Der KFC Uerdingen zieht sich aus dem Spielbetrieb zurück, Türkspor Dortmund hat das bereits vorher getan, und der 1. FC Düren hat Insolvenz angemeldet – die Regionalliga West schreibt in dieser Saison viele negative Schlagzeilen. Was steckt hinter dem ganzen Chaos?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Friedhelm Funkel machte keinen Hehl daraus, wie sehr ihn das Aus des KFC Uerdingen trifft. Der 71-Jährige wurde emotional, als man ihn auf den Rückzug des Traditionsklubs aus der Regionalliga West ansprach. "Es bedrückt mich, das tut mir im Innersten weh", sagte Funkel der "Kölnischen Rundschau". Funkel hatte in jungen Jahren für den Krefelder Klub 486 Pflichtspiele absolviert, 1985 den DFB-Pokal gewonnen und war dort später auch Trainer aktiv.

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Für Funkel ist es aber keine Überraschung, dass sich die Uerdinger zum bereits fünften Mal in einem Insolvenzverfahren befinden. "Weil der Verein seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr seriös geführt wird. Es gibt immer wieder neue Vorstände, Streitereien, Hektik und Baustellen. Mal gab es einen Investor aus Russland, dann einen aus Luxemburg. Das hat nichts mit Kontinuität zu tun", sagte Funkel.

Trauriger Einzelfall oder doch mehr?

Alles ein trauriger Einzelfall also? Das Chaos in der Regionalliga West ist in dieser Saison besonders auffällig, denn noch vor dem KFC Uerdingen zog sich bereits Türkspor Dortmund aus dem Spielbetrieb zurück.

Dazu kommt der 1. FC Düren. Auch dort läuft ein Insolvenzverfahren. Trainer und Spieler haben gekündigt. Auch Düren steht vor dem Abstieg, zur Finanzierung der Zukunft wurde eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Ein Rückzug aus der Liga steht aber ebenfalls weiter im Raum.

In der Liga herrscht Unverständnis und Unruhe. Denn natürlich sind Pleiten wie die von Uerdingen, Dortmund und Düren bis zu einem gewissen Grad individuelle Schicksale, Folgen einer Misswirtschaft, ungedeckter Sponsorenverträge oder zu hoher Ausgaben, kombiniert mit einer fatalen Fehlplanung.

Hausgemachtes Chaos

Doch zu einem Großteil ist das Chaos auch hausgemacht. Denn es gibt zwar ein Lizenzierungsverfahren durch den Westdeutschen Fußballverband, doch dabei werden vor allem infrastrukturelle Auflagen kontrolliert, die sogar recht hoch sind. So müssen Fangruppen getrennt werden, überdachte Sitzplätze und adäquate Arbeitsbedingungen für Medien sind nötig. Wie es um die Finanzen steht, wird jedoch nicht kontrolliert.

Niklas Müller
Niklas Müller, Geschäftsführer von Fortuna Köln, kritisiert das Influencer-Probetraining beim 1. FC Düren. © IMAGO/Maximilian Koch

Die Klubs müssen eine Kaution in Höhe von 35.000 Euro hinterlegen. "Das war's im Wesentlichen. Man muss das so klar sagen: Die Struktur des WDFV wird der Vereinsstruktur in der Regionalliga West nicht mehr gerecht. Wir sprechen von einer Profiliga, in der die meisten einen riesigen Aufwand betreiben", sagt Niklas Müller, Geschäftsführer beim West-Regionalligisten Fortuna Köln.

Regionalliga als eine Art Zwischenliga

Trotz des Status "Profi-Liga" geht es aber nicht automatisch überall professionell zu. Für Müller ist die aktuelle Situation ganz klar ein Ergebnis "struktureller Probleme", denn in der Regionalliga als einer Art Zwischenliga zwischen dem Amateur-Fußball und absolutem Profifußball, "musst du rudern".

Rudern, um generell zu bestehen, aber vor allem dann, wenn man sportlich hohe Ambitionen hat. Und die haben vor allem die Traditionsklubs, die neben den U23-Mannschaften der Profis und kleineren Klubs dort spielen. Müllers Verein, Fortuna Köln, jongliert das über ein Sponsoring-Netzwerk. Der Etat liegt bei rund 2,2 Millionen Euro. Über das Sponsoring generieren die Kölner rund 1,5 Millionen Euro pro Saison.

Ein Aufstieg in die 3. Liga würde 1,3 Millionen Euro an zusätzlichen Einnahmen durch TV-Gelder und Zentralvermarktung bringen. "Das zeigt, wie groß die Kluft ist. Viele Vereine unterschätzen, was nötig ist, um hier dauerhaft zu bestehen", sagt Müller. "Und unsere Angst ist, dass wenn sich strukturell nichts ändert, dass diese Kluft zwischen Regionalliga und 3. Liga immer größer wird. Sonst wird die Regionalliga tatsächlich zum 'Friedhof der Traditionsvereine'".

Ein Überlebenskampf

Daher könne man durchaus von einem Überlebenskampf sprechen, betont Müller. "Wenn du aus der Regionalliga heraus willst, brauchst du Drittligastrukturen. Da musst du als Verein einen unfassbaren Aufwand betreiben", sagt Müller, der von einem "Teufelskreis" spricht: "Ohne Gönner ist dieser Aufwand kaum zu leisten."

Auch deshalb braucht die Liga dringend ein echtes Lizenzierungsverfahren. Müller ist davon überzeugt, dass man das Chaos der Regionalliga Weste hätte verhindern können, weil in Uerdingen, Dortmund und Düren teilweise "nicht professionell gearbeitet" wurde. "Mit einem echten Lizenzierungsverfahren hätte man viele Risiken erkannt: ungedeckte Sponsorenverträge, unklare Verbindlichkeiten, fehlende Bürgschaften." Dann hätte es in letzter Konsequenz vorab erst gar keine Lizenz gegeben.

Influencer-Probetraining sorgt für Kopfschütteln

Stattdessen sorgt Uerdingen für Kopfschütteln, weil der Klub gegen die Entscheidung des Insolvenzverwalters, den Spielbetrieb einzustellen, eine einstweilige Verfügung beantragt hat und die Saison unbedingt zu Ende spielen will.

In Düren veranstaltet ein Influencer ein Probetraining, um neue Spieler zu akquirieren. Eine Aktion, die dem Klub viel Kritik einbrachte. "Da fehlt jeglicher Respekt vor dem Wettbewerb, das schmälert den immensen Aufwand, den Spieler und Vereine Woche für Woche leisten", sagt Müller. Sportlichen Erfolg hatte die Aktion auch nicht, es setzt weiterhin Niederlagen.

Laut dem ZDF haben seit Einführung der 3. Liga 2008/09 20 Klubs in der Regionalliga Insolvenz angemeldet, das aktuelle Chaos ist das i-Tüpfelchen auf einer fatalen Entwicklung. Daher braucht es "zu 100 Prozent" eine Reform, wie Müller betont.

Dafür gibt es bereits die Initiative "Aufstiegsreform 2025" aus dem Nordosten. Die strebt vier Regionalligen und vier Aufsteiger an. Aktuell sind es fünf Regionalligen – neben West auch Nord, Nordost, Südwest und Bayern –, wobei die West- und Südwest-Meister direkt aufsteigen. Ein weiterer direkter Aufstiegsplatz in die 3. Liga geht jeweils an den Meister der Regionalligen Nord, Nordost und Bayern – allerdings nach einem jährlich wechselnden Rotationsprinzip.

Der vierte Startplatz wird zwischen den beiden verbleibenden Regionalliga-Meistern in einer Relegation mit Hin- und Rückspiel ausgespielt. Ein Meister schaut also in die Röhre. Mittelfristig wäre sogar eine zweigleisige Regionalliga denkbar. Doch bereits der erste Schritt gestaltet sich schwierig, weil es immer noch viele unterschiedliche Interessen gibt.

Wunsch nach Veränderung ist breiter geworden

Trotzdem ist Müller "optimistischer als noch vor ein paar Jahren", dass sich etwas tut. Denn immer mehr Vereine drängen auf eine Reform, schließlich hat das aktuelle Chaos eine fatale Außenwirkung und hält Sponsoren ab oder vergrault sie. So oder so wird der Druck auf den Verband größer. "Der Wunsch nach Veränderung ist breiter geworden – und das ist die Grundvoraussetzung für echte Reformen", sagt Müller.

Und die finanziellen Probleme? Das ist noch offen, ein Bündnis großer Regionalliga-Vereine könnte laut Müller aber dazu beitragen, den Weg für eine Art "Mini-Lizenzierung" freizumachen. Eine abgespeckte Version des Drittliga-Verfahrens, denn der DFB durchleuchtet in Liga drei seine Klubs gnadenlos – mit geprüften Planungen, Jahresabschlüssen, Liquiditätsnachweisen. "Die Werkzeuge existieren ja längst. Es braucht nur den Willen, sie auf die Regionalliga anzuwenden", betont Müller. Sonst wird der KFC Uerdingen wohl nicht der letzte Traditionsklub sein, der auf der Strecke bleibt.

Über den Gesprächspartner

  • Niklas Müller (29) ist seit 2019 Geschäftsführer bei Fortuna Köln.

Verwendete Quellen