Was gilt es bei der Buchung einer Pauschalreise zu beachten? Sollte man immer eine Reiserücktrittsversicherung abschließen? Und was, wenn höhere Gewalt im Spiel ist und der Flieger nicht wie geplant starten kann? Alle Jahre wieder stehen Reisende vor jeder Menge Fragen. TV-Anwalt Ingo Lenßen beantwortet die wichtigsten Fragen, damit dem wohlverdienten Urlaub nichts mehr im Wege steht.
Aktuell steht Ingo Lenßen in der zweiten Staffel der Sat.1-Show "Lenßen hilft" Hilfesuchenden mit Rat und Tat zur Seite. Kurz vor Beginn der Ferienzeit hat der Anwalt mit uns gesprochen und Fragen rund um Pauschalreisen, Reiserücktrittsversicherungen und Rechtsschutzversicherungen beantwortet.
Herr Lenßen, sollte man auch bei der Buchung einer Pauschalreise immer eine Reiserücktrittsversicherung abschließen?
Ingo Lenßen: Auf jeden Fall. Das hat einen ganz einfachen Grund, denn es ist immer möglich, dass man selbst oder ein Angehöriger zum Reisezeitpunkt erkrankt, sodass die Reise nicht angetreten werden kann. Deswegen sollte man sich immer die Möglichkeit schaffen, möglichst kostenneutral wieder aus dem Vertrag austreten zu können.
Ohne eine Reiserücktrittsversicherung schwinden demnach die Hoffnungen auf eine vollständige Erstattung, sofern die Reise nicht angetreten werden kann?
So ist es. Es gibt jedoch eine Alternativmöglichkeit, um nicht auf allen Kosten sitzenzubleiben: Schlägt man dem Reiseveranstalter eine Person vor, die unumwunden – also mit gleichen Rechten und Pflichten – in den Reisevertrag eintritt, muss das Reiseunternehmen dieser Alternativmöglichkeit zustimmen. Natürlich sollte vorab immer ein Blick in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmens geworfen werden.
Was unterscheidet eigentlich eine Pauschal- von einer Individualreise?
Bucht man bei einem Reiseveranstalter eine Reise, die aus mindestens zwei Teilen, beispielsweise Flug und Hotelaufenthalt, besteht, sprechen wir von einer Pauschalreise. Im Vergleich dazu bucht man bei einer Individualreise den Flug und Aufenthalt separat. Individualreisende können unabhängig von den begrenzten Kombinationsmöglichkeiten einer Pauschalreise ihre Reise buchen und planen.
Auf der anderen Seite haben es Pauschalurlauber etwas leichter Ihre Rechte durchzusetzen, falls die Reise mangelhaft war. Sie haben beim Reiseveranstalter die Möglichkeit, über den Reiseleiter Reisemängel anzumelden. Hat der Flug etwa Verspätung oder das Hotelzimmer weist Mängel auf, kann sich der Reisende an die Reiseleitung vor Ort wenden und Hilfe suchen. Anders bei der Individualreise, hier muss der Reisende selbst seine Ansprüche einzeln geltend machen, sei es bei der Airline oder dem Hotel.
Was kann man tun, wenn das gebuchte Hotelzimmer ganz anders aussieht, als auf der Website angepriesen?
Wer beispielsweise ein Hotelzimmer mit Meerblick bucht, aber ein Zimmer mit Blick auf eine Baustelle erhält, hat zwei Möglichkeiten: Entweder findet ein Gespräch mit dem Reiseleiter vor Ort statt, in dem auf das gebuchte Zimmer mit Meerblick bestanden wird. Oder man nimmt das Zimmer und den Blick auf die Baustelle hin und fordert eine entsprechende Reisepreisminderung ein. Für solche Fälle lohnt sich ein Blick in die sogenannte Frankfurter Tabelle. Dort bekommt man einen Überblick darüber, um wie viel Prozent der Reisepreis bei welchem Mangel gemindert werden kann.
Was ist die Frankfurter Tabelle?
- Die Frankfurter Tabelle ist eine im Reiserecht verwendete Liste zur Bestimmung der Höhe von Preisminderungen bei Mängeln einer Pauschalreise. Sie ist nicht rechtlich bindend, sondern dient lediglich der Orientierung.
- Ihren Namen trägt sie, weil sie Urteile des Frankfurter Landgerichts zu Mängeln bei Pauschalreisen zusammenfasst.
Wann sollten Pauschalreisende juristischen Rat hinzuziehen?
Es ist wichtig, dass sich der Reisende vor Ort an die entsprechende Reiseleitung wendet und den jeweiligen Missstand klar kommunizieren. Mit der schriftlichen Bestätigung des Reiseleiters über die Anmeldung des Mangels sollten die Reisenden dann an das Reiseunternehmen herantreten und eine entsprechende Reisepreisminderung einfordern. Kommt das Unternehmen der Forderung im Rahmen einer festgelegten Frist nicht nach, empfehle ich, juristischen Rat hinzuzuziehen. Hierbei sollte aber nicht vergessen werden, dass man gute Nerven braucht, um rechtliche Ansprüche geltend zu machen. Insofern rate ich immer dazu, realistisch abzuwägen, ob sich das Prozedere bei einem möglicherweise nicht allzu gravierenden Mangel lohnt.
