre Liebsten kocht und backt. Und zwar so richtig: Aufstriche, Teige oder Cornflakes macht sie in Kleinstarbeit selbst, selbst Seife oder Sonnencreme mischt sie selbst an. Das Ganze in extravaganter Abendgarderobe und mit perfektem Make-up.

Mit ihrem Ehemann Lucky Blue Smith und den drei gemeinsamen Kindern präsentiert die 23-Jährige ihr Familienleben und lebt dabei ein eher traditionelles Rollenbild. Damit prägt Smith den sogenannten Tradwife-Trend - die Abkürzung steht für traditional wife, zu Deutsch traditionelle Ehefrau.

Lesen Sie auch

Nara Smith hält sich selbst allerdings nicht für die traditionelle Ehefrau, die viele Menschen in ihr sehen. Vielmehr sieht sie sich als berufstätige Mutter, wie sie in einem Interview mit "The Times" erzählte. Kochen sei ihre Sprache der Liebe. "Mich um meine Familie zu kümmern, macht mich glücklich, aber ich kann das tun und arbeiten - es muss nicht das eine oder das andere sein."

Tradwives und Past-Forward-Trend: Zurück in die 50er-Jahre?

Nara Smith ist kein Einzelfall. Bei Instagram und TikTok zeigen sich viele junge Frauen dabei, wie sie ihren Partnern ein Abendessen zubereiten, putzen oder die Kinder hüten. Darunter auch die ehemalige Miss America Hannah Neeleman. Sie hat einen Landwirt geheiratet und ist Mutter von acht Kindern.

Ein weiteres prominentes Beispiel ist die deutsche Influencerin Carolina Tolstik, die als Malischka Content aus ihrem Leben als "Stay at home girlfriend" zeigt. "Meine Oma hat das so gemacht, meine Mutter hat das so gemacht und ich fühle mich damit auch gut", erzählt sie in einer Dokumentation des Hessischen Rundfunks. Sie glaubt, dass es reizvoll für Männer sei, wenn diese mit ihrem Gehalt eine Familie ernähren könnten.

Millionen Menschen liken und kommentieren die Videos, in denen sich Tradwives bei der Hausarbeit zeigen. Laut eigener Aussage erfüllt es die Frauen, ihre Familie zu versorgen. Dafür verzichten sie auch gerne auf ihre berufliche Karriere. Die bekannten unter ihnen verdienen durch die Beiträge in den sozialen Medien und Werbekooperationen Geld – und sind damit doch wieder weit weg von den traditionellen, von ihren Männern abhängigen Hausfrauen.

Viele Menschen nehmen den Tradwife-Trend allerdings als einen Schritt zurück wahr. Zurück in die Jahrzehnte, in denen die Frau hinter dem Herd stand und der Mann die Brötchen verdiente. Zurück zu den gesellschaftlichen Wertevorstellungen der 1950er- und 1960er-Jahre. Trends wie dieser werden daher auch Past-Forward-Trends genannt - ein Wortspiel aus den englischen Ausdrücken fast forward für schnelles Vorspulen und past (zu Deutsch: Vergangenheit).

"Dahinter steckt der Ausdruck: Wir können es uns leisten, dass die Frau 'nur' Hausfrau und Mutter ist."

Soziologin Andrea D. Bührmann über die Ursprünge des Tradwife-Trends

"In früheren Generationen fanden es viele Männer sehr erstrebenswert, dass 'ihre' Frau nicht arbeiten muss", sagt Soziologin Andrea D. Bührmann im Gespräch mit unserer Redaktion. Dieser Wunsch sei in weniger privilegierte Schichten kaum angesprochen worden, "denn da brauchte man ein zweites Gehalt". "Deshalb gelten die sogenannten Hausfrauenehen als ein Ausdruck davon, genug Geld zu haben, wenn man es sich leisten kann, dass nur der Mann arbeitet. Das ist die alte Idee, die dahintersteckt."

In den 50er- und 60er-Jahren waren diese traditionellen Rollenbilder in Deutschland unterschiedlich ausgeprägt. Bührmann weist etwa auf große Unterschiede zwischen Ost und West hin: "In der DDR war es normal, dass auch Frauen erwerbstätig waren."

Soziologin sieht Tradwife-Bewegung problematisch

Wieso aber nun der Schritt zurück? "Dahinter steckt der Ausdruck: Wir können es uns leisten, dass die Frau 'nur' Hausfrau und Mutter ist." Die Past-Forward-Entwicklung sieht Bührmann, die an der Georg-August-Universität Göttingen das Institut für Diversitätsforschung leitet, generell kritisch und findet sie "sehr irritierend". Dass Frauen zu Hause bleiben und sich ausschließlich dem Haushalt und den Kindern widmen, hält sie für "keine kluge Idee".

Schließlich könnten diese Frauen im Falle einer Scheidung von Altersarmut betroffen sein, wenn ausschließlich der Mann einem Beruf nachgeht. Und selbst wenn beide einen Job haben, gibt es etwas, das Bührmann mit Erstaunen erlebt: "Dass es normal zu sein scheint, dass die Frau sich um das Kind kümmert. Nicht nur in der Zeit, in der das Kind gestillt wird, sondern auch darüber hinaus."

"Für viele Frauen ist das problematisch. Denn wenn man sich trennt, stehen sie im Alter häufig finanziell schlecht da."

Andrea D. Bührmann, Soziologin

Ein Problem sieht Bührmann dabei auch in der Steuergesetzgebung. Diese unterstütze unter anderem durch das Ehegattensplitting diese Retraditionalisierung von Kindererziehung und Rollenklischees. Sie warnt: "Für viele Frauen ist das problematisch. Denn wenn man sich trennt, stehen sie im Alter häufig finanziell schlecht da."

Über die Gesprächspartnerin

  • Prof. Dr. Andrea D. Bührmann studierte Soziologie, Philosophie und Politikwissenschaften. Nach ihrer Habilitation im Fach Allgemeine Soziologie arbeitete sie als Professorin in Dortmund, München sowie Münster und als nahm Gastprofessuren in Salzburg und Wien wahr. Seit 2011 lehrt sie an der Georg-August-Universität Göttingen, zunächst als Soziologieprofessorin, später übernahm sie den Lehrstuhl für die Soziologie der Diversität. Seit Herbst 2013 Bührmann geschäftsführende Direktorin des von ihr gegründeten Instituts für Diversitätsforschung. Seit Oktober 2024 ist sie Dekanin der Sozialwissenschaftlichen Fakultät.

Verwendete Quellen

#womeninmalefields: So humorvoll nimmt der TikTok-Trend toxisches Verhalten auf die Schippe

#womeninmalefields: Frauen stellen Dating-Doppelmoral humorvoll auf den Kopf

Der virale TikTok-Trend "Women in Male Fields" stellt Dating-Doppelmoral humorvoll auf den Kopf. Frauen schlüpfen in stereotype Männerrollen und entlarven dabei toxisches Verhalten.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.

Teaserbild: © Getty Images/iStockphoto/Tijana87