Natürlich mussten Hansi Flick und Hasan Salihamidzic einen Burgfrieden schließen. Uli Hoeneß hätte ihnen sonst die Ohren langgezogen.

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Wer den Erfolg dadurch gefährdet, dass der eine beleidigt die Kaderplanung des anderen seziert und der andere daraufhin mit Liebesentzug droht, lernt beim FC Bayern den vereinseigenen Physiotherapeuten aus Canossa kennen. Dann heißt es: Knie beugen und Kopf senken, bis das Rückgrat weich ist.

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Bayern München hat sich da in eine ulkige Lage manövriert. Die Mannschaft schießt sich in die Pole Position der Champions League, während ihre direkten Ansprechpartner, der Trainer und der Sportvorstand, um mehr Mitspracherecht bei Personalentscheidungen buhlen.

Kimmich ruft zur Ordnung auf

Mittelfeldspieler Joshua Kimmich, nicht mal halb so alt wie Flick, musste seine Chefs öffentlich um Contenance bitten. Er sagte bei Sky:

"Man bekommt natürlich auch mit, was außerhalb geschrieben und diskutiert wird. Am Ende des Tages wäre es schöner bei dem Erfolg, wenn auch Ruhe einkehrt, wenn man vor allem intern nicht Zündstoff nach außen gibt."

So weit ist es also beim FC Hollywood gekommen: Der eigene Spieler ruft zur Mäßigung auf. Vielleicht wäre der Ordnungsruf schon von ganz oben vernehmbar gewesen, wenn nicht Karl-Heinz Rummenigge seine letzten Monate als Vorstandsvorsitzender auskosten wollte und stattdessen die Tagesordnung regeln würde, bevor Nachfolger Oliver Kahn die Amtsgeschäfte übernimmt. So fehlt einer, der nicht nur in der eigenen Geschäftsstelle auf den Tisch haut.

Salihamidzic übt sich in Schweigen

Wer hat das Sagen beim FC Bayern? Hasan Salihamidzic übt sich in Schweigen. Er könnte zur Überlieferung, dass Ersatztorwart Alex Nübel eine gewisse Zahl von Spieleinsätzen zugesagt wurde, eine Menge Details beitragen. Die würden aber womöglich dazu führen, dass der Trainer sein Hoheitsrecht bei der Mannschaftsaufstellung eingeschränkt sieht. Er müsste folglich die Wahrheit portionieren und Kreide fressen. Lieber schweigt er.

Denn er weiß auch: Bekommt Hansi Flick die Gelegenheit, seinen Abgang Richtung DFB argumentativ vorzubereiten, um Bundestrainer zu werden, entfalten die Probleme mit dem Machtvakuum beim FC Bayern München vollumfänglich ihre Wirkung. Es gibt da draußen keinen Trainer, der die Flick-Nachfolge vorbehaltlos antreten könnte. Jeder Trainer, der aktuell zu haben ist, wäre aus verschiedenen Gründen ein Experiment.

Trotz brenzliger Situation leiden die Leitungen nicht

Zumal: Der Neue wird immer daran gemessen, was Hansi Flick aus dieser Mannschaft rausgeholt hat.

Wenn der Vorgänger sechs Titel in anderthalb Jahren gewinnt, ist jeder einzelne verlorene Titelkampf - in welchem Wettbewerb auch immer - eine persönliche Niederlage. Und alle, denen man die Herausforderung trotzdem zutraut, Julian Nagelsmann und Thomas Tuchel, stehen anderswo unter Vertrag. Die Lage ist, siehe oben, vertrackt.

Dem FC Bayern bleibt demnach keine andere Wahl als ein Burgfrieden, der solange dauert, bis sich die Situation entspannt oder das Branchengesetz greift, wonach noch jeder Fußballtrainer nur eine limitierte Haltbarkeit erlebt. Die schlechte Nachricht für die Konkurrenz: Die Mannschaft macht nicht den Eindruck, dass sie deswegen schwächeln wird. Robert Lewandowski wird ungerührt die acht Buden machen, die er zum Müller-Rekord (40 Tore) braucht.

Pit Gottschalk ist Journalist und Buchautor. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit’ch erhalten Sie hier: http://newsletter.pitgottschalk.de/.
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