CSU-Parteichef Horst Seehofer kämpft angesichts des drohenden Debakels bei der Landtagswahl in Bayern um die Macht. Doch Abschreiben sollte man den gewieften Strategen noch nicht.

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Für Horst Seehofer dürfte Sonntag ein entscheidender Tag in seiner politischen Karriere werden.

Denn bewahrheiten sich die Umfragen, verliert seine CSU ihre absolute Mehrheit in Bayern. Schon jetzt schieben sich der Parteichef und sein ihm in herzlicher Abneigung verbundener Nachfolger im Ministerpräsidentenamt, Markus Söder, gegenseitig die Verantwortung dafür zu.

Söder gibt der großen Koalition wegen deren schlechten Erscheinungsbildes zumindest eine Mitschuld an den desaströsen Umfragewerten der CSU. Und wenn er "Berlin" sagt, meint er auch Seehofer, der als Innenminister im Bundeskabinett sitzt.

Der wies den Vorwurf zurück: Er habe sich im letzten halben Jahr "weder in die bayerische Politik noch in die Wahlkampfführung eingemischt" - das sei das "persönliche Vorrecht" Söders.

Seehofer ist ein mit allen Wassern gewaschener Vollblutpolitiker und gewiefter Stratege mit jahrzehntelanger Erfahrung auch auf dem bundespolitischen Parkett.

Seehofer ließ sich Ministerium auf den Leib schneidern

Die Münchner Staatskanzlei verließ er im März dieses Jahres auch auf Betreiben Söders, um nach Berlin zu gehen.

Dafür ließ sich Seehofer das größte Ministerium auf den Leib schneidern, das es je gab: neben dem Inneren ist er für Bau und die noch im Aufbau befindliche Abteilung Heimat zuständig, Herr über acht - männliche - Staatssekretäre und rund 1.500 Mitarbeiter.

Kritiker werfen ihm vor, er sei mit dem Mammuthaus überfordert. Tatsache ist, dass Seehofer alles andere als einen glücklichen Start hatte. So sorgte er gleich zu Beginn mit seiner Feststellung, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, für breite Empörung.

Im Juni kochte der Skandal um offenbar zahlreiche fehlerhafte Asylbescheide der Bremer Außenstelle des Bamf hoch, Seehofer entließ schließlich Behördenchefin Jutta Cordt und versprach Reformen.

Von viel Kritik begleitet war sein wochenlang unveröffentlichter "Masterplan" zur Migration. Die darin geplanten Ankerzentren hat bislang außer Bayern kaum ein Bundesland umgesetzt.

GroKo platzt fast an Flüchtlingsfrage - auch Causa Maaßen belastet Regierungsarbeit

Im Frühsommer eskalierte dann der Streit zwischen Merkel und Seehofer über die Flüchtlingspolitik derart, dass sogar ein Bruch der jahrzehntealten Union aus CDU und CSU im Raum stand.

Auf dem Höhepunkt bot Seehofer seinen Rücktritt an, um dies wenig später wieder zurückzunehmen, als ein Kompromiss mit der CDU gefunden war.

Wochenlang hielt zuletzt der Streit um Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und dessen Äußerungen zu Chemnitz das politische Berlin in Atem. Nachdem zunächst Maaßens Entlassung, aber gleichzeitige Beförderung zum Innen-Staatssekretär vereinbart worden war, ruderten Union und SPD angesichts der öffentlichen Empörung zurück.

Nicht erst seit dieser Krise sieht so mancher in Seehofer, der sich als oberster Dienstherr Maaßens dezidiert hinter diesen stellte, eine schwere Belastung für die Zusammenarbeit in der Koalition.

Und die Belastung könnte noch weiter andauern: So will sich der Innenminister erst "im Oktober oder spätestens Anfang November" zur Nachfolge von Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen äußern. Er denke noch über die Frage nach.

Seehofer ist sich seiner Lage mehr als bewusst - und gibt sich kampfeslustig

Doch all das hat ihm seinen Job bisher nicht gekostet, Seehofer sitzt noch fest im Sattel. Das könnte sich jetzt ändern.

Denn im Falle eines Wahldebakels der CSU werden Verantwortliche gesucht werden - und Seehofer als Berliner Querulant und "GroKo"-Belastung bietet sich da fast schon an. Müsste er den Parteivorsitz abgeben, wären wohl auch seine Tage als Minister gezählt.

Am Donnerstag wurde Seehofer die Frage gestellt, ob er sicher sei, dass er den BSI-Jahresbericht auch nächstes Jahr wieder in Berlin vorstellen werde.

Seine Antwort: "Also, so eine Planung hab ich jetzt überhaupt nicht durchgeführt. Ich fühle mich pudelwohl. Was das Leben noch bringt, wissen wir beide nicht."

Nach Aufgabe klingt das nicht - und auch nach dem CSU-Debakel bei der Bundestagswahl hat er zwar einen Posten abgeben müssen, aber den des Parteivorsitzenden behalten.

Auch durch die Berliner Querelen in den vergangenen Monaten hat er sich mit zahlreichen gewieften Kompromissvorschlägen immer wieder durchwinden können.

Nach eigenen Aussagen hat der 69-Jährige ohnehin noch einiges vor: In einem kürzlich geführten Interview gab er zu Protokoll: "Ich habe ein großes Werk zu verrichten."

Ob er dafür noch Zeit bekommt, zeigt sich nach der Wahl in Bayern.(mgb/afp/dpa)

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