- Die mehrfarbige "One Love"-Kapitänsbinde für mehrere europäische Nationen bleibt ein WM-Streitthema.
- Wegen angedrohter Sanktionen verzichten auch der DFB und Kapitän Manuel Neuer vorerst.
Der Deutsche Fußball-Bund verzichtet nach der Androhung von Sanktionen durch die Fifa auf die "One Love"-Kapitänsbinde für Manuel Neuer. Nach Beratungen der Arbeitsgruppe der Europäischen Fußball-Union Uefa mit dem Fußball-Weltverband entschieden die beteiligten Uefa-Nationen, das Risiko einer möglichen Gelben Karte oder anderer sportlicher Sanktionen während der WM in Katar nicht einzugehen. Der DFB bestätigte der Deutschen Presse-Agentur eine gemeinsame Stellungnahme.
Auch die verbündeten Verbände kritisierten das Gebaren des Weltverbands scharf. "Wir sind sehr frustriert über die Fifa-Entscheidung. Wir haben die Fifa im September schriftlich über unseren Wunsch informiert, dass wir die One-Love-Armbinde tragen wollen, um die Inklusion im Fußball aktiv zu unterstützen, und haben keine Antwort erhalten", hieß es: "Unsere Spieler und Trainer sind enttäuscht, sie sind starke Befürworter von Inklusion und werden ihre Unterstützung auf andere Weise zeigen."
Niederländischer Verband: "Die Fifa verstößt gegen den Geist des Sports"
"Dass die Fifa uns auf dem Platz bestrafen will, ist einmalig und geht gegen den Geist des Sports, der Millionen verbindet", hieß es explizit vom niederländischen Verband KNVB. "Wir stehen zur 'One Love'-Botschaft und werden diese weiter verbreiten, aber unsere oberste Priorität ist es, Spiele zu gewinnen. Da möchte man nicht, dass der Kapitän das Spiel mit einer Gelben Karte beginnt."
Die Fifa begründete das Verbot mit den von allen Teilnehmern anerkannten WM-Regularien. Explizit hob der Verband in einer Mitteilung vom Montag den Artikel 13.8.1 der Ausrüstungsregeln hervor: "Für Fifa Final-Wettbewerbe muss der Kapitän jeder Mannschaft eine von der Fifa gestellte Armbinde tragen." Die Fifa unterstütze Kampagnen wie "One Love", aber dies müsse im Rahmen der allen bekannten Regeln erfolgen.
Fan-Organisation mit scharfer Fifa-Kritik: "Heute empfinden wir Verachtung"
Die Fan-Organisation "Football Supporters Europe" kritisierte den Vorgang scharf. "Heute empfinden wir Verachtung für eine Organisation, die ihre wahren Werte unter Beweis gestellt hat, indem sie den Spielern die Gelbe Karte und der Toleranz die Rote Karte gezeigt hat", twitterte FSE.
Nach Ansicht der Fan-Organisation sollte "nie wieder" eine WM "ausschließlich auf der Grundlage von Geld und Infrastruktur" vergeben werden: "Keinem Land, das bei LGBT+-Rechten, Frauenrechten, Arbeitnehmerrechten oder einem anderen universellen Menschenrecht versagt, sollte die Ehre zuteil werden, eine WM auszurichten".
Auch die Organisation Human Rights Watch ließ keine Zweifel daran, was sie vom Fifa-Verbot hält. "Selbst diese symbolische Geste der Solidarität mit LGBT-Personen wird von der FIFA und den Behörden in Katar nicht erlaubt", betonten die Menschenrechtler: "Sie sagen den Spielern im Wesentlichen, dass sie die Klappe halten und spielen sollen."
Der erste Kapitän, der während der Endrunde offen gegen die Fifa-Regularien verstoßen hätte, wäre Englands Harry Kane im Spiel am Montag gegen Iran gewesen. "Wir waren bereit gewesen, Strafen zu zahlen, was normalerweise bei Verstößen gegen Kleider-Regularien der Fall wäre. Dennoch konnten wir unsere Spieler nicht in eine Situation bringen, in der sie eine Gelbe Karte bekommen könnten oder gar gezwungen werden, das Spielfeld zu verlassen", hieß es in der von der englischen FA verbreiteten gemeinsamen Stellungnahme.
DFB rudert bei "One Love"-Binde zurück
DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte bereits am Sonntag von Meinungsverschiedenheiten mit der Fifa gesprochen, aber noch geäußert: "Wir haben gesagt, wir bleiben dabei, dass wir mit der Binde auflaufen. (...) Wir haben mit langem Vorlauf die Fifa immer wieder darauf hingewiesen, dass wir mit dieser Binde auflaufen wollen, es gab keine Reaktion der Fifa dazu." Nach Beratungen am Montag änderten die Verbände ihre Meinung.
Die Kampagne war eine im September angekündigte gemeinsame Aktion der Teams aus Deutschland, England, den Niederlanden, Belgien, Schweiz, Wales, Frankreich, Dänemark sowie Norwegen und Schweden, die beide nicht für die WM qualifiziert sind. Frankreichs Kapitän Hugo Lloris hatte frühzeitig angekündigt, die Binde aus Respekt vor der katarischen Kultur nicht zu tragen.
Die Fifa hatte erst am Freitag eigene neue Kapitänsbinden vorgestellt - zwei Tage vor dem Eröffnungsspiel. "Die teilnehmenden Mannschaften erhalten während der Spiele über die Armbinden der Mannschaftskapitäne die Möglichkeit, Botschaften zu übermitteln", teilte der Weltverband mit. Die Botschaften hat die FIFA laut Mitteilung gemeinsam mit drei Organisationen der Vereinten Nationen erdacht. (dpa/sid/lh/hau)
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