Nach drei Stunden war für die neun Geschworenen klar: Donald Trump, der 45. Präsident der Vereinigten Staaten, muss wegen sexuellen Missbrauchs fünf Millionen Dollar Strafe zahlen. Das Urteil ist nur eines aus einer ganzen Reihe von rechtlichen Problemen für den 76-Jährigen, der bei der Präsidentenwahl 2024 wieder antreten will.
Die Kolumnistin und Autorin E. Jean Carroll wirft
Carroll, die lange Zeit in einer bekannten Kolumne im Magazin "Elle" Leserinnenfragen beantwortete, verklagte Trump deswegen zunächst wegen Verleumdung. Im vergangenen November verklagte Carroll den Ex-Präsidenten zusätzlich wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung selbst und erneut wegen Verleumdung. Die Geschworenen urteilten nun, Trump habe Carroll "sexuell missbraucht" und verleumdet.
Den Vorwurf der Vergewaltigung wies die Jury dagegen zurück. Der Ex-Präsident wurde zu fünf Millionen Dollar – rund 4,5 Millionen Euro – Schmerzensgeld und Schadenersatz verurteilt.
Kann das Urteil Trumps Präsidentschaftskandidatur gefährden?
Da es sich um ein Zivilverfahren handelt, ging es von Anfang an nicht um eine Haftstrafe, sondern um eine finanzielle Entschädigung. Rein rechtlich hat die Entscheidung damit keinerlei Einfluss auf den Wahlkampf. Und politisch? Während es in Deutschland unvorstellbar wäre, dass ein Politiker, der vor Gericht für sexuellen Missbrauch haftbar gemacht wird, ins Kanzleramt vorrückt, scheint das in den USA keinesfalls ausgeschlossen. Trumps Sicht auf Frauen ist spätestens seit 2016 bekannt. Dass sich an seiner Haltung nicht das Geringste geändert hat, hat er in diesem Verfahren unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.
Teile seiner Wählerbasis sind ohnehin so indoktriniert, dass sie sich durch jedes rechtliche Vorgehen gegen Trump nur in ihrem Eifer bestärkt fühlen. Sie folgen Trumps Narrativ, dass alles, was gegen ihn vorgebracht wird, Teil eines politischen Komplotts ist, um seinen Wiedereinzug ins Weiße Haus zu verhindern. Trump hat in den vergangenen Monaten diverse juristische Ermittlungen gegen sich dafür genutzt, um seine Anhänger anzustacheln und Spenden zu sammeln. Das dürfte er auch jetzt wieder tun – und dabei betonen, dass er nicht für Vergewaltigung verantwortlich gemacht wurde.
Welche weiteren Verfahren laufen gegen Trump?
Wahlbeeinflussung in Georgia
Im US-Bundesstaat Georgia leitete die Justiz nach der Präsidentschaftswahl 2020 Ermittlungen zu Versuchen von Trump und seinen Verbündeten ein, den Ausgang der Wahl zu kippen. Unter anderem hatte Trump Georgias Wahlleiter Brad Raffensperger in einem berühmt gewordenen Telefonat aufgefordert, die für einen Sieg in dem Südstaat nötigen Wählerstimmen zu "finden". Trump könnte deswegen Verschwörung im Zusammenhang mit Wahlbetrug oder Wahlbeeinflussung zur Last gelegt werden.
Eine sogenannte Grand Jury hat bereits einen Abschlussbericht vorgelegt, in dem nach Angaben der Vorsitzenden des Laiengremiums in mehreren Fällen Anklagen empfohlen wurden – unklar ist aber, gegen wen. Die zuständige Staatsanwältin Fani Willis will im Verlauf des Sommers über Anklagen entscheiden.
Kapitol-Erstürmung
Das US-Justizministerium ernannte im vergangenen November einen Sonderermittler, um Trumps Rolle bei der Kapitol-Erstürmung vom 6. Januar 2021 zu untersuchen. Sonderermittler Jack Smith prüft seitdem, ob der damalige Präsident strafrechtliche Verantwortung für den blutigen Angriff auf den US-Kongress trägt.
Hunderte radikale Trump-Anhänger hatten das Kapitol gestürmt, als dort der Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl 2020 zertifiziert werden sollte. Trump hatte seine Anhänger zuvor dazu aufgerufen, zum Kapitol zu marschieren und "auf Teufel komm raus" zu kämpfen. Der Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses zur Kapitol-Erstürmung empfahl der Justiz im vergangenen Dezember, gegen Trump ein Strafverfahren unter anderem wegen Anstiftung oder Beihilfe zu einem Aufstand einzuleiten.
Geheimdokumente aus dem Weißen Haus
Sonderermittler Smith befasst sich auch mit Geheimdokumenten, die in Trumps Luxusanwesen Mar-a-Lago im Bundesstaat Florida gefunden wurden. Die US-Bundespolizei FBI hatte im vergangenen August bei einer Razzia in Mar-a-Lago zahlreiche Unterlagen beschlagnahmt, die Trump bei seinem Auszug aus dem Weißen Haus in sein Anwesen mitgenommen hatte, darunter Dokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe. Eigentlich hätte Trump die Dokumente zum Ende seiner Amtszeit dem Nationalarchiv übergeben müssen.
Im Raum steht der Vorwurf der unangemessenen Entwendung und Aufbewahrung von Geheimdokumenten, des rechtswidrigen Versteckens von Regierungsdokumenten und der Justizbehinderung. Die Ermittler berufen sich unter anderem auf ein Spionagegesetz, das strikte Vorgaben für die Aufbewahrung von Dokumenten zur nationalen Sicherheit enthält.
New Yorker Immobilienimperium
Die Generalstaatsanwältin des Bundesstaates New York, Letitia James, verklagte im September 2022 Trump und seine drei ältesten Kinder wegen Finanzbetrugs. Die Familienholding Trump Organization soll über Jahre hinweg den Fiskus, Banken und Versicherungen getäuscht haben, um sich Vorteile zu verschaffen, und dabei beispielsweise den Besitz von Immobilien zu hoch oder zu niedrig angesetzt haben. James strebt Strafen von 250 Millionen Dollar an.
In einem davon getrennten Strafprozess wegen Steuerhinterziehung wurde die Trump Organization im Januar zu einer Geldstrafe von 1,6 Millionen Dollar verurteilt. Der langjährige Finanzchef des Geschäftsimperiums, Allen Weisselberg, wurde zu fünf Monaten Haft und mehr als zwei Millionen Dollar Strafe verurteilt. Trump selbst war nicht angeklagt worden.
Wie geht Trump mit dem juristischen Ballast um?
Wer sich wundert, dass jemand bei dermaßen viel juristischem Ballast überhaupt noch politische Ambitionen zeigt, der kennt Trump schlecht. Seine Kritiker argumentieren, er strebe das Präsidentenamt als Schutzschild vor Strafverfolgung an. Sein Anwalt Joseph Tacopina dagegen sagt, Trump sei einfach "nicht unterzukriegen". Und zur weiteren Strategie: "Er macht weiter, wie er es immer tut."
Verwendete Quellen:
- Mit Material der Deutschen Presseagentur (dpa)
- Mit Material der französischen Agence France-Presse (afp)
© dpa

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