Es ist nicht lange her, dass wir vom Fußball-Business eine gewisse Demut erwartet haben, eine Zurückhaltung auf dem Transfermarkt oder eine Mäßigung bei den Gehaltsverhandlungen. Die Vereine jedenfalls gelobten Besserung: Corona habe ihnen den Boden unter den Füßen weggezogen, einige forderten sogar staatliche Hilfe ein. Man müsse kürzertreten.

Eine Kolumne
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Inzwischen ist die versprochene Geisteshaltung verflogen. Die Branche bewegt sich Richtung Größenwahn zurück. Wie einst das Finanzwesen kurz nach der Bankenkrise. 24 Millionen Euro netto erwartet der Haaland-Berater Raiola, wenn Erling Haaland nächstes Jahr Borussia Dortmund verlässt und bei einem neuen Geldgeber unterschreibt. 24 Millionen netto!

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Das wären in Deutschland rund 48 Millionen Euro brutto, also vier Millionen im Monat, und in England um die 35 Millionen Euro brutto. Das ist eine wahnsinnig große Summe für einen, der noch keinen namhaften Titel gewonnen hat. (Zugegeben, den DFB-Pokal.) Zum Vergleich: Weltfußballer Robert Lewandowski bekommt bei Bayern rund 25 Millionen Euro im Jahr - brutto.

Der Markt regelt die Preise

Es ist ja unbestritten, dass Haaland ein Torjäger mit Zukunft ist und womöglich jedes Milliönchen mit Toren belohnt. Aber er kann gar nicht so viele Treffer erzielen, wie er kostet. Noch viel schlimmer ist das Signal, das von ihm ausgeht: Die Entfremdung von der Realität des Publikums erreicht erneut nicht mehr fassbare Dimensionen. Messi und Ronaldo lassen grüßen.

Da passt ins Bild, dass gestern die Gerüchte um Kylian Mbappé neue Nahrung erhielten. Real Madrid, eigentlich klamm, will tatsächlich 160 Millionen Euro Ablöse zahlen, damit der französische Weltmeister Paris verlässt. Drehen jetzt alle wieder durch? Die Spieler können der Verlockung kaum widerstehen, dass ihr Gehalt explodiert. Auch Haaland nicht.

Man kann ihm und seinem Berater nicht vorwerfen, dass sie nur das Beste wollen, das Geld der Vereine, und kein Maß finden. Verrückt sind die Klubs, die sich auf die Geldverschwendung einlassen. Wohin das führt, erlebt der FC Barcelona: Es wird eine Weile dauern, bis der Traditionsverein die kostspieligen Messi-Jahre überwunden hat und den Abgrund verlässt.

Ja, Angebot und Nachfrage. Solange Scheichklubs, Großsponsoren und staatlich finanzierte Fußballunternehmen keine Grenzen bei ihren Ausgaben setzen, wird es diese Wahnsinnsgehälter geben. So funktioniert der Markt. Aber genau hier muss man den Hebel ansetzen: Dass man den Markt ebenso konsequent reguliert, also den Regeln des Menschenverstands unterwirft.

Die UEFA muss handeln, um die Fans nicht zu verlieren

Gehaltsobergrenze, Kostennutzenrechnung, Umsatzorientierung: Es mangelt nicht an Ideen, sondern am Mumm zur Umsetzung. Die UEFA wäre hier gefordert. Doch von ihr kommt nichts außer Absichtserklärungen, die ins Leere laufen. Ungehindert gehen Berater ihrem Werk nach und finden schon jemanden, der zahlt. Einer zahlt immer. Und am Ende der Fan.

Denn das ist die Kehrseite. Alles am Fußball wird dadurch teurer. Die Trikots, die Tickets, das Bezahlfernsehen, sogar Bier und Bratwurst im Stadion. Ist das der Fußball, den wir wollen?

Haaland kann nichts dafür, dass er jetzt wie Frischfleisch europaweit angeboten wird. Ihm geht es nicht anders als Mbappé. Es ist nur so traurig, das anzuschauen. Der Preis ist viel zu hoch.

Pit Gottschalk ist Journalist und Buchautor. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit’ch erhalten Sie hier.
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