Das Morning Briefing von Gabor Steingart - kontrovers, kritisch und humorvoll. Wissen, über was politisch diskutiert wird. Heute: Die Differenzen innerhalb der Demokraten und die Aufarbeitung der Wahl.

Guten Morgen, liebe Leserinnen, liebe Leser,
innerhalb der amerikanischen Linken hat die Aufarbeitung des nur knappen Wahlsieges von Joe Biden begonnen, den viele als Beinahe-Niederlage empfunden haben. Besonders deutlich meldet sich die linke Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez zu Wort.
Im Interview mit der "New York Times" wirft sie Biden vor, die Agenda der progressiven Parteijugend zu ignorieren und sein Übergangsteam vor allem mit dem Parteiestablishment zu bestücken.
Aber auch der eher traditionelle Parteiflügel der Demokraten ist sauer. Er glaubt, dass die Linken einen fulminanten Wahlsieg von Joe Biden vermasselt haben. Das "weltfremde Gerede über Sozialismus und die Abschaffung der Polizei" hätten sie fast die Wiederwahl gekostet, sagt die Demokratin Abigail Spanberger aus Virginia. Der demokratische Abgeordnete Brendan Boyle stemmt sich gegen die Twitter-Blase, die das demokratische Projekt seiner Ansicht nach mit heißer Luft aus den Debattierclubs von San Francisco, Washington und New York aufgepumpt hat:
Sie sei im Herzen nach wie vor "eine Partei der working class, gleichgültig, ob weiß, afroamerikanisch oder Latino." Der "New York Times"-Autor und Pulitzer-Preisträger Thomas L. Friedman pflichtet bei:
Der Historiker und leitende Redakteur der Innenpolitik bei der "SZ", Joachim Käppner, beschäftigt sich in einem Essay mit der Debatte nach dem Wahlausgang. Er sagt:
Wenn das progressive Amerika sein "Heil in den safe spaces der Gleichgesinnten sucht, in einer behaupteten höheren Moral, stets das Trennende statt das Gemeinsame betont, verliert auch sie diesen Kampf." Prädikat: lesens- und nachdenkenswert.
Ich wünsche Ihnen einen beherzten Start in den neuen Tag. Bleiben Sie mir gewogen. Es grüßt Sie auf das Herzlichste
Gabor Steingart