Im Sommer findet erstmals die reformierte Klub-WM mit 32 Teams statt, bei der es um jede Menge Geld geht. Das Turnier geht aber auf Kosten der deutschen U21, denn Trainer Antonio Di Salvo muss auf Leistungsträger verzichten. Sieben Spieler sind es insgesamt, die fehlen.

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Wenn es im Fußball um viel Geld geht, werden gute Vorsätze oder gar bestehende Regeln schon mal über Bord geworfen. Weshalb der Fußball-Weltverband Fifa kein Problem damit hatte, die Abstellungspflicht für die U21-EM in diesem Sommer auszuhebeln.

Heißt: Klubs müssen ihre U-Nationalspieler nicht mehr für das Turnier abgeben. Für U21-Nationaltrainer Antonio Di Salvo ist das eine mittlere Katastrophe und für das ambitionierte deutsche Team ein echter Rückschlag, weil Leistungsträger fehlen.

Während der Weltverband seine reformierte Klub-WM ohne Rücksicht auf Verluste durchdrückt, setzen auch die Klubs zum Großteil auf den bestmöglichen Kader, da bei dem aufgeblähten Vereinswettbewerb jede Menge Geld zu verdienen ist. Mehr als 100 Millionen Euro kann der Sieger im besten Fall mitnehmen, die Fifa schüttet insgesamt eine Milliarde Euro aus - unfassbare Summen. Sie unterstreichen aber auch das Dilemma des Geschäfts, wenn der Nachwuchs darunter leiden muss.

Denn das XXL-Turnier mit 32 Vereins-Mannschaften (15. Juni bis 13. Juli) kollidiert mit der U21-EM, die vom 11. bis zum 28. Juni in der Slowakei über die Bühne geht. Aus der Bundesliga nehmen der FC Bayern und Borussia Dortmund teil - und die beiden Klubs fahren in die USA, um sportlich und finanziell das Bestmögliche herauszuholen.

Sieben Stars sind nicht mit dabei

Was dazu führt, dass Di Salvo auf einige Jungstars verzichten muss, die ein spürbares Loch in den Kader reißen. Vom FC Bayern fehlt zum Beispiel ein Duo: Torhüter Jonas Urbig und Mittelfeldspieler Tom Bischof. Urbig wäre wohl der Stammkeeper der U21 gewesen, er soll aber in den USA als Backup für Manuel Neuer fungieren.

"Wenn etwas passiert, kann Jonas einspringen. Das ist auch eine Form der Wertschätzung ihm gegenüber. Er hat bereits hervorragende Leistungen gezeigt", sagte Di Salvo bei der Vorstellung des Kaders. Zwölf Pflichtspiele bestritt Urbig in der Rückrunde als Ersatz des verletzten Neuer und konnte dabei überzeugen.

Bischof wiederum unternimmt seine erste Dienstreise mit den Bayern. Dafür wurde sogar das von der Fifa extra für die Klub-WM eingerichtete zusätzliche Transferfenster genutzt. Denn so wird der Wechsel von der TSG Hoffenheim zum FCB bereits Anfang Juni vollzogen.

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Auch Krätzig bei der Klub-WM

Bei Mittelfeldspieler Frans Krätzig ist es wie bei Bischof ein Wechsel, der ihn zur Klub-WM führt: Der in der Rückrunde vom FC Bayern an den 1. FC Heidenheim ausgeliehene 22-Jährige geht zu RB Salzburg, der Abgang wurde Ende Mai offiziell. Die Österreicher sind bei der Klub-WM ebenfalls am Start und nehmen Krätzig mit.

Er ist defensiv und offensiv flexibel einsetzbar und hätte auf der linken Außenbahn eine wichtige Rolle bei der U21 spielen können, gerade weil dort Alternativen rar gesät sind. Auch die Salzburger Hendry Blank und Leandro Morgalla werden nicht mit zur EM fahren, sie hätten der U21-Defensive mehr Stabilität, Variabilität und Tiefe verliehen.

Offensive wird klar geschwächt

Hinzu kommen die Dortmunder Offensivstars Karim Adeyemi und Maximilian Beier. Beide wären als echte Leistungsträger mitgefahren, die nicht nur Torgefahr, sondern als Führungsspieler auch A-Team-Erfahrung mitgebracht hätten. Adeyemi, der wie Bischof für das A-Team nominiert worden war, hatte in der Quali als zweitbester DFB-Torschütze fünf Treffer erzielt, Beier zwei.

Unterm Strich hat der U21-Kader immer noch Qualität, trotzdem gehen eine Menge Substanz und wichtige Breite im Kader verloren. Wie sich das auf die Hierarchie auswirkt, bleibt vorerst offen.

Wie der "kicker" berichtet, ist Deutschland zudem stärker betroffen als andere EM-Mitfavoriten. Spanien, Italien, England, Portugal und Frankreich müssen auf deutlich weniger Spieler verzichten als die DFB-Auswahl.

Di Salvo sind die Hände gebunden

"Logischerweise ist es so, dass das die Mannschaft schwächt", erklärte Di Salvo. Was soll er auch sagen? Ihm sind die Hände gebunden. Bei einer Medienrunde im März hatte er sich kritisch zu dem Turnier geäußert. "Ich finde, dass da ein Wettbewerb reingedrückt wurde, der den Spielern nicht guttut. Die Verletzungsgefahr ist riesig", sagte er. Und gab dabei zu, dass er natürlich nicht neutral sein könne. Ändern wird das aber nichts daran, dass so ein Turnier für die Fifa-Verantwortlichen wichtiger ist als eine Nachwuchs-Europameisterschaft.

Klar ist aber, dass die U21-EM für Nachwuchsspieler eine ideale und damit wertvolle Möglichkeit ist, sich zu zeigen, aber auch zu lernen, sich weiterzuentwickeln, sowohl spielerisch als auch persönlich. Mal ganz davon abgesehen, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) einen gewissen Anspruch hat, auch weil die U21 der unmittelbare Unterbau zur A-Nationalmannschaft ist und theoretisch ein direktes Sprungbrett zum Team von Nagelsmann bietet.

Völler trotzdem optimistisch

DFB-Sportdirektor Rudi Völler ist trotz der personellen Verluste optimistisch, dass die U21 mit dem Kader erfolgreich sein kann. "Im Gegensatz zum Turnier vor zwei Jahren kommen die Spieler in ihren Klubs mehr zum Einsatz, sind teils sogar Stammspieler", erklärte er im Trainingslager der U21: "Und trotz der Abstellungen zur Klub-WM ist der Kader richtig gut, egal, wer da auf dem Platz steht, kann die Mannschaft weit kommen, davon bin ich überzeugt."

Das klappte zuletzt häufiger. 2017 wurde die deutsche U21 Europameister, 2021 ebenfalls. 2019 stand man zudem im Finale. 2023 hingegen schied die Mannschaft bereits in der Vorrunde aus. Nach einer souveränen Qualifikation mit acht Siegen und nur zwei Unentschieden sind die Erwartungen vor den Gruppenspielen gegen Slowenien (12. Juni), Tschechien (15. Juni) und England (18. Juni) groß. Di Salvo muss mit seiner Mannschaft also liefern. Wie hart die diversen Abstellungen das Team tatsächlich treffen, wird sich aber erst beim Turnier zeigen.

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