Immerhin ein Profiklub hat vorgemacht, wie man mit Rassismus beim Fußball umgeht. Der Drittligist Chemnitzer FC hatte seinen verletzten Torjäger Daniel Frahn am Samstag beim Auswärtsspiel in Halle/Saale auf den Zuschauerrängen entdeckt - inmitten von Mitgliedern der rechtsradikalen Szene.
Zwei Tage später kam die Kündigung: Der ehemalige Kapitän, ein Wiederholungstäter, muss sich einen neuen Verein suchen.
Der Rauswurf sollte Signalwirkung zeigen: Chemnitz wollte über jeden Zweifel erhaben sein, dass eine Nähe zum Rassismus nicht geduldet wird. Andere Vereine müssen erst noch den Nachweis erbringen, dass ihre Appelle gegen Ausländerfeindlichkeit nicht nur schöne Worte sind.
BVB-Ikonen Dickel und Owomoyela im Fokus
Noch bevor Clemens Tönnies dem Ehrenrat des FC Schalke heute Rede und Antwort steht, schüttelt ein weiterer Rassismus-Eklat den Nachbarn Borussia Dortmund durch.
Was man bisher weiß: Die beiden BVB-Ikonen Norbert Dickel und Patrick Owomoyela hatten das Udine-Testspiel (4:1) für den vereinseigenen TV-Service kommentiert und dabei Wörter benutzt, die als rassistische Entgleisung gelten.
Sie nannten die Italiener nicht nur “Itaker” und machten sich über Namen des Gegners lustig. Owomoyela imitierte an einer Stelle Adolf Hitler und tönte: “Große Schlachten, die hier geschlagen werden.”
Schnell sammelte sich Protest in den Sozialen Netzwerken. Borussia Dortmund bekam Wind von der Angelegenheit, löschte alle Aufnahmen im Internet und wollte die Sache unter den Teppich kehren. Samstag war Dickel Stadionsprecher beim Supercup.
Borussia Dortmund veröffentlicht Stellungnahme
Erst neun Tage später, als der WDR den Vertuschungsversuch auffliegen ließ, veröffentlichte der BVB eine Stellungnahme: eine scharfe Verurteilung mit Ankündigung von Sanktionen. Das war’s.
Der neue Rassismus-Eklat ist umso peinlicher, weil Bundesliga-Präsident Reinhard Rauball, gleichzeitig Präsident von Borussia Dortmund, noch am Wochenende die Entgleisungen des Schalker Aufsichtsratsvorsitzenden
Nun holt ihn der nächste Fall im eigenen Klub ein. Die Liga steuert auf zwei Grundsatzfragen zu: Was sind die öffentlichen Appelle gegen Rassismus eigentlich wert? Und wie geht man damit um?
Die Reaktionen auf den Fall Tönnies offenbaren das Dilemma. Da gibt es die einen, die keinen Millimeter Toleranz bei der Verurteilung rassistischer Sätze zugestehen. Und dann die anderen, die nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen wollen.
Wie viel Chemnitz steckt im FC Schalke 04?
Bei denen ist gelungen, was die AfD mit der Infiltrierung von Vokabeln versucht: dass Ungeheuerlichkeiten Einzug in den allgemeinen Wortschatz finden. “Ist ja nicht so schlimm”, soll das Resultat sein.
Nun ist Owomoyela unverdächtig, rechtes Gedankengut verbreiten zu wollen. Nicht zu Unrecht weist der BVB darauf hin, dass er und Dickel seit Jahren gegen Diskriminierung eintreten.
Man könnte ihre Entgleisung darum als Bubenstreich abtun, wie es Fußballer halt so machen. Aber der eine ist 39 Jahre alt, der andere 57. Beide sind keine Jungs mehr. Offenbar fehlt einigen im Fußball ein Selbstverständnis von der eigenen Vorbildrolle.
Dem Ehrenrat des FC Schalke steht deshalb eine wegweisende Aufgabe bevor: Wie geht ein Bundesliga-Klub mit rassistischen Entgleisungen in den eigenen Reihen um?
Wenn es zu Schmähungen auf den Rängen kommt, sind die Entscheidungsträger mit ihrer Verurteilung schnell bei der Sache. Was aber passiert, wenn das Vergehen im Führungszirkel passiert? Wie viel Chemnitz steckt in Schalke?