• Seit der Bundestagswahl 2021 geht es für die FDP stetig bergab.
  • Auch bei der Berlin-Wahl sind die Freien Demokraten an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. In Bremen und Bayern sieht es ebenfalls schlecht aus.
  • Einem Wahlforscher zufolge ist die FDP in einer "sehr, sehr schwierigen Lage".
Eine Analyse
von Ulrich Steinkohl (dpa)
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Ulrich Steinkohl (dpa) sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

4,8 Prozent im Saarland und die Rückkehr in den Landtag verpasst. 6,4 Prozent in Schleswig-Holstein und aus der Regierung geflogen. 5,9 Prozent in Nordrhein-Westfalen und ebenfalls von der Regierungs- auf die Oppositionsbank verbannt. Und schließlich in Niedersachsen mit 4,7 Prozent erneut die Fünf-Prozent-Hürde gerissen.

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Das war die Pleitenserie der FDP im vergangenen Jahr. Beim ersten Urnengang in diesem Jahr knüpften die Liberalen daran nahtlos an. In Berlin blieben sie am Sonntag wieder unter fünf Prozent und müssen im Abgeordnetenhaus nun ihre Büros räumen. Es läuft einfach nicht bei der FDP.

Lange ist es her, dass die Liberalen triumphieren konnten. Das war bei der Bundestagswahl im Herbst 2021, wo sie exzellente 11,5 Prozent holten. Seitdem ging es nur bergab – bei den Landtagswahlen, aber auch in den bundesweiten Umfragen, wo die FDP jetzt bei sechs bis acht Prozent angekommen ist.

Und die weiteren Wahlen in diesem Jahr könnten ebenfalls schwierig werden. So ist etwa Bremen, wo im Mai gewählt wird, nicht gerade ein FDP-Pflaster. Schon mehrfach scheiterten die Freien Demokraten dort an der Fünf-Prozent-Hürde. Gleiches gilt für Bayern. Dort wird im Oktober ein neuer Landtag gewählt. Noch am erfolgversprechendsten ist für die FDP die Hessen-Wahl am selben Tag.

Berlin-Wahl: Sogwirkung Richtung Union?

Im Grunde kann Parteichef Christian Lindner an diesem Montag die gleiche Analyse vornehmen wie nach der vergeigten Niedersachsen-Wahl im vergangenen Oktober. Der FDP gelinge es gegenwärtig nicht, für ihr Profil hinreichend Unterstützung zu bekommen, bedauerte er damals. Sie stelle sich der Herausforderung, das als richtig erkannte Profil "jetzt herauszuarbeiten und zu stärken". Es gehe darum, "wie wir die Positionslichter der FDP anschalten".

In den vier Monaten bis zur Berliner Abgeordnetenhauswahl am Sonntag ist dies ganz offensichtlich nicht gelungen. "Selbstverständlich hat das auch Folgen mit Blick auf Berlin", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Wahlabend in der "Berliner Runde" des ZDF und meinte damit die Ampel. "Ich bleibe dabei, dass die FDP, vor allem die Stimme der FDP innerhalb der Koalition, innerhalb der sogenannten Ampel-Koalition, noch deutlicher sein muss."

Aus Sicht des Berliner FDP-Fraktionschefs Sebastian Czaja ist das Wahlergebnis bei der Abgeordnetenhauswahl ein klares Signal für den Wählerwunsch nach einer neuen Landesregierung. "Ich glaube, dass hier zum Ausdruck gebracht wurde, dass man einen politischen Wechsel in der Stadt haben möchte", sagte Czaja am Montag der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Es sei jetzt Aufgabe der im Parlament vertretenen Kräfte, ernsthafte Gespräche über eine Koalitionsbildung zu führen.

Zum Abschneiden der FDP erklärte Czaja, er gehe davon aus, dass es eine gewisse Sogwirkung Richtung Union gegeben habe. Gerade Wechselwähler hätten sich entschieden, die CDU möglichst stark zu machen. Die FDP habe rund 29.000 Wählerinnen und Wähler an die Christdemokraten verloren. "Das ist ein guter Prozentpunkt, wenn nicht ein bisschen mehr." Zu seiner eigenen Zukunft sagte Czaja: "Das wird sich in den nächsten Wochen sortieren, wie ich weitermache und was ich mache." Ob er in der Landespolitik bleibe, könne er noch nicht mit Ja oder Nein beantworten.

CSU: Ampel ist "Abwrackprogramm" für die FDP

Vielleicht ist es ja einfach so, dass die FDP-Klientel nach wie vor damit hadert, dass ihre Partei diese "sogenannte Ampel-Koalition" überhaupt eingegangen ist. Lindner kennt die Vorbehalte und erklärt gern, dass diese Koalition keine Liebesheirat war, sondern eine reine Vernunftehe ist.

"Die FDP ist diese Ampel aus staatspolitischer Verantwortung eingegangen, weil CDU und CSU nicht regierungsbereit waren. Wir sind sie eingegangen, weil wir mussten", sagte er beispielsweise im vergangenen Jahr im ZDF-Sommerinterview. "Aber wir sind in der Ampel, weil wir Gutes bewirken."

Das scheint allerdings noch nicht bis zu den Wählerinnen und Wählern durchgedrungen zu sein. Was den politischen Gegner freut. "Die Ampel ist ein regelrechtes Abwrackprogramm für die FDP", diagnostizierte CSU-Generalsekretär Martin Huber in der "Berliner Runde" nicht ohne einen Schuss Häme.

Wahlforscher: FDP in "sehr, sehr schwieriger Lage"

Nach Einschätzung des Wahlforschers Thorsten Faas bringt die Schlappe bei der Berlin-Wahl die FDP bundesweit weiter in Bedrängnis. "Die FDP ist ein deutlicher Wahlverlierer", sagte Faas der dpa. "Das zeigt, dass die Partei insgesamt in einer sehr, sehr schwierigen Lage ist."

Die FDP sei "beim Mitregieren in der Ampel nicht mit sich im Reinen", sagte Faas, Politikprofessor an der Freien Universität Berlin. Eine Opposition innerhalb der Regierungskoalition funktioniere aber auch nicht. "Das sind große Herausforderungen und die werden auch nicht weggehen."

Die grundsätzliche Idee der Ampel als Fortschrittskoalition habe zu Beginn ganz gut funktioniert, sagte Faas. "Dann hat der Russland-Ukraine-Krieg wieder die klassisch sozialstaatlichen und ökonomischen Fragen in den Vordergrund gerückt, bei denen SPD, Grüne und FDP schwer zueinander finden." Alle Partner der Ampel müssten sich profilieren, doch dürfe die Koalition nicht wie eine Chaostruppe wirken. Dies gelinge dann, wenn man "wieder eine positive Erzählung für diese Ampel findet", sagte Faas.

Keine offene Kritik an FDP-Parteiführung

Erstaunlich ist, dass es trotz der Pleitenserie bisher keine offene Kritik an der Parteiführung gibt. Wenn Journalistinnen und Journalisten diese abrufen wollen, wenden sie sich regelmäßig an Gerhart Baum. Das FDP-Urgestein haut als Einziger mal ein paar kritische Sätze raus. Nach der Wahl in Niedersachsen verlangte er zum Beispiel ein klareres Bekenntnis der FDP zur Ampel-Koalition.

"Wer sich dauernd darüber beklagt, dass er mit zwei Linksparteien im Boot sitzt, der vergisst, dass er das Boot mitsteuern kann. Und er vergisst, dass er auch gefragt werden könnte, warum er denn nicht aussteigt", sagte Baum damals der dpa. Das klingt heute so aktuell wie damals.

Sollte der Parteibasis nach dem Verteilen von Denkzetteln zumute sein, böte sich Ende April eine gute Gelegenheit dazu. Dann trifft sich die FDP zum Bundesparteitag und wählt die Führungsmannschaft neu. Die Richtschnur für Lindner sind 93 Prozent, sein Ergebnis von vor zwei Jahren.

Mit zusätzlichen Informationen ergänzt von tas.