Benjamin "Benny" Lauth wusste schon immer, wo das Tor steht. Im Interview mit unserer Redaktion spricht der frühere Bundesliga-Knipser von 1860 München exklusiv über das Mittelsturm-Dilemma des DFB.

Ein Interview

Benjamin "Benny" Lauth ist Fußball-Fans der Nullerjahre vor allem als Löwen-Torjäger bekannt. In 271 Pflichtspielen stürmte Lauth für den TSV 1860 München und steuerte in seiner Zeit bei den "Blauen" aus München-Giesing in der Bundesliga, 2. Liga und Pokalwettbewerben insgesamt 93 Tore und 35 Vorlagen bei.

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Heute ist der Deutsche Meister von 2007 (mit den "Jungen Wilden" des VfB Stuttgart) 43 Jahre alt – und kickt noch immer. An einem Sonntagnachmittag im Juni stürmte er am Tegernsee für die Bananenflanker-Legenden, eine Auswahl früherer Fußball-Profis und Promis, die sich ihrem Gegner bei diesem Benefizspiel 6:8 geschlagen geben mussten.

Benny Lauth beim "Bananenflanker-Legendenspiel" am 15.6.2025 am Tegernsee.
Benny Lauth beim "Bananenflanker-Legendenspiel" am 15. Juni am Tegernsee. © IMAGO/Ulrich Wagner

Lauth, Pizarro und Ailton: Goldene Ära der Doppelspitzen und Stürmerkanten

Lauth hat natürlich trotzdem geknipst – wie auch Ex-Bayern-Star Claudio Pizarro und "Kugelblitz" Ailton auf der anderen Seite, der siegreichen Auswahl des Hotels Blyb., Gastgeber des Benefizspiels zugunsten geistig behinderter Kinder.

14 Tore fielen in 82 Minuten – dann pfiff der Schiedsrichter ab, weil ein Unwetter über den Tegernsee zog. Genug Zeit aber für die Zuschauenden, von ihren Biertischen aus 14 teils sehr sehenswerte Treffer zu bewundern.

Genug Zeit, nostalgisch zu grübeln ob der goldenen Zeit der bulligen Mittelstürmer, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts gerne zu zweit im 4-4-2 ihre Mannschaften anführten.

Zum Beispiel Thierry Henry und Robin van Persie, gegen die Lauth 2006 mit dem HSV in der Champions League spielte. Ja, wie gesagt: Lang ist's her.

Benny Lauth beim Legendenspiel zwischen dem FC Bayern und 1860 München am 23. Oktober 2022.
Benny Lauth beim Legendenspiel zwischen dem FC Bayern und 1860 München am 23. Oktober 2022. © IMAGO/Ulrich Wagner

Seit Klose hatte Deutschland keinen Weltklasse-Mittelstürmer mehr

Nach dieser Ära der Ebbe Sands und Emile Mpenzas, der Miroslav Kloses und Mario Gomezes, Grafites und Edin Dzekos, kamen die dunklen Jahre der "falschen Neun", der einsamen "Ball fest machenden" Sturmspitze.

Der Pep'schen Emaskulation von Typen wie Zlatan Ibrahimovic und Samuel Eto'o zugunsten der 1,70 Meter kleinen Knipser, die die Kugel nicht ins Netz köpfen, sondern mit links reindribbeln. Dunkle Zeiten eben, in denen der Typ "Kleiderschrank"-Strafraumstürmer nicht mehr so angesagt war.

In Deutschland gab es seit Kloses DFB-Rücktritt, nun auch schon elf Jahre her, keinen klassichen Mittelstürmer von Weltformat mehr. Kein Wunder, wollte ein Jahrzehnt lang ja jedes Mädchen und jeder Junge Lionel Messi werden, und nicht etwa Didier Drogba. Sehr schade.

Aber all das könnte sich nun ändern. Denn die echten Neuner sind wieder da. Selbst hier bei uns in Deutschland. Ob Deutschlands nächster Spitzenstürmer dann Niclas Füllkrug, Tim Kleindienst, Jonathan Burkardt oder Nick Woltemade heißt?

Wir haben einen gefragt, der es wissen muss: Den ausgebildeten Fußballtrainer (A-Lizenz), Löwen-Liebling und früheren Jugendnationalspieler Benjamin Lauth.

Herr Lauth, Sie begleiten derzeit als TV-Experte die U19-Europameisterschaft. Auch an Deutschlands U21-Nationalmannschaft, die mit zwei Siegen in die U21-EM gestartet ist, sind Sie ganz nah dran. Nehmen Sie auch im Jugendfußball diesen scheinbaren Trend wahr, dass der klassische deutsche Mittelstürmer wieder zurückkommt – groß, kopfballstark, physisch präsent?

Ja, das ist tatsächlich ein Trend. Besonders spannend finde ich Nick Woltemade. Von seiner Struktur her ist er ein klassischer Neuner, spielt aber nicht wie einer. Er lässt sich fallen, hat eine Top-Technik, eine gute Athletik und kann Mitspieler stark machen. In Stuttgart hat er das schon nach kurzer Zeit unter Beweis gestellt. Ich kenne auch seinen früheren U17-Trainer Daniel Jungwirth, der schon früh meinte: "Woltemade ist eine Waffe – wartet mal ab." Solche Spielertypen gibt es nicht oft: groß, athletisch, beweglich. Ich bin sicher, dass er in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird – auch in größeren Klubs.

Obwohl Woltemade erst 23 Jahre alt ist, gilt er hierzulande fast als Spätzünder. Vor einem Jahr wechselte er ablösefrei von Werder Bremen zum VfB Stuttgart. Für Werders Profis traf Woltemade zuvor zweimal in 52 Einsätzen. In seinem Debütjahr beim VfB waren es nun 17 Treffer in 33 Pflichtspielen. Wie erklären Sie sich so einen Leistungssprung?

Das ist ein gutes Beispiel für Geduld. Oft wird gesagt: Wenn man es mit 17, 18, 19 nicht schafft, dann wird das nichts mehr. Aber in Bremen wusste man schon damals, was in ihm steckt – auch ohne viele Tore. Stuttgart hat ihn nicht wegen seiner Trefferquote geholt, sondern weil sie gesehen haben, was er perspektivisch leisten kann. Viele Spieler entwickeln sich später. In Deutschland fehlt uns da noch ein wenig die Geduld, wie sie beispielsweise in Frankreich vorhanden ist. Spieler aus anderen Ländern sind in der Entwicklung oft ein, zwei Jahre voraus – das dürfen wir nicht unterschätzen. Wir dürfen sie nicht verlieren, nur weil sie mit 20 oder 21 noch nicht auf dem Niveau sind, das wir erwarten. Da brauchen wir strukturell ein Umdenken.

Jens Lehmann nahm auch am Bananenflanker-Legendenspiel am Tegernsee teil.
Der ehemalige Nationaltorwart Jens Lehmann nahm auch am Bananenflanker-Legendenspiel am Tegernsee teil. © IMAGO/Ulrich Wagner

Ein späterer Durchbruch ist kein Einzelfall. Niclas Füllkrug (14 Tore in 24 Länderspielen) und Tim Kleindienst (4 Tore in 6 Länderspielen) debütierten beide erst mit 29 im DFB-Team. Ihre Namen kennt inzwischen jeder Fan der deutschen Nationalmannschaft.

Genau. Diese "späte Renaissance" ist wichtig. Auch in Spanien und Portugal gibt es viele Spieler, die bei uns vermutlich aussortiert worden wären. Da liegt ein zentraler Fehler im System. Wir verlieren zu viele gute Fußballer, bevor sie sich wirklich entfalten können.

Sie waren heute selbst als Mittelstürmer im Einsatz, nämlich beim "Bananenflanker-Legendenspiel" am Tegernsee. Mit dabei auf dem grünen Rasen des FC Rottach-Egern waren zahlreiche Fußballgrößen wie Ailton oder Claudio Pizarro. Was macht dieses Benefizspiel zugunsten geistig behinderter Kinder so besonders für Sie?

Ich bin jetzt seit fast zehn Jahren bei den "Bananenflanker-Legenden" dabei. Damals habe ich eine Einladung zu einem Benefizspiel bekommen und dadurch zum ersten Mal wirklich verstanden, worum es hier geht. Wenn man sieht, wie man Kindern helfen kann – auf welche Weise auch immer – dann bleibt man schnell hängen. Wir sammeln Spenden, geben diese weiter, organisieren Trainingseinheiten, finden Trainer, stellen Trainingslager auf die Beine. So bin ich bis heute dabeigeblieben.

Das Spiel heute richtet sich besonders an den Raum München. Fußballfans kennen Sie vor allem als langjährigen Torjäger von 1860 München. Was bedeutet Ihnen die Stadt und die Region?

Ich bin Gründungsmitglied des Teams München. Heute hat in der Halbzeit auch Rosenheim gegen München gespielt – zwei unserer Standorte. Mein Herz hängt klar an München. Wir versuchen, durch die Spiele möglichst viele Spenden zu sammeln. Zum Beispiel auch für unsere Kooperation mit Regensburg. Jeder Standort trägt seinen Teil bei, und wir wollen den Kindern einfach einen schönen Tag bereiten.

Lauth (2.v.l.) 2023 beim "Bananenflanker-Budenzauber", einem Benefizhallenturnier.
Benny Lauth (2.v.l.) 2023 beim "Bananenflanker-Budenzauber", einem Benefizhallenturnier in Regensburg. © IMAGO/Eibner-Pressefoto/Heike Feiner

Auf dem Platz waren einige technisch starke Spieler – Linksfüßer, Rechtsfüßer. Welche Trikots hatten denn Ihre Münchner Jungs – Rot oder Gelb?

Rot war München. In Bayern sind gerade Pfingstferien, deshalb waren heute nur fünf oder sechs Kinder da. Aber wir haben mittlerweile rund 20 aktive Kinder im Verein. Einmal pro Woche gibt es Training, dazu Spieltage, die vom VfB organisiert werden – immer an öffentlichen Orten. Das zeigt Wirkung: Mit regelmäßigem Training werden sie besser. Das gilt sowohl für Kinder als auch für junge Erwachsene. Viele unserer Spieler sind 19 oder 20 Jahre alt, einige mit Behinderung. Es ist schön zu sehen, wie gut das Zusammenspiel mit den Jüngeren funktioniert. Es geht darum, Spaß am Spiel zu haben – und das spürt man hier.

Verwendete Quellen

Über den Gesprächspartner

  • Benjamin Lauth ist ein ehemaliger Fußballprofi, der unter anderem für den TSV 1860 München, den Hamburger SV und den VfB Stuttgart aktiv war. Mit den Schwaben wurde er in der Saison 2006/07 Deutscher Meister. 2015 beendete Lauth seine Karriere, mittlerweile ist der ausgebildete Fußballtrainer auch als TV-Experte tätig.