- Der ukrainische Präsident Selenskyj hat seit Kriegsbeginn schon Regierungschefs aus sechs westlichen Ländern in Kiew empfangen.
- Der deutsche Staatschef ist dort dagegen nicht erwünscht.
Eine geplante Reise von Bundespräsident
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hatte bereits am Wochenende klargemacht, dass die Ukraine eher einen Besuch von Bundeskanzler
Die überraschende Ausladung Steinmeiers ist ein diplomatischer Affront und der vorläufige Höhepunkt von Attacken auf den Bundespräsidenten, die insbesondere Melnyk seit Wochen führt. So boykottierte er im März ein Solidaritätskonzert im Schloss Bellevue mit der Begründung, dass dort russische, aber keine ukrainische Solisten spielten. "Ein Affront. Sorry, ich bleibe fern", schrieb er auf Twitter.
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Dem "Tagesspiegel" sagte Melnyk später: "Steinmeier hat seit Jahrzehnten ein Spinnennetz der Kontakte mit Russland geknüpft." Für ihn bleibe "das Verhältnis zu Russland etwas Fundamentales, ja Heiliges, egal was geschieht". Im "Spiegel" warf Melnyk Steinmeier vor, die Beziehungen zu Moskau seien für ihn offenbar das "goldene Kalb".
Da nützte es auch nichts, dass Steinmeier später Fehler in seiner Bewertung der russischen Politik und von Kreml-Chef Wladimir Putin einräumte: "Mein Festhalten an Nord Stream 2, das war eindeutig ein Fehler. Wir haben an Brücken festgehalten, an die Russland nicht mehr geglaubt hat und vor denen unsere Partner uns gewarnt haben."
Möglicherweise muss der Bundespräsident auch ausbaden, was eigentlich der Bundesregierung von Scholz gilt. Ihr wirft der ukrainische Präsident
Einigkeit zwischen Warschau und Berlin
Steinmeier hatte bereits am Freitag signalisiert, dass er Reisepläne für Kiew hat. "Selbstverständlich denke ich auch darüber nach, wann der richtige Zeitpunkt ist für meinen nächsten Besuch in Kiew." Diese Pläne sind jetzt hinfällig. Und das, obwohl sich westliche Spitzenpolitiker bei Selenskyj inzwischen die Klinke in die Hand geben. Aus Polen, Großbritannien, Österreich, Tschechien, Slowenien und der Slowakei sind bereits die Regierungschefs nach Kiew gereist, um der Ukraine im Kampf gegen die russischen Angreifer den Rücken zu stärken. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war am Freitag dort.
Zumindest zwischen Warschau und Berlin herrscht angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine weitgehender Schulterschluss. Zwar machte Polens Staatspräsident Andrzej Duda beim Besuch des Bundespräsidenten deutlich, dass sein Land mehr bei der Ausrüstung der ukrainischen Armee leistet und schneller gegen die Energieabhängigkeit von Russland vorgeht. Zugleich bezeichnete er Steinmeier aber als einen "erprobten Freund Polens".
Dieser dankte Polen für die Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge aus der Ukraine und sagte dem EU-Partner dafür weitere deutsche Unterstützung zu. "Ich empfinde wirklich tiefen Respekt und auch große Dankbarkeit für die großzügige und gut organisierte Aufnahme der Geflüchteten hier in Polen", sagte Steinmeier. "Ich weiß, dass das nicht einfach ist." Es handele sich um einen "enormen Kraftakt", an dem sich Deutschland weiter solidarisch beteiligen werde. "Wir lassen, das verspreche ich, Polen und die anderen Nachbarn der Ukraine damit nicht alleine."
Steinmeier wies darauf hin, dass die Bundesregierung bereits Entscheidungen wie das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr getroffen habe, die von Deutschland nicht erwartet worden seien. Zudem liefere man jetzt Waffen nicht nur in ein Spannungs- sondern ein Kriegsgebiet. Auf die Frage, ob dazu künftig auch schwere Waffen wie Panzer gehörten, antwortete Steinmeier ausweichend.
Den Bezug von Öl und Gas wolle Deutschland so schnell wie möglich reduzieren, sagte Steinmeier. "Wir sagen aber auch mit Blick auf unsere Wirtschaftsstruktur, zu der eine starke Chemieindustrie gehört, geht es nicht ganz so rasch wie manche sich das gegenwärtig wünschen." Derjenige, der die Sanktionen ausspreche, dürfe sich nicht stärker schädigen als den Sanktionierten.
Duda machte deutlich, dass Polen schon vor Jahren angefangen habe, seinen Energiebezug zu diversifizieren. Er hoffe, dass Polen schon im kommenden Herbst von Gasimporten aus Russland unabhängig sein werde.