• Wer in Deutschland eine Geldstrafe nicht bezahlen kann, kann dafür ins Gefängnis kommen.
  • Vor allem ärmere Menschen werden dadurch benachteiligt.
  • Die Regierung hat nun auf die Kritik an den sogenannten Ersatzfreiheitsstrafen reagiert und eine Reform auf den Weg gebracht..

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Die Bundesregierung will das System der Ersatzfreiheitsstrafe überarbeiten. Wie das Kabinett beschloss, soll künftig bei einer nicht bezahlten Geldstrafe pro zwei verhängten Tagessätzen nur noch ein Tag Freiheitsstrafe fällig werden statt zwei.

Wer eine Geldstrafe nicht zahlen kann oder will, soll dafür künftig nicht mehr so lange ins Gefängnis müssen wie bisher. Einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Überarbeitung des Ersatzfreiheitsstrafen-Systems hat das Bundeskabinett an diesem Mittwoch verabschiedet.

Der Entwurf, dem der Bundestag noch zustimmen muss, sieht vor, dass ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe künftig nicht mehr einem, sondern zwei sogenannten Tagessätzen entsprechen soll. Die Zeit hinter Gittern würde dadurch also halbiert.

Der Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe leiste "in der Regel keinen Beitrag zur Resozialisierung der Betroffenen", erklärte das Bundesjustizministerium zur Begründung.

Kritik an Ersatzfreiheitsstrafen gibt es schon lange

Das System der Ersatzfreiheitsstrafe ist seit Langem umstritten - Kritiker sehen dadurch vor allem arme Menschen benachteiligt. Wer eine Geldstrafe nicht begleicht, kann als Ersatz in Haft genommen werden. Geldstrafen werden in Tagessätzen verhängt; dabei entspricht ein Tagessatz dem Betrag, den ein Täter oder eine Täterin rechnerisch pro Tag an Nettoeinkünften zur Verfügung hat.

Neben der geplanten Verkürzung der Haftzeiten soll die im Kabinett beschlossene Reform,auch dafür sorgen, dass die Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit gestärkt wird. Betroffenen soll es außerdem erleichtert werden, die Geldstrafe doch noch zu bezahlen - etwa durch Unterstützung bei der Beantragung von Ratenzahlung.

"Wir legen eine historische Reform der Ersatzfreiheitsstrafe vor", erklärte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Dies sei bereits zehn Mal vergeblich versucht worden. "Ich freue mich sehr, dass die Fortschrittskoalition nun endlich diesen wichtigen Schritt geht."

Mit der Frage, ob das Schwarzfahren künftig womöglich keine Straftat mehr sein soll, sondern nur noch eine Ordnungswidrigkeit, beschäftigt sich dieser Entwurf zur Überarbeitung des Sanktionenrechts nicht. Laut Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) soll die Möglichkeit einer solchen Reform im kommenden Jahr geprüft werden.

Richter und Anwälte fordern noch weitreichendere Reform

Die oppositionelle CDU/CSU im Bundestag begrüßte die Reform im Grundsatz. "Die Möglichkeiten, die Geldstrafe abzuarbeiten, sollten noch stärker ausgebaut und genutzt werden", erklärte der Rechtspolitiker Günter Krings (CDU).

Er verwies auf das Programm "Schwitzen statt Sitzen" in Bayern, mit dem "seit Jahren erfolgreich Ersatzfreiheitsstrafen durch Ableisten gemeinnütziger Arbeit vermieden" würden. Klar müsse dabei immer sein, dass die "abschreckende Wirkung von Strafurteilen" gewährleistet bleibe, erklärte Krings.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hätte sich eine noch weitreichendere Reform des Sanktionenrechts gewünscht. Er fordert, dass Schwarzfahren nicht mehr als Straftat, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit, gilt. Ersatzfreiheitsstrafen sollten abgeschafft "oder zumindest auf Zahlungsunwillige beschränkt werden".

Der Deutsche Richterbund sprach sich dafür aus, den Straftatbestand der Beförderungserschleichung auf einen "strafwürdigen Kern" zu beschränken. "Das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln ohne Fahrschein sollte nur noch strafbar sein, wenn die Betroffenen Zugangsbarrieren überwinden oder Zugangskontrollen umgehen", sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn.

Wer in einen Bus oder eine Straßenbahn einsteige, ohne eine Form der Täuschung zu begehen oder einen technischen Schutz gegen Schwarzfahrten zu umgehen, sollte nicht mehr mit Strafe bedroht werden. Für diese Fälle seien die zivilrechtlichen Ersatzansprüche der Verkehrsunternehmen, wie das erhöhte Beförderungsentgelt, ausreichend.

In erster Linie seien die Verkehrsbetriebe selbst gefordert, Schwarzfahrten durch wirksame technische Zugangsbeschränkungen und häufigere Kontrollen effektiver vorzubeugen. Rebehn rechnete vor: "Würde der Straftatbestand wie vorgeschlagen beschränkt, würden im Ergebnis auch die Gefängnisse entlastet, weil circa ein Viertel aller Ersatzfreiheitsstrafen auf Schwarzfahrten zurückgeht."

Gewalt gegen Frauen soll künftig härter Bestraft werden können

Der Gesetzesentwurf, sieht noch weitere Änderungen in anderen Bereichen des Strafrechts vor. So soll Paragraf 46 des Strafgesetzbuches erweitert werden.

Dieser Paragraf besagt unter anderem, dass bei der Strafzumessung "die Beweggründe und die Ziele des Täters" berücksichtigt werden sollen, "besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende". Dieser Teil soll ergänzt werden um "geschlechtsspezifische" und "gegen die sexuelle Orientierung gerichtete" Beweggründe.

Damit hätten etwa Männer, die Gewalt gegen Frauen ausüben, weil sie glauben, sie dürften über das Leben der Frau bestimmen, höhere Strafen zu erwarten als bisher. Die Anpassung soll auch für Taten gelten, die sich etwa gegen die trans- oder intergeschlechtliche Identität von Menschen richten.

Ein weiterer Abschnitt bezieht sich auf die Einweisung von Straftätern mit Suchtproblemen in Entziehungsanstalten. Hier sollen die Vorgaben enger gefasst werden, um sicherzustellen, dass nur therapiefähige und -willige Täter in solche Kliniken eingewiesen werden. "Damit soll zugleich der seit vielen Jahren zu beobachtende Anstieg der Zahl der untergebrachten Personen möglichst gebremst werden", hieß es vom Bundesjustizministerium.

Schließlich sieht der Gesetzentwurf noch vor, dass sogenannte Auflagen und Weisungen im Strafverfahren gestärkt werden sollen. Dabei geht es beispielsweise darum, dass eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird mit der Vorgabe, dass der Täter eine Psychotherapie macht. Wie das Bundesjustizministerium ausführte, zeigen aktuelle Studien, dass solche Therapien "tatsächlich rückfallreduzierende Wirkung haben". (dpa/afp/thp)


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