Warum feiern wir Vatertag - und wieso fällt er auf denselben Tag wie Christi Himmelfahrt? Die Antwort führt zu betrunkenen Prozessionen, verschlossenen Kirchen und einer deutschen Besonderheit.
Jedes Jahr am 40. Tag nach Ostern ziehen Männergruppen mit Bollerwagen und Bierflaschen durch deutsche Landschaften. Was heute als feuchtfröhlicher Vatertag (dieses Jahr am 29. Mai) bekannt ist, hat seine Wurzeln jedoch in einem der wichtigsten christlichen Feiertage: Christi Himmelfahrt.
Die Verbindung zwischen Vatertag und Christi Himmelfahrt ist eine deutsche Besonderheit. In vielen anderen Ländern findet der Vatertag am dritten Sonntag im Juni statt. In Italien, Portugal und Spanien wird er dagegen am 19. März gefeiert, dem Josefstag.
Lesen Sie auch
Die deutsche Tradition entstand unabhängig von anderen Ländern und war zunächst vor allem im Berliner Raum verbreitet. Dort entwickelte sich auch der Begriff "Herrentag", der alle Männer einschließt, nicht nur Väter.
Wenn Prozessionen zu Sauftouren werden
Dem Bayerischen Rundfunk (BR) zufolge finden sich erste Zusammenhänge zwischen Vatertag und Christi Himmelfahrt bereits im 17. Jahrhundert. Der Brauchtumsforscher und Theologe Manfred Becker-Huberti erklärt, dass sich an Christi Himmelfahrt "eine Art Prozession ohne Geistlichkeit entwickelt" habe.
"Nur die Männer zogen zu einem Ort, der angenommen wurde als Ort der Himmelfahrt Christi und sie zogen dorthin ohne Weihwasser, dafür aber mit Alkohol", berichtet er. Der Alkohol sei so reichlich geflossen, dass sich die Pfarrer irgendwann entschlossen hätten, an dieser Art von Prozession nicht mehr teilzunehmen.
Die Situation eskalierte mancherorts so sehr, dass drastische Maßnahmen ergriffen wurden. Laut Protokollen eines Bischofs aus dem 17. Jahrhundert verschlossen Pfarrer an Christi Himmelfahrt sogar ihre Kirchen. Sie wollten verhindern, dass die Bauern sich Heiligenfiguren aus der Kirche holten und bei ihren alkoholisierten Prozessionen mitführten und womöglich am Feldrand liegen ließen.
Von Schinkentouren zum modernen Vatertag
Wie das ZDF berichtet, entwickelten sich aus diesen frühen Formen seit dem 19. Jahrhundert in manchen Großstädten sogenannte "Schinkentouren". Fuhrunternehmer organisierten Ausflüge mit Pferdefuhrwerken aufs Land, bei denen Frauen nicht zugelassen waren. In den 1930er-Jahren propagierten dann niederländische Zigarrenfabrikanten und Metzger den "Vatertag" als Gegenstück zum bereits etablierten Muttertag.
Eine entscheidende Rolle für die Festigung der Tradition spielte die NS-Zeit, die Nazis erklärten Christi Himmelfahrt 1934 zum gesetzlichen Feiertag. "Dadurch hat sich der Vatertag an diesem Termin noch mehr festgesetzt, zumal ja dann viele den Freitag als Brückentag nutzen und sich freinahmen", erklärt der SWR.
Der amerikanische Ursprung des modernen Vatertags
Parallel zur deutschen Entwicklung entstand in den USA eine andere Vatertagstradition. In einem historischen Kalenderblatt gibt es Hinweise, dass am 19. Juni 1910 in Spokane im Bundesstaat Washington der erste offiziell bestätigte Vatertag gefeiert wurde. Initiatorin war Sonora Smart Dodd, die ihren Vater William Jackson Smart ehren wollte, der nach dem frühen Tod seiner Frau sechs Kinder allein großgezogen hatte.
Heute hat sich die Vatertagstradition auch in Deutschland gewandelt. Laut Brauchtumsforscher Becker-Huberti unter anderem "wegen der Erkenntnis etlicher Männer, dass ein Vatertag sich nicht nur auf die Väter bezieht, sondern auf ihrer Funktion und damit die Kinder einbeziehen sollte". (eyn)
Verwendete Quellen
© 1&1 Mail & Media/spot on news