• Nicht nur auf dem Papier, sondern auch vor laufender Kamera rechnet der britische Prinz Harry hart mit seinem Bruder Prinz William ab.
  • Gleich in zwei TV-Interviews lanciert der Royal scharfe Worte, er schlägt aber auch ganz andere Töne an.

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Prinz Harry geht vor laufender Kamera in die Offensive. Nur zwei Tage vor der Veröffentlichung seiner Memoiren "Spare" (deutsch: "Reserve") packt der 38-Jährige gleich in zwei TV-Interviews aus.

Erst stellte er sich den Fragen des britischen Journalisten Tom Bradby, das Interview lief am Sonntagabend beim britischen Sender ITV. In seiner Wahlheimat in den USA stand Harry dem US-Journalisten Anderson Cooper in der Sendung "60 Minutes" des Sender CBS Rede und Antwort.

Prinz Harry: "Ich will meinen Vater zurück. Ich will meinen Bruder zurück."

Harry feuert gegen die eigene Familie, gegen die britische Presse, betont aber zugleich, wie wichtig ihm "eine Beziehung" und Frieden mit den Royals sei. "Ich will meinen Vater zurück. Ich will meinen Bruder zurück. Momentan erkenne ich sie nicht wieder", sagt Harry im ITV-Interview.

"Harry: Das Interview"
Dieses undatierte von ITV am 06.01.2023 zur Verfügung gestellte Videostandbild zeigt den britischen Prinzen Harry (l) während eines Interviews mit Tom Bradby von ITV für die Sendung "Harry: Das Interview". © dpa / -/ITV/PA Media/dpa

Genauso würden die beiden aber wohl auch ihn derzeit nicht wiedererkennen, räumt er ein. "Vergebung ist aber zu 100 Prozent eine Möglichkeit", betont er. "Ich glaube wirklich und ich hoffe, eine Versöhnung zwischen uns und meiner Familie könnte Auswirkungen auf die ganze Welt haben.". Vielleicht sei das naiv, aber er glaube daran.

Dabei herrscht derzeit Funkstille zwischen London und dem kalifornischen Montecito, wo Harry mit Ehefrau Meghan (41) und den gemeinsamen kleinen Kindern Archie und Lilibet lebt. Nach eigenen Angaben habe er zur Zeit keinen Kontakt mit seinem Vater König Charles III. oder seinem älteren Bruder Prinz William. "Derzeit nicht", antwortet er im CBS-Interview auf die Frage, ob er mit William spreche oder per SMS kommuniziere. Auch mit seinem Vater habe er schon länger nicht mehr gesprochen.

Biografie schon in Spanien erschienen

Vor Buchveröffentlichung von "Spare": Harrys Memoiren
Das Cover von "Spare", den Memoiren von Prinz Harry. © Random House Group/dpa

Mit der Veröffentlichung von Harrys Memoiren dürfte sich die Kluft eher weiter vertiefen. Seit Tagen sorgen sie für Schlagzeilen. In Spanien war die Autobiografie versehentlich bereits am Donnerstag kurzzeitig in einigen Buchläden zu haben. Britische Medien berichten seitdem über pikante Details aus dem Buch.

In einem von der "Daily Mail" zuletzt veröffentlichten Auszug der Memoiren enthüllte Harry, dass die Beziehung der beiden schon vor seiner Heirat mit Meghan Markle Risse hatte.

Demnach war Harry bei der Hochzeit seines Bruders mit Kate im Jahr 2011 nicht der wirkliche Trauzeuge gewesen, sondern Teil einer "unverschämten Lüge".

Harry und William stehen im Wettbewerb

Schwere Vorwürfe erhebt Harry im Buch vor allem gegen William (40), der ihn im Streit tätlich angegriffen haben soll. Er habe seine Frau bei dem Vorfall im Jahr 2019 gegen verbale Kritik von William verteidigen wollen, sagte Harry im CBS-Interview.

Der Streit zwischen den Brüdern sei dann eskaliert. William sei ausgerastet und habe ihn zu Boden gestoßen. "Ich landete auf dem Hundenapf", beschreibt Harry die "ziemlich hässliche" Szene. Meghan habe später Schnittwunden auf seinem Rücken von den Scherben der zerbrochenen Schale entdeckt.

Die einst als unzertrennlich geltenden Brüder stehen sich Harrys Schilderungen zufolge schon lange in einem bitteren Wettbewerb gegenüber. Er bezeichnet William in dem Buch demnach als "geliebten Bruder" und zugleich "größten Gegenspieler".

Harry kritisiert Umgang mit Presse

Harry kritisiert zudem die angebliche Strategie seiner Familie, Geschichten und Narrative in den britischen Boulevardmedien zu platzieren. Wenn "royale Insiderquellen" zitiert würden, kämen diese Informationen vom Palast. Korrespondenten würden gefüttert und stellten das Narrativ nicht infrage. "So wie sich die britische Presse momentan aufführt, fügt das Großbritannien großen Schaden zu", so Harry.

Schon als Kind habe er gespürt, dass die Boulevardpresse zum Kummer seiner Mutter Diana beigetragen habe. Seinen Ärger und seine Trauer nach ihrem Tod habe er mit Alkohol und Drogen betäubt.

Er habe als Zwölfjähriger nach dem Verlust der Mutter unter Schock gestanden. Geweint habe er nur einmal, als der Sarg in die Erde eingelassen wurde, danach nicht wieder. Er habe ihren Tod lange nicht akzeptieren können, erzählt Harry.

Harry: "Ich sitze hier und bitte um eine Familie"

Auch den Tod von Queen Elizabeth II. im vorigen September brachte Harry im CBS-Interview ins Spiel. Er war als letzter der Familie auf dem schottischen Landsitz Balmoral angekommen, wo die Monarchin mit 96 Jahren im Sterben lag. Als er eintraf, war Elizabeth schon tot.

Zuvor habe er seinen Bruder gefragt, wie denn William und andere Royals von London nach Schottland reisen würden, erzählt Harry. Sie hätten wenig später einen Flieger dorthin genommen, doch er sei nicht zum Mitfliegen eingeladen worden, machte der Queen-Enkel geltend.

Zwischendurch scheint Harry in dem Interview, das der Sender ITV in Kalifornien aufgezeichnet hat, den Tränen nahe. Wortreich bedauert er mangelnde Unterstützung seiner Familie und wie sich die Fronten verhärtet haben. "Ich sitze hier und bitte um eine Familie", sagt Harry. "Nicht um eine Institution, um eine Familie." Er liebe seinen Bruder William sehr, beteuert Harry auch im CBS-Interview.

Buckingham-Palast zeigt offiziell keine Reaktion

Das am Sonntag von ITV veröffentlichte Interview war das erste einer Reihe von Gesprächen. Später folgte der US-Sender CBS mit seiner Abendsendung "60 Minutes". Am Montag dann beendet der US-Sender ABC die Interview-Serie.

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Offiziell schweigt der Buckingham-Palast weiter zu der Flut an Vorwürfen und Enthüllungen. In den britischen Medien erscheinen aber zunehmend Stellungnahmen aus dem Umfeld von Harrys Bruder und seinem Vater.

Der 40-jährige Thronfolger sei "besorgt und traurig" und koche innerlich, werde aber nicht "zurückschlagen", sagte ein Freund der beiden Brüder der "Sunday Times".

Auch Harrys Vater ist den Medienberichten zufolge "verletzt". Laut "Sunday Telegraph" sieht König Charles III. eine Versöhnung mit seinem jüngsten Sohn aber als einzigen "Ausweg aus dem Schlamassel". Demnach sollen Harry und seine Frau zur Krönung des 74-Jährigen am 6. Mai eingeladen werden.

Der Verlag Penguin Random House soll für die Veröffentlichung von Harrys Memoiren mehrere Millionen Dollar gezahlt haben. Noch im Sommer allerdings soll der Prinz nach seiner Teilnahme an den Jubiläumsfeiern für seine inzwischen verstorbene Großmutter, Queen Elizabeth II., entschlossen gewesen sein, die Veröffentlichung abzusagen, wie die "Times" unter Berufung auf Verlags-Insider berichtete. (dpa/afp/ari)

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