- Der Flughafen Frankfurt-Hahn ist seit zwei Jahren insolvent. Nun hat ein russischer Milliardär Interesse.
- Viktor Charitonin gehört bereits der Nürburgring. Der Russe soll gute Kreml-Kontakte haben.
- Nun prüft das Wirtschaftsministerium die Kaufofferte.
Die Geschichte des Flughafens Frankfurt-Hahn war schon immer wechselvoll. Mit einigen Aufs und noch mehr Abs. Doch jetzt könnte sie groteske Züge bekommen. Mitten im Ukraine-Krieg will ein russischer Oligarch den deutschen Flughafen kaufen.
Beim potenziellen Hahn-Käufer "NR Holding" handelt es sich um ein Unternehmen im Besitz des Haupteigentümers der Rennstrecke Nürburgring, dem Investor Viktor Charitonin. Dem 50 Jahre alten Russen werden gute Kontakte in den Kreml nachgesagt, was zahlreiche Staatsaufträge für unterschiedliche Arzneimittel bezeugen, wie die Tagesschau berichtet.
Unternehmen soll größter Hersteller von Sputnik V sein
So soll der Milliardär mit seinem Unternehmen laut dem SWR auch der größte Hersteller des russischen Covid-Impfstoffes Sputnik V sein. Auf der russischen Forbes-Liste steht er aktuell auf Platz 66 mit einem Vermögen von 1,4 Milliarden US-Dollar. Das ist auch der Wert seines Pharmaunternehmens.
Es soll der größte russische Arzneimittelhersteller mit Mitteln für Menschen und Haustiere sein. Verkauft werden sie vor allem in Russland und China. Geschäftsbeziehungen bestehen weltweit – auch zur deutschen Pharmaindustrie.
Gegen Charitonin gelten keine EU-Sanktionen wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Das US-Finanzministerium führt den Russen allerdings auf seiner sogenannten "Putin-Liste", die Mitglieder der russischen Regierung und russische Oligarchen aufführt.
Was für die Kaufofferte spricht
Der Flughafen liegt nahe der Rennstrecke Nürburgring und lässt sich mit dem Hubschrauber schnell und diskret erreichen. Das größte Plus von Hahn: Der Flughafen hält eine uneingeschränkte Betriebsgenehmigung und damit auch eine Nachtflugerlaubnis. Das ermöglicht eine hohe Flexibilität – für Charitonin selbst und auch für den Passagier- und Frachtflugverkehr.
20 Millionen Euro soll der Deal dem Pharmamogul wert sein. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet, Charitonin habe die Summe bereits auf einem sogenannten Notar-Anderkonto hinterlegt, auf das der Käufer den Kaufpreis einzahlt. Der Notar gibt das eingezahlte Geld erst dann an den Verkäufer weiter, wenn alle Bedingungen des Kaufvertrages erfüllt sind.
Ein Auf und Ab in der Geschichte des Flughafens
Der Name Frankfurt-Hahn ist irreführend, liegt doch der Flughafen in Rheinland-Pfalz zwischen Mainz und Trier auf dem Gelände eines ehemaligen US-Militärstützpunkts. Am Flughafen arbeiten circa 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Dienstleister wie Hoteliers oder Flugzeugtechniker.
Wirtschaftlich erschien der Flughafen bisher eher als Flop: 2007 sollten ihn zehn Millionen Passagiere pro Jahr nutzen – maximal vier Millionen wurden es. Bis zur Corona-Pandemie ging die Zahl von Passagieren und Fracht meist nach unten. Die Schulden kletterten dafür in die Höhe.
Sogar die eigene Geschäftsführung sah 2013 in ihrem Unternehmen ein "nicht zukunftsfähiges Geschäftsmodell". Jahrelang versuchte deshalb das Land Rheinland-Pfalz, seinen Mehrheitsanteil loszuwerden.
Chinesische Investoren waren Betrüger
Doch die EU verbot, die Infrastruktur an den landeseigenen Mobilitätsbetrieb zu verkaufen und anschließend zurückzuleasen. Der Tiefpunkt war 2016 erreicht, als der damalige Landesinnenminister das Geschäft mit chinesischen Investoren einging. Diese stellten sich später als Betrüger heraus.
Ein Jahr später beteiligte sich der chinesische Mischkonzern HNA zwar mit 15 Millionen Euro für Hahn. Doch im Zuge der Corona-Pandemie meldete auch dieser Hoffnungsträger 2021 Insolvenz an, ein halbes Jahr darauf der Flughafen Hahn selbst. Der nächste Käufer – die Frankfurter Swift Conjoy – zahlte erst gar nicht den vereinbarten Kaufpreis. Nun also ein russischer Milliardär.
Gläubigerversammlung verteidigt den russischen Investor
Ob der Kauf überhaupt mit Charitonin zustande kommt, ist unsicher. Einen Kaufvertrag mit dem russischen Oligarchen lehnte kürzlich die Gläubigerversammlung von vier Hahn-Tochtergesellschaften vorerst ab. Ein Nein sei das jedoch nicht, wie sie betonte: "Viktor Charitonin ist kein Oligarch. Er nimmt keinen Einfluss auf die russische Politik." Die Darstellung, der Geschäftsmann stehe dem Kreml nahe, sei falsch.
"Sicher hat er Kontakte zu russischen Behörden, Ministerien und zum Kreml. Kontakte von Vorständen führender deutscher Unternehmen zur Bundesregierung sind ja aber auch hier nichts Ungewöhnliches."
Er sei ein "unabhängiger und international agierender Pharmaunternehmer" mit zahlreichen Firmen und vielen tausend Arbeitnehmern, für die er Verantwortung trage. Das Verhalten gegenüber Charitonin sei diskriminierend.
Gehört der Flughafen zur kritischen Infrastruktur?
Seit die Übernahme-Pläne bekannt sind, prüft das Bundeswirtschaftsministerium, ob der Airport Hahn zur kritischen Infrastruktur gehört und ob mit dem Verkauf die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet werde. "Es läuft in diesem Fall gerade ein Prüfprozess", sagte ein Ministeriumssprecher gegenüber unserer Redaktion. Das Prüfverfahren nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWD) könnte bis zu sechs Monate dauern.
Das Bundesinnenministerium erklärt bereits, dass der Flughafen Hahn nach den Kriterien der kritischen Infrastruktur (KRITIS) nicht zu dieser Kategorie gehöre.
Das Insolvenzverfahren zum Flughafen Hahn läuft ohne Beteiligung der Landesregierung Rheinland-Pfalz. Das Land hat seine Anteile bereits 2017 verkauft.
Hessen ist gegen den Verkauf
Dagegen hält das Land Hessen 17,5 Prozent der Anteile am Flughafen Hahn. Man sehe den möglichen Verkauf "äußerst kritisch", wie ein Sprecher der Tagesschau mitteilte: "Wir bitten die Bundesregierung […] all ihre Möglichkeiten auszuloten, diesen Verkauf zu verhindern."
Generell habe der Regionalflughafen Hahn für die Wirtschaftskraft der Region im Hunsrück sukzessive an Bedeutung verloren, sagt die Abgeordnete Jutta Blatzheim-Roegler, die für die Grünen im Landtag von Rheinland-Pfalz sitzt.
Neue Idee: Beteiligung von unter 25 Prozent
"In den letzten Jahren hat sich im Hunsrück und Umgebung zunehmend nicht flugaffines Gewerbe und international agierende Betriebe angesiedelt, die nicht auf einen Regionalflughafen angewiesen sind", sagte die Abgeordnete unserer Redaktion.
Bei der Kaufofferte prüft die NR Holding neuerdings eine Beteiligung von nur noch unter 25 Prozent. Damit läge der Anteil der Holding unter der Sperrminorität, und sie hätte kein Vetorecht oder Einfluss auf die operative Geschäftsführung des Flughafens, wie die Besitzgesellschaft des Nürburgrings mitteilte.
Es bleibt spannend, beim Auf und Ab von Frankfurt Hahn.
Verwendete Quellen:
- dpa
- afp
- swr.de: Unternehmer und Milliardär - Wer ist Viktor Charitonin?
- tagesschau.de: Widerstand gegen Verkauf an Oligarchen

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