- Weil die Bundesregierung die Schiffssicherheitsverordnung ändern will, schrillen bei Seenotrettern die Alarmglocken.
- Sie werfen Berlin vor, die Rettung von Migranten zu erschweren und damit den Koalitionsvertrag zu verletzen.
- Das Verkehrsministerium wehrt sich gegen die Vorwürfe.
Deutsche Seenotretter werfen der Bundesregierung vor, mit einer Änderung der Schiffssicherheitsverordnung (SchSV) den Koalitionsvertrag zu verletzen. Die Ampel-Koalition will höhere Sicherheitsstandards auch für kleinere Schiffe ab 24 Metern Länge vorschreiben.
Das geht aus einem Referentenentwurf des Bundesverkehrsministeriums hervor, über den das ARD-Magazin Monitor berichtete und der auch der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegt. Die deutschen Rettungsorganisationen kritisierten am Dienstag, dass die neuen Auflagen für sie zu teuer seien und ihre Einsätze behinderten.
"Für die Mehrheit der zivilen Seenotrettungsschiffe unter deutscher Flagge wird diese Verordnung bedeuten, dass sie ihre lebensrettende Arbeit einschränken oder einstellen müssen", heißt es in der Mitteilung der NGOs, die unter anderem von den Organisationen Mission Lifeline, Resqship, Sea-Watch und Sea-Eye unterzeichnet wurde.
"Die Umsetzung dieser Änderungen stellt einen klaren Bruch des Koalitionsvertrags dar, nachdem zivile Seenotrettung nicht behindert werden darf", schreiben die zivilen Vereine darüber hinaus.
Verkehrsministerium gibt Sicherheitsbedenken als Grund für Änderungen an
Ein Sprecher des Verkehrsministeriums entgegnete auf Anfrage: "Das Vorhaben zielt nicht auf die Behinderung von privater Seenotrettung im Mittelmeer ab, sondern es geht im Gegenteil darum, deren Arbeit abzusichern." Man stehe mit den Organisationen in ständigem Kontakt, außerdem solle es Übergangsfristen für die Umrüstungen geben.
Die Bundesregierung wolle garantieren, dass deutsche Schiffe den modernen Sicherheitsstandards entsprechen. Deshalb sollten Boote ab 24 Metern Länge die Anforderungen für Frachtschiffe erbringen - bislang galten Schiffe bis 35 Metern als Kleinfahrzeuge und hatten entsprechende Privilegien.
Von der Änderung wäre unter anderem die "Rise Above" der Dresdner Organisation Mission Lifeline betroffen, die zuletzt regelmäßig im Mittelmeer im Einsatz war. Die Helfer führten aus, dass es seit Beginn der Einsätze ziviler Schiffe im Mittelmeer 2015 keinen Unfall gab, bei dem Crewmitglieder oder Gerettete wegen Sicherheitsmängeln in Gefahr gerieten.
Italien und Griechenland versuchen Seenotrettung einzuschränken
Um die zivile Seenotrettung im zentralen Mittelmeer wird seit Jahren gestritten. Weil es keine staatlichen oder europäischen Missionen gibt, fahren Schiffe mit freiwilligen Crews Einsätze - etliche davon aus Deutschland.
Die italienische Regierung unter der rechten Ministerpräsidentin Giorgia Meloni versucht seit Monaten, die Einsätze der NGOs mit Dekreten einzudämmen. Dafür wurde Rom auch von deutschen Politikern und internationalen Organisationen gerügt.
Auch etwa in Griechenland bemängeln Helfer und internationale Organisationen, dass die Regierung versuche, die Seenotrettung zu erschweren. In Griechenland werden derzeit etwa 50 humanitäre Helfer strafrechtlich verfolgt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warf den Behörden vor, durch die Kriminalisierung von Rettungen Hilfsorganisationen von Einsätzen abschrecken zu wollen.
Am Sonntag war es vor der Küste Kalabriens zu einem Bootsunglück gekommen, bei dem mindestens 64 Migranten gestorben sind. Allerdings war das Holzboot eine Route von der Türkei aus gefahren, auf der zivile Seenotretter nicht im Einsatz sind. Diese suchen vor allem vor der libyschen Küste nach Flüchtlingen und Migranten in Seenot. (dpa/afp/thp)