Am Mittwoch könnte ein Gerichtsurteil gegen die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. fallen. In Leipzig haben ihre Sympathisanten eine Solidaritätsdemonstration angemeldet. Die Polizei befürchtet Ausschreitungen.
Im Prozess gegen die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. und drei weitere Beschuldigte wird am Mittwoch (31.5.) vor dem Oberlandesgericht Dresden ein Urteil erwartet. Die Generalbundesanwaltschaft (GBA) wirft der heute 28 Jahre alten Lina E. und drei anderen Beschuldigten vor, zwischen 2018 und 2020 Personen aus der rechten Szene in Leipzig, Wurzen und Eisenach brutal zusammengeschlagen zu haben. Zudem sind sie wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt, als deren Kopf die Studentin Lina E. gilt.
Angeklagte schweigen zu den Vorwürfen
Ein Kronzeuge hatte die Beschuldigten belastet. Laut Anklage wurden 13 Menschen verletzt, zwei davon potenziell lebensbedrohlich. Die Angeklagten hätten den demokratischen Rechtsstaat ebenso abgelehnt wie das staatliche Gewaltmonopol, lautet eine weitere Anschuldigung.
Der Prozess hatte im September 2021 unter hohen Sicherheitsmaßnahmen begonnen. Zu diesem Zeitpunkt saß Lina E. schon zehn Monate in Untersuchungshaft. Die anderen Beschuldigten blieben auf freiem Fuß. Bis auf Angaben zur Person schwiegen die Angeklagten zu den Vorwürfen.
Acht Jahre Haft hatte die GBA für Lina E. gefordert und für die Männer Strafen zwischen zwei Jahren und neun Monaten und drei Jahren und neun Monaten beantragt. Für die Verteidigung kamen nach dem Prozessverlauf nur Freisprüche infrage. Die Verteidiger sahen den Prozess politisch motiviert. Dass die GBA die Ermittlungen an sich zog, habe zu höheren Strafanträgen geführt, argumentierten die Anwälte. Von einer kriminellen Vereinigung könne keine Rede sein.
Was passiert am "Tag X"?
Mit Spannung wird erwartet, wie die linke Szene auf das Urteil reagiert. Für kommenden Samstag (3.6.) wurde bundesweit zu Demonstrationen aufgerufen. Am Tag der Urteilsverkündung ist in Dresden eine Kundgebung geplant.
Seit einiger Zeit wird in der linken Szene zur "Demo am Tag X" aufgerufen. Recherchen der "Zeit" (Bezahlinhalt) zufolge sollen als Vergeltung für ein Urteil gegen Lina E. nicht nur mehrere Tausend Menschen auf die Straße gehen: Geplant sei auch, an diesem Tag Schäden in Millionenhöhe anzurichten.
Nach den Worten von Chris Graupner, Sprecher der Leipziger Polizei, bereitet man sich in der Messestadt auf einen Großeinsatz vor. "Wir rechnen mit einer hohen Teilnehmerzahl und gehen auch davon aus, dass gewaltbereite oder gewaltsuchende Klientel darunter sein wird." Erwartet werde ein "dynamisches Versammlungsgeschehen". Sachsen habe sich bereits mit der Bitte um Unterstützung an die Bundespolizei und an andere Bundesländer gewandt.
Knapp 7.000 linksextremistisch motivierte Straftaten im vergangenen Jahr
In seinem aktuellen Bericht schreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz über den Linksextremismus: "Linksextremisten wollen die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung und damit die freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen. An deren Stelle soll ein kommunistisches System beziehungsweise eine 'herrschaftsfreie', anarchistische Gesellschaft treten – je nach ideologischer Ausrichtung mit dem Sozialismus als Übergangsphase."
Das Bundeskriminalamt verzeichnete im Jahr 2022 bundesweit 6.976 linksextremistisch motivierte Straftaten. Dem rechtsextremen Spektrum wurden dagegen 23.439 Straftaten zugeordnet. Linksextremisten beschränkten sich in der Vergangenheit häufig auf Sachbeschädigungen und Gewalt gegen Gebäude und Gegenstände.
Allerdings schreibt der Verfassungsschutz in seinem Bericht auch, dass linksextremistische Angriffe "zielgerichteter und professioneller" werden. Die Opfer würden "in ihrem privaten oder beruflichen Umfeld mit hoher Aggressivität attackiert, ihre Wohnungen, Geschäftsräume und Fahrzeuge gezielt beschädigt oder in Brand gesetzt". (dpa/fab)
Verwendete Quellen:
- dpa
- Bundesamt für Verfassungsschutz: Verfassungsschutzbericht 2021
- zeit.de: Prozess gegen Lina E.: Tag der Vergeltung


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