Wie verhält es sich mit der Stornierung einer Individualreise?
Wird bei einer Individualreise beispielsweise ein Flug storniert, können Reisende den Flugpreis zurückerstattet bekommen. Hat der Flug eine Verspätung von mehr als drei Stunden, kann Schadensersatz zwischen 250 und 600 Euro gefordert werden – abhängig davon, ob die Reisenden im europäischen Ausland oder interkontinental unterwegs sind. Ein individuell gebuchtes Hotel hat jedoch mit der Stornierung oder Verspätung eines Fluges nichts zu tun. Insofern können die Hotelbetreiber auf den vollen Preis bestehen – auch wenn die reisende Person gar nicht oder stark verspätet angekommen ist.
Was, wenn ein Rückflug aus dem Urlaub annulliert wird und die Urlauber am Folgetag nicht zur Arbeit erscheinen können?
Hier sprechen wir von einem arbeitsrechtlichen Fall. Der Arbeitgeber hat nichts mit der Reisebuchung des Arbeitnehmers zu tun. Insofern kann und darf er darauf bestehen, dass die Arbeit pünktlich nach der geplanten Urlaubsrückkehr wieder aufgenommen wird. Der Arbeitnehmer wäre in diesem Fall also auf das Verständnis des Arbeitgebers angewiesen. Im Zweifel kann dem Arbeitnehmer für das Nichterscheinen am Arbeitsplatz für jeden Tag ein Urlaubstag oder der entsprechende Lohn abgezogen werden.
Was, wenn das Reiseunternehmen, die Airline oder das Hotel insolvent geht?
Wer in Deutschland eine Reise bucht, sollte sich immer mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen befassen. Nach deutschem Recht sind Reiseveranstalter dazu verpflichtet, einen Sicherungsschein auszustellen. Pauschalreisen werden vor Reiseantritt bezahlt – die Reisenden geben dem Veranstalter also gewissermaßen einen Vorschuss auf die noch zu erbringende Leistung. Diese Zahlung kann durch einen Sicherungsschein entsprechend abgesichert werden für den Fall einer Insolvenz. Bedeutet: Ein Sicherungsschein deckt das Risiko ab, dass Reisende ihr Geld nicht zurückerstattet bekommen. Umso wichtiger ist es, im Zuge der Buchung auf die Ausstellung eines Sicherungsscheines zu bestehen, um sich für den Fall eines Falles abzusichern.
Und wenn höhere Gewalt im Spiel ist: Wer haftet bei einem Orkan oder Erdbeben?
Kann ein Flieger beispielsweise nicht starten, weil die Klimaanlage in der Kabine defekt ist, haftet die entsprechende Airline auch für Schadensersatz. Anders verhält es sich, wenn etwa der Flugbetrieb wegen eines Orkans oder Erdbebens eingestellt werden muss. Denn auch wenn die gebuchte Leistung nicht erbracht werden kann, liegt die Ursache für den nicht stattfindenden Flug nicht bei der Airline. Den Flugpreis können Sie allerdings zurückverlangen.
Ist eine nachträgliche Preiserhöhung einer Pauschalreise durch den Anbieter erlaubt?
Empfehlungen der Redaktion
Auch hier empfehle ich immer, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Reiseunternehmens zu lesen. Denn enthalten sie die Angabe, dass der Reisepreis um bis zu acht Prozent erhöht werden kann, ist diese gültig. Diese Preiserhöhung muss jedoch bis spätestens 20 Tage vor Reisebeginn mitgeteilt worden sein. Liegt die Preiserhöhung über acht Prozent, hat der Reisende ein Sonderkündigungsrecht.
Wie wichtig ist eine Rechtsschutzversicherung für Reisende?
Ich bin ein großer Freund von Rechtsschutzversicherungen. Wenn man etwa einen Reisemangel geltend machen oder die Airline wegen einer mehrstündigen Flugverspätung zur Verantwortung ziehen möchte, reagieren die entsprechenden Ansprechpersonen häufig nicht. Insofern ist es immer gut, juristischen Beistand zurate ziehen zu können. Dank einer Rechtsschutzversicherung entsteht kein Kostenrisiko.
Über den Gesprächspartner
- Ingo Lenßen ist ein deutscher Jurist und Fachanwalt für Strafrecht. Zunächst wirkte er in der Sat.1-Serie "Richter Alexander Hold" mit, ehe von 2003 bis 2009 mit "Lenßen und Partner" eine eigene Serie mit ihm ausgestrahlt wurde. Nach weiteren TV-Projekten ist der Anwalt seit 2024 in der Produktion "Lenßen hilft" zu sehen. Mit den Rechtsanwälten Lisa Cramer und Lennart Hartmann berät er Hilfesuchende in echten Fällen, die aus den Bereichen Familienrecht, Arbeitsrecht, Mietrecht, Erbrecht und Strafrecht stammen.