Nein und nochmals: nein. Die deutsche Nationalmannschaft ist nicht der Favorit auf den WM-Titel 2022 in Katar. Das 1:1 gestern Abend bei den Niederländern ist ein Muster ohne Wert. Man probiert aus, man ist angestachelt von der Rivalität unter Nachbarn, man will die gute Laune behalten - aber am Ende war's: ein Testspiel. Mehr auch nicht.

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Zugegeben, die Bilanz unter dem neuen Bundestrainer Hansi Flick verführt zum Größenwahn. Sein Start mit acht Siegen und einem Unentschieden in neun Spielen kann kaum besser sein, und machen wir uns nicht vor: Mit der statistischen Unbesiegbarkeit war nach dem EM-Desaster und dem folgenden Umbruch nicht zu rechnen. Ein neuer Geist macht sich breit.

Deshalb ist das Remis gegen eine Spitzenmannschaft des europäischen Fußballs durchaus eine Bestätigung, dass der eingeschlagene Weg mit Nico Schlotterbeck, Raum und Jamal Musiala zu einer guten Entwicklung führt.

Wer aber jetzt meint, dass Flick Wunderdinge vollbringen kann, sobald das Turnier Mitte November beginnt, vergisst die jüngste Vergangenheit.

Hansi Flick macht jetzt Aufräumarbeiten

Die WM-Blamage von 2018 und das EM-Desaster von 2021 kamen ja nicht von ungefähr und rührten aus der Sinnkrise, dass Flick-Vorgänger Joachim Löw den überfälligen Generationswechsel nicht hinbekommen hatte. Was Flick jetzt macht, sind Aufräumarbeiten. Er schafft Raum für Neues. Aus der Welt geschafft sind Baustellen damit nicht.

Kimmichs Anruf bei Flick sorgt für Heiterkeit in der Pressekonferenz des DFB

Daheim in München fiebert Nationalspieler Joshua Kimmich der Geburt seines dritten Kindes entgegen und fehlt deshalb Bundestrainer Hansi Flick auch im Länderspiel-Klassiker in den Niederlanden. Als Kimmich sichbei Flick telefonisch meldet, sitzt der gerade den Journalisten in der Pressekonferenz gegenüber. (Teaserbild: picture alliance / GES / Markus Gilliar) © Sky

Flick hat noch keine Innenverteidigung, auf die sich sein Torwart Manuel Neuer blind verlassen kann. Auf den Außenpositionen fehlen zwei, die Druck in beiden Spielhälften ausüben. Im Sturmzentrum fällt niemand auf, der uns bei der WM fünf Tore garantiert. Immerhin: Die Offensive arbeitet aus dem Mittelfeld heraus stark und mutig; sogar Leroy Sané macht mit.

Insofern darf man mit den ersten neun Flick-Monaten mehr als zufrieden sein. Die Mannschaft gibt sich zugänglich, der Bundestrainer findet offenbar die Balance zwischen Leistungsprinzip und Zukunftsgestaltung. Dieser Pragmatismus führte Flick bis 2021 zu einer einzigartigen Erfolgsserie beim FC Bayern. Man darf ihm folglich einiges zutrauen.

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