Die deutsche U-21-Nationalmannschaft sinnt bei der EM auf Wiedergutmachung und auch ein bisschen auf Revanche. Aber nicht nur wegen der Erfahrungen des letzten Turniers ist Vorsicht geboten, die "deutsche" Gruppe B hat es in sich.

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Die Mission ist klar, der Weg zum Ziel aber so beschwerlich wie wohl lange nicht mehr: Die deutsche U-21-Nationalmannschaft startet am Mittwoch das Unternehmen EM-Titel und hat dabei nicht nur den vierten Triumph vor Augen, sondern auch einiges wiedergutzumachen.

Vor zwei Jahren beim Endturnier in Rumänien und Georgien war für den damaligen Titelverteidiger schon nach der Gruppenphase Schluss, als Letzter und ohne Sieg musste die Mannschaft von Toni di Salvo damals die Heimreise antreten.

Nun soll alles wieder besser werden, nach einer souveränen Qualifikation und einem sehr homogen besetzten Kader stehen die Vorzeichen zumindest nicht schlecht. Allerdings: Deutschland hat in Gruppe B brandgefährliche Gegner erwischt, darunter gleich zwei alte Bekannte …

Slowenien:

Die Mannschaft von Trainer Andrej Razdrh erscheint auf dem Papier als leichtester Gegner für die deutsche Auswahl. Im internationalen Vergleich ist der slowenische Fußball eher zweit- oder sogar drittklassig anzusiedeln, bei nur knapp über zwei Millionen Einwohnern ist der Pool an Talenten nicht nur im Vergleich zu über 80 Millionen Bundesbürgern zudem sehr überschaubar.

2021 nahm Slowenien erstmals an einer U-21-Endrunde teil, jetzt also folgt schon der zweite Versuch innerhalb von vier Jahren. Auch das dokumentiert, dass dort offenbar gute Arbeit geleistet wird und es immer wieder gelingt, auch einige Spieler von Weltformat zu formen.

Im aktuellen Kader spielen die meisten Akteure in der heimischen Liga oder in kleineren europäischen Ligen, fliegen auch deshalb im internationalen Vergleich ein bisschen unter dem Radar. Torhüter Martin Turk etwa verdient in der zweiten polnischen Liga sein erstes Profigehalt, Abwehrchef Nino Milic bei NK Domzale, Mittelstürmer Tio Cipot in Österreich beim Grazer AK.

Der 20-Jährige ist Top-Torjäger der Mannschaft, unter anderem seine Treffer sicherten den fast schon sensationellen Gruppensieg in der Qualifikation – noch vor Top-Nation Frankreich oder den ebenfalls hoch gehandelten Österreichern. Das Prunkstück der Mannschaft ist die Defensive, Razdrhs Fokus liegt eindeutig auf der Arbeit gegen den Ball.

Dabei will sich der Coach gar nicht auf eine feste Grundordnung oder Ausrichtung festlegen, sondern passt sich sehr stark dem jeweiligen Gegner an - was die Vorbereitung für die deutsche Mannschaft auch nicht eben erleichtert. Die Slowenen mit ihrer No-Name-Truppe sind ganz sicher kein EM-Favorit, schon das Erreichen der K.o.-Phase wäre eine große Überraschung - als Stolperstein taugt diese unbequeme Mannschaft aber allemal.

  • Deutschland - Slowenien: Donnerstag, 12.6, 21:00 Uhr, live bei Sat1

Tschechien:

In etwa ähnlich, aber auf einem deutlich höheren Niveau verhält sich das auch mit Tschechien. Der zweite Gegner der deutschen Mannschaft hat jedenfalls ein paar sehr interessante Spieler in seinen Reihen, unter anderem Keeper Lukas Hornicek. Der "Routinier" im Kader - Hornicek wird in wenigen Tagen 23 Jahre alt - hat sich beim SC Braga nicht nur einen Stammplatz erkämpft, sondern mit dem Team auch den Einzig in die Conference League geschafft.

Vor Hornicek räumen die beiden Innenverteidiger Stepan Chaloupek und Karel Spacil auf, Sechser Patrik Vydra soll gleich bei mehreren europäischen Top-Klubs auf dem Zettel stehen. Der nicht nur in Deutschland wohl bekannteste Name dürfte aber Adam Karabec sein.

Mit dem Hamburger SV hat der offensive Mittelfeldspieler den Aufstieg in die Bundesliga gepackt und sich dabei in der hervorragend besetzten Mannschaft im Laufe der letzten Saison festgespielt. Längst hat sich Kabarec‘ Marktwert mehr als verdoppelt, die EM dürfte für den 21-Jährigen nun die ganz große Bühne werden, um sich über die zweite deutsche Liga hinaus zu zeigen.

Trainer Jan Suchoparek jedenfalls hat ein funktionierendes Kollektiv zusammen, das gerne im 4-2-3-1 agiert und in den Playoffs den deutlich besser eingeschätzten Belgiern in zwei Spielen keine Chance ließ. Und das den Deutschen zuletzt vor zwei Jahren schon das Fürchten gelehrt hat: Die 1:2-Niederlagen gegen Tschechien, mit Suchoparek an der Seitenlinie, war der Anfang vom Ende für die deutsche Auswahl. Damals übrigens auch schon mit dabei: Adam Karabec.

Und: Von den letzten sechs Spielen gegen eine tschechische U21 hat Deutschland nur ein einziges gewonnen. Die Tschechen sind also so etwas wie ein Angstgegner für die DFB-Auswahl.

  • Deutschland - Tschechien: Sonntag, 15.6., 21:00 Uhr, Sat1

England:

Der große Favorit der Gruppe, wenn man sich nur die Namen der Kaderspieler anschaut. Die Mannschaft von Chefcoach Lee Carsley ist gespickt mit Spielern aus der Premier League oder der Championship, der Marktwert der Mannschaft wird auf rund 400 Millionen Euro geschätzt - so hoch wie bei keinem anderen Team des Endturniers.

Der englische Verband profitiert nun in der zweiten oder dritten Generation von den vor rund 15 Jahren ergriffenen Maßnahmen in der Restrukturierung der Förderkriterien und -strukturen und hat nach Frankreich wohl die größte Auswahl an Top-Talenten überhaupt.

Keeper James Beadle (Brighton), Jarell Quansah (Innenverteidigung, Liverpool), Toni Livramento (Mittelfeld, Newcastle), Elliot Anderson (Mittelfeld, Nottingham), Archie Gray (Mittelfeld, Tottenham) und die Angreifer Ethan Nwaneri (Arsenal) und Harvey Elliott (Liverpool) bilden den Stamm der Mannschaft, der wichtigste Spieler ist aber wohl James McAtee von Manchester City, hinter dem nicht nur die halbe Bundesliga her sein soll.

Carsley hat eine unglaubliche Auswahl an Spielern, jede Position mindestens doppelt besetzt mit Spielern, die in jungen Jahren schon zwei, drei Saisons auf Profi-Level in den Beinen haben und herausragend ausgebildet sind. Und ab und an auch einen sehr großen Namen mit sich herumtragen: Jobe Bellingham hat es als Neuling ebenfalls in den Kader geschafft, dem womöglich zukünftigen Dortmunder steht nach dem Aufstieg mit Sunderland nun das nächste Highlight ins Haus - und das alles mit nur 19 Jahren.

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Die kleinen Three Lions gehören zu den absoluten Top-Nationen und waren schon vor zwei Jahren für Deutschland eine Nummer zu groß. Die 0:2-Niederlage damals besiegelte das endgültige Aus, während die Engländer weiter unbeirrt durchs Turnier und bis zum EM-Triumph marschierten, ohne auch nur ein einziges Gegentor zu kassieren.

Der Gold-Standard dürfte also auch bei dieser EM durch die Engländer gesetzt sein. Und womöglich läuft wie schon vor zwei Jahren auch nun wieder alles auf ein "Endspiel" im letzten Gruppenspiel gegen Lee Carsleys Mannschaft hinaus …

  • Deutschland - England, Mittwoch, 18.6., 21:00 Uhr, Sat